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Krieg und Pazifismus

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 12. Mai 2022

Die Friedensziele im Blick behalten-

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Ein Schlagloch von Ilija Trojanow

Imperialistische Gelüste und Aufrüstung zielen auf Krieg. Stattdessen sollte die Weltgemeinschaft genährt werden, ein gemeinsames Haus.

Ich bin kein Pazifist, daher fühle ich mich berufen, den Pazifismus zu verteidigen. Ich bin kein Pazifist, weil ich bewaffneten Widerstand manchmal für gerechtfertigt und notwendig halte. Ich bewundere den revolutionären Aufstand 1936 in Katalonien ebenso wie die Bauernarmee von Nestor Machno in der Ukraine (1918 bis 1921), die sich mit Idealismus und Disziplin (kein Plündern, keine Vergewaltigungen, keine Judenpogrome) jahrelang gegen die überlegenen Kräfte der Weißen Garde und der Roten Armee behauptete.

Und ich bin der Überzeugung, dass die Ukraine sich heute verteidigen muss, mit internationaler Hilfe. Zugleich teile ich die pazifistische Erkenntnis, dass der Krieg per se ein Verbrechen ist, die schlimmste Form von Staatsterror. Und das nicht erst, wenn Krankenhäuser bombardiert oder Zivilisten erschossen werden. Dieser Wochen ist viel von Kriegsverbrechen die Rede, zu wenig aber vom Verbrechen des Kriegs an sich. Die Phrase „völkerrechtswidriger Angriffskrieg“ ist ein Pleonasmus.

Krieg ist völkerrechtswidrig (siehe UN-Charta), und ohne einen Angriff gäbe es ihn nicht. Wenn aber der Krieg an sich ein Verbrechen ist, dann muss eine Ethik, die den Namen verdient, Strategien entwickeln, wie man Krieg grundsätzlich verhindern kann. Das haben die Vordenkerinnen des Pazifismus getan.

Ich bin kein Pazifist, weil ich für diese Haltung zu feige bin, denn sie verlangt vom Einzelnen angesichts von Gewalt eine heldenhafte Selbstaufopferung. Gemeinhin wird Pazifismus verwechselt mit Passivität, Eigennutz, Mutlosigkeit. Dabei beinhaltet die Überzeugung von Menschen wie Bertha von Suttner, Mahatma Gandhi und Martin Luther King eine kämpferische Ablehnung von Gewaltherrschaft an sich. Nicht zuletzt, indem man sein eigenes Wohl und im Extremfall auch sein Leben opfert.

Ohne Gewalt gegen Gewalt

Es brauchte in der Geschichte mehr Courage, sich dem Krieg zu verweigern, als mitzumarschieren. Pazifismus bedeutet nicht, sich der Gewalt zu unterwerfen, sondern dieser mit allen Mitteln – Verweigerung, Nötigung, Sabotage, Desertation (alle Deserteure sollten politisches Asyl erhalten!) so wie Protesten – die Stirn zu bieten. Der Grundgedanke ist einfach: Wir können Gewalt nicht mit gewalttätigen Mitteln überwinden.

Weswegen eine Rechtfertigung, man sei für den Frieden, aber eben auch für die Menschenrechte, wenig Sinn ergibt, da der Krieg die ultimative Menschenrechtsverletzung ist. Der pazifistische Blick hat einen anderen zeitlichen Horizont, er verweigert sich den mörderischen Zwängen, weil er über den historischen Augenblick hinaus ein längerfristiges Ziel verfolgt. Bellizisten hingegen sind Untertanen der Geschichte. Freiheit ist für sie die Einsicht in das Unvermeidliche.

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Für Pazifisten ist Freiheit der Ausstieg aus der ewigen Wiederkehr der Gewalt. Das erscheint manchen weltfremd, wie jede utopische Sehnsucht, aber sie ist in sich stimmig und verfolgt eine konsequente Strategie, die keineswegs naiv ist, wenn man von den Erfahrungen der letzten zweihundert Jahre lernt, dass nationalistische und imperialistische Gelüste, gekoppelt mit Aufrüstung und ideologischem Wahn, eine Gewaltspirale antreiben, die unweigerlich in Krieg kulminiert.

Dies soll keineswegs das zynische Lavieren der wirtschaftlichen und politischen Eliten Deutschlands verteidigen. Wer Blutöl importiert und mit Waffenexport Geld verdient, macht sich mitschuldig. Der Rüstungskonzern Rheinmetall etwa errichtete in Russland ein Gefechtsübungszentrum, ein Auftrag in Höhe von 100 Millionen Euro, aus dem er nach der Annexion der Krim aussteigen musste. Bemerkenswert die damalige Legitimierung: Der Auftrag sei „von besonderer strategischer Bedeutung“, um in den russischen Markt zu drängen.

Lieber nur kleine und schwache Armeen

Können wir unseren Wirtschaftsbossen nicht ein wenig Moral und Profitbescheidung abverlangen? Schon 2011 hätten alle Beteiligten wissen müssen, mit was für einem repressiven Regime sie Geschäfte machten. „Wir haben ein sicherheitspolitisches Interesse an einer modernen russischen Armee, die gut geführt ist“, verkündete Thomas de Maizière damals. Wie wir wissen, ertragen Politikerinnen die eigenen Fehler mit viel Geduld.

Wir Bürgerinnen haben hingegen ein sicherheitspolitisches Interesse, Armeen klein und schwach zu halten, erst recht jene von Diktatoren.

Quelle        :        TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle :

Oben       —      Das Denkmal für die Völkerschlacht in Leipzig während der Blauen Stunde

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