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Krieg im 21. Jahrhundert

Erstellt von Redaktion am Freitag 22. August 2014

Das Deutsche Heer:
Vorbereitung auf den Sieg im Gefecht

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Autor: Jürgen Heiducoff

Rationalgalerie

Datum: 20. August 2014

Unser Autor Jürgen Heiducoff ist nach fast 40 Jahren Dienst in zwei deutschen Armeen Anhänger der Friedensbewegung geworden. Über 20 Jahre war er auf dem Gebiet der militärischen Rüstungskontrolle, der Vertrauens- und Sicherheitsbildung und Abrüstung tätig. Die Teilnahme an Waffenstillstandsverhandlungen während des Kaukasuskrieges Rußlands in Tschetschenien und fast drei Jahre Einsatz in Afghanistan haben ihm gezeigt, dass Krieg und Gewalt in der heutigen Welt nicht zur Konfliktlösung geeignet ist. Er wurde im Rang eines Oberstleutnant aus der Armee entlassen. – Heiducoff sieht in der Bundeswehr einen klaren Sinneswandel von einer Abrüstungsperspektive hin zum Kriegsdenken.

Unweit der deutschen Hauptstadt, im Landkreis Märkisch – Oderland liegt das Städtchen Strausberg.

Am 30. August findet dort das traditionelle Friedensfest statt. Unter den Gästen werden wie alljährlich viele ehemalige Offiziere und Generale sein. Hier befand sich das Ministerium für Nationale Verteidigung der ehemaligen DDR und ein internationales Tagungszentrum des Warschauer Vertrages.

Im Norden der Stadt ist auch heute noch ein Kasernenkomplex zu finden. Von einigen Modernisierungen abgesehen, hat sich infrastrukturell seit den 1980er Jahren nicht all zu viel geändert. Neu ist der Geist, der hier herrscht. Hier finden wir heute das neu aufgestellte Kommando Heer und die Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation (AIK).

Nachdem die Strategie des Warschauer Vertrages nach 1987 konsequent auf Verteidigung ausgerichtet worden war, umfangreiche Rüstungs- und Streitkräftereduzierungen vorsah und auf einen Prozess der militärischen Vertrauensbildung orientierte, fand in dieser Strausberger Kaserne, wenn auch zähflüssig, eine erste Wandlung im Umgang zwischen den Militärblöcken statt.

Hier wurde ein Verifikationszentrum aufgebaut – eine der Urzellen internationaler militärischer Kontakte und Vertrauensbildung. Offiziere wurden vorbereitet, die Inspektionen zum INF – Vertrag über die Beseitigung von Mittelstreckenraketen und die Manöverbeobachtungen sicherzustellen. Bereits im Sommer 1988 sind bei Großmanövern sowjetischer Truppen und der NVA ausländische Beobachter begleitet worden.

Natürlich waren an den ersten Kontakten nur handverlesene Generale und Offiziere beteiligt. Aber es war ein Anfang getan. Und es begann ein tiefgreifendes Umdenken.

Bei aller Skepsis und Zurückhaltung gab es in dieser Zeit auch Hoffnungen auf eine friedliche Welt.
Heute, ein Viertel Jahrhundert später, haben sich diese Träume leider längst aufgelöst.

Die Welt hat sich verändert. Sie ist kriegerischer geworden.

Da bedürfte es eigentlich konstruktiver Friedensbotschaften. Doch leider kommen andere Signale aus Strausberg.

Die AIK bildet die Jugendoffiziere aus, die in den Schulen für das Kriegshandwerk werben. Auch sonst pflegt die Akademie recht intensive Kontakte zu Hochschulen, aber auch zur Gesellschaft.

„Krieg im 21. Jahrhundert“ lautet martialisch das Thema einer „Summer School“ der AIK in Kooperation mit der Universität Köln. Zielpersonen dieser Kriegsseminare, die am Weltfriedenstag beginnen, sind Masterstudierende und Promovierende in geistes- oder sozialwissenschaftlichen Studiengängen. Langfristig soll der künftigen Elite und unserer Gesellschaft die naturgegebene Kriegsangst genommen werden. Es sieht so aus, als sehnten die Veranstalter den Krieg herbei. Als hätte unsere Gesellschaft keine anderen Probleme.

Nebenher läuft an den Universitäten Augsburg und Bremen ein Forschungsprojekt zum Soldatentod.

Heeresinspekteur Generalleutnant Kasdorf führt von Strausberg aus die Neuausrichtung und die auf weltweite Einsätze ausgerichtete Ausbildung der größten Teilstreitkraft. Im Klartext heißt das: Vorbereitung auf den Sieg im Gefecht, auf den Krieg – auf Tod, Verwundung und Traumatisierung.
Kasdorf selbst ist gezielt für diese Funktion als Heeresinspekteur aufgebaut worden. Er gehört zu den Generalen mit der größten Einsatzerfahrung. Zwei Mal war er Chef des Stabes der Internatio-nalen Schutztruppe ISAF in Afghanistan, seine Vorgesetzten waren Viersternegeneräle der US Army. Von denen konnte er unmittelbar Aufstandsbekämpfung im zivilen Umfeld lernen.

Bis zuletzt war er davon überzeugt, dass die Aufständischen besiegt werden können.

Vom Einsatz her denken, das ist einer der Leitsprüche. Doch Einsatz, zum Beispiel in Afghanistan, das ist, wenn auch asymmetrisch, doch immerhin Krieg.

Der Inspekteur besuchte vor einigen Wochen das Deutsche Einsatzkontingent in Mali. Kasdorf posierte mit Pionieren beim Übersetzen des Niger. 1)

„Bei … Konflikten müsse mit einer Vielzahl von Risiken und Bedrohungen in unterschiedlichen Regionen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten, mit unterschiedlicher Intensität und in unterschiedlicher Kombination gerechnet werden … Die Fähigkeit zur Kontrolle urbaner Räume ist dabei zum Aufbau und Erhalt von Sicherheit und Ordnung unabdingbar“, sagte Kasdorf während einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. 2)

Ein klarer Sinneswandel von einer Abrüstungsperspektive hin zum Kriegsdenken in Strausberg.

Hier werden in der Gegenwart die Grundprinzipien der Ausbildung des Heeres konzipiert. Ein Schwerpunkt wird auf die Fähigkeiten zum Kampf im urbanen Gelände gelegt. Dazu zählt vor allem die Fähigkeit zum Häuser- und Tunnelkampf. Laut „Welt am Sonntag“ vom 10.08.2014 wird „die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit den israelischen Verteidigungsstreitkräften intensiviert.

Wie der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Bruno Kasdorf, dem Verteidigungsausschuss des Bundestags mitteilte, sollen … deutsche Soldaten nach Israel geschickt werden, um dort im Häuser- und Tunnelkampf ausgebildet zu werden. Es gehe um den Austausch von Einsatzerfahrungen sowie gemeinsame Ausbildungen und Übungen, erläuterte Kasdorf in seinem Schreiben an den Ausschussvorsitzenden Hans-Peter Bartels (SPD): „Das Heer strebt an, zeitnah israelische Ausbildungseinrichtungen zum Kampf im urbanen Gelände (einschließlich Tunnelkampf) bis zur Ebene einer verstärkten Infanteriekompanie zu nutzen.“ 3)

Seit Jahrhunderten liegt der Schwerpunkt der Ausbildung deutscher Landstreitkräfte auf der Vorbereitung von Feldschlachten. Im Felde konnten sich reguläre Streitkräfte messen und zugleich zivile Verluste gering halten. Doch nun verzeichnen wir immer mehr eine Ausrichtung der Ausbildung auf den Kampf in Städten. Es bleibt spekulativ, welche Städte in welcher Region gemeint sein könnten. Und es liegt auf der Hand, dass künftig in diesem Umfeld von Kampf und Vernichtung verstärkt zivile Opfer einkalkuliert werden. Afghanistan lässt grüßen.
Eine grauenhafte Perspektive des Einsatzes der Streitkräfte einer Demokratie.

Im Folgenden weitere Auszüge aus Interviews, die General Kasdorf in der Vergangenheit gab:

Interview des Deutschlandfunks vom 12.04.2007 mit dem damaligen Chef des Stabes ISAF, Generalmajor Kasdorf:

„Simon: Was könnte die Schutztruppe insgesamt besser tun, wenn die Mitgliedsländer mehr Soldaten schickten?

Kasdorf: Wir wären natürlich wesentlich besser in der Lage, überall dort auch tätig zu werden, wo bisher die Regierung Afghanistans noch nicht tätig hat werden können auf Grund der Sicherheitslage und auf Grund der tatsächlich zu geringen Anzahl von NATO- wie auch von afghanischen Truppen.

Simon: Wenn Sie sagen, tätig werden, was meinen Sie damit dann?

Kasdorf: Ich habe eingangs ja gesagt, wir sprechen über die Unterstützung der afghanischen Regierung, und worum geht es hier vor allen Dingen? Es geht darum, die Hoheitsgewalt der afghanischen Regierung durchzusetzen in Gesamtafghanistan und die Voraussetzung zu schaffen, dass Wiederaufbau und Entwicklung stattfinden kann. Und nur über diesen Weg werden wir letztendlich auch in Afghanistan erfolgreich sein können.

Simon: Gerade angesichts dieser Zahl, die Sie nennen, Generalmajor Kastorf, ist es für die ISAF ja sehr problematisch, dass gerade im Süden bei Angriffen der ISAF oder wo man eben Taliban sucht, versucht, sie zu finden, immer wieder auch Zivilisten ums Leben kommen. Das schadet Ihnen ja in der Bevölkerung. Gibt es da inzwischen neue, schärfere Anweisungen für die ISAF-Soldaten?

Kasdorf: Also Sie können eigentlich nicht von schärferen Anweisungen sprechen. Wir sind besorgt um jedes Menschenleben, und wir tun alles, was wir können, um afghanisches Leben auch zu schonen. Wir sehen hier einen anderen Trend, und deshalb, sage ich mal, zweifle ich, wenn ich das die letzten Monate verfolge, ob das wirklich so ist, dass es uns schadet, weil diejenigen, die Böses wollen, eigentlich keine Rücksicht mehr auf die Bevölkerung nehmen, und diese IED-Anschläge, also die improvisierten Sprengkörper, richten auch in der afghanischen Bevölkerung riesengroßen Schaden an, mehr als sie bei uns anrichten.“ 4)

Interview „Die Welt“ mit Generalmajor Kasdorf am 05.10.2007:

„WELT ONLINE: Viele der von Isaf eingenommenen Gebiete konnten in der Vergangenheit nur kurze Zeit gehalten werden. Dann nehmen die Taliban diese wieder ein. Sind es manchmal nicht nur kurzfristige Erfolge?

Kasdorf: Man kann nicht sagen, dass die Gebiete zurückerobert werden. Wir sind den Taliban in jeder Hinsicht überlegen. Wenn sie sich in einer normalen konventionellen Auseinandersetzung mit uns messen, dann haben sie keine Chance. Dort wo sie operieren, schmeissen wir sie raus. Allerdings sind unsere Kräfte nicht zahlreich genug, dass wir im gesamten Land gleichzeitig sein können. Und so kann man sich immer wieder Gegenden suchen, wo die Taliban auftreten können. Wenn wir unsere Kräfte herausbewegen, kommen sie wieder zurück.

WELT ONLINE: Können Sie die Bedenken des Bundestages und auch der deutschen Bevölkerung nachvollziehen ?

Kasdorf: Nein. Zunächst muss man sich darüber im Klaren werden, was wir hier selber für Interessen haben. Ich habe einen vielleicht eher egoistischeren Ansatz: was sind eigentlich die Interessen Deutschlands in Afghanistan? Wir wollen verhindern, dass Afghanistan zum Ausbildungs- und Rückzugsgebiet von Terroristen wird, wir wollen verhindern, dass Afghanistan auf Dauer der größte Drogenproduzent wird. Wir wollen zusehen, dass die Region stabilisiert wird angesichts der unmittelbaren Nachbarschaft von drei, demnächst vielleicht sogar vier Nuklearmächten. Das sind deutsche Interessen, die viel zählen und hoch zu gewichten sind. Wenn man das alles bejaht, dann muss man auch das tun, was erforderlich ist, um dieses Ziel zu erreichen.“ 5)

Interview FAZ mit Generalmajor Kasdorf 17.01.2008:

„FAZ: Herr General, wie lautet Ihre Bilanz nach gut einem Jahr als Chef des Stabes, also als rechte Hand des Kommandeurs der Afghanistanschutztruppe Isaf?

Kasdorf: Die Isaf-Bilanz sehe ich positiv. Wir haben von Anfang an die Initiative ergreifen können. Die Taliban hatten angekündigt, im Frühjahr eine großen Offensive zu starten. Das haben wir unterlaufen. Zusätzlich hat die afghanische Armee deutlich an Kapazität gewonnen. Ein gutes Beispiel ist die Operation in Musa Qala gewesen, wo die afghanische Armee tatsächlich in Führung war und wir sie dabei unterstützt haben.

FAZ: Wie muss sich die Bundeswehr, die ihren Schwerpunkt und das Regionalkommando im Norden hat, auf die künftigen Entwicklungen einstellen?

Kasdorf: Wir lernen alle gemeinsam, wie wir uns auf bestimmte Aktivitäten einstellen müssen. Auch die Bundeswehr. Da geht es um Ausbildung, auch um Ausrüstung. Man muss überlegen, welche Rolle schwere Ausrüstung künftig spielt. Wir sehen den Einsatz von Panzern und Panzerhaubitzen im Süden, was letztendlich nutzt, um eigenes Leben zu schützen. Ohne dass ich einen Panzerkrieg herbeireden möchte: Wenn man da drinsitzt, hat man einen besseren Schutz. Und hat gleichzeitig abschreckende Wirkung.“ 6)

Quellen:

1) http://www.deutschesheer.de/portal/a/heer/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9jNTUIr3MvOIC_YJsR0UAn0IjRw!!/

2) http://www.deutschesheer.de/portal/a/heer/!ut/p/c4/NYzNCsIwEITfaJP4c6g3S0H02INab9t0baJpUpaNXnx4U8EZGAa-YdRNFUd8 RHFp4hBXVVn_a5_gyNiwKdkCgEiWsfeOqEID3S80mYDd-o546 ry3I0ENgUSZYsS_ElR0ZJDHNiCQvJzIWAH1SnTVPrrf7LfKrDqTm3lVk3x7pV8zTtv8QqT6g!/

3) http://www.welt.de/politik/deutschland/article131057577/Bundeswehr-soll-in-Israel den-Tunnelkampf-lernen.html

4) Deutschlandfunk 12.04.2007 – http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/614311/

5) Interview „Die Welt“ mit General Kasdorf am 05.10.2007 –
http://www.welt.de/politik/article1238676/Wir-sind-den-Taliban-ueberlegen.html

6) Interview FAZ mit Generalmajor Kasdorf 17.01.2008 –
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/isaf-general-kasdorf-im-interview-auch-ueber-panzer-nachdenken-1511618.html

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