Krebs in Teheran
Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 27. November 2014
Unbekannter Iran:
Die Massentrauer um einen Popsänger
SCHLAGLOCH VON CHARLOTTE WIEDEMANN
Dies war ein anderer Tod. Er taugte nicht für unsere üblichen Nachrichten aus dem Nahen und Mittleren Osten, taugte nicht für Schlagzeilen von Glaubenskrieg und Fanatismus. Morteza Pashaei starb nicht im Kugelhagel, sondern in einem Krankenhaus in Teheran, und die Gewalt, die ihm angetan wurde, ist uns allen geläufig: ein aggressiver Krebs, Magenkrebs. Der junge Iraner war gerade 30 Jahre alt, ein Popsänger, bleich, sanft, melancholisch. Kein großer Star, viele Iraner hörten seinen Namen zum ersten Mal im vergangenen Jahr, als er – schon von der Krankheit gezeichnet – auf Tournee ging.
Überrumpelte Nomenklatura
Und doch bewirkte dieser andere, so unpolitische Tod in Iran eine Eruption. Binnen Stunden versammelten sich Zehntausende junge Männer und Frauen in allen größeren Städten des Landes zu Trauerkundgebungen, die Menge blockierte durch ihre schiere Größe Straßen und Brücken, manche sangen Mortezas Lieder, manche weinten. Aus Ghom, sonst als Stadt der Religionsgelehrten bekannt, berichteten regierungsnahe Medien von einem Autokorso, angeblich hundert Fahrzeuge umfassend, beklebt mit Postern des Sängers, aus den offenen Fenstern schallte laut seine Musik. Die Beerdigung in Teheran wurde zunächst abgebrochen, weil der Sarg im Ansturm der Massen stecken blieb; später wurde der Sänger im Schutz der Nacht bestattet.
Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle :
Morteza Pashaei at Bahman hospital one week before succumbing to his aggressive cancer