Kommentare bei Medien
Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 17. August 2018
Huch, Agathe, die Leser schreiben!
Eine Kolumne von Sascha Lobo
Die Deutsche Welle schaltet die Kommentarfunktion unter ihren Beiträgen weitgehend ab. Das wirkt hilflos. Dabei können Leserkommentare wertvoller sein als Gold.
Man müsste schon Donald Trump zum DFB-Präsidenten ernennen, um jemanden zu finden, der ein schlechteres Image hat als Internet-Kommentatoren. Auf diese Leute scheint im Netz wirklich jeder herabzuschauen, natürlich inklusive der Kommentatoren selbst. Denn unpassende Kommentare sondern natürlich immer nur die anderen ab (man selbst nimmt zwar emotional, aber doch angemessen an öffentlichen Debatten teil). Meine Haltung ist eine völlig andere. Ich glaube, dass Kommentare wertvoller sein können als Gold – für Medienseiten.
Die Deutsche Welle reiht sich seit ein paar Tagen ein in die Gruppe lamentierender Medien, die ihre Kommentare abschalten und höchstens im Ausnahmefall zulassen wollen. Das öffentlich-rechtliche, aus Steuermitteln bezahlte Medium steht nach eigener Aussage für „offenen, kritischen Austausch“. Wie dieser ohne die Möglichkeit zum offenen, kritischen Austausch mit dem Publikum aussieht, bleibt das Geheimnis der Deutschen Welle.
Wenn eine inzwischen verstorbene Person in meiner Familie eine Situation erlebte, die einen gewissen Kontrollverlust aufblitzen ließ – eine halbvolle Tasse fiel um, ein Kind verhielt sich bockig – schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen, rief „Huch, Agathe, die Puppe kotzt!“ und lief aus dem Zimmer: inszenierte Hilflosigkeit.
Sich in der eigenen Ohnmacht suhlen
Genau dieses Verhalten ist leider auch eine häufige Reaktion auf die Herausforderungen der digitalen Sphäre, die Deutsche Welle ist kein Sonderfall. Inszenierte Hilflosigkeit bedeutet, sich in der durch mangelnde Beschäftigung oder Sachkenntnis entstandenen Ohnmacht zu suhlen und – wenn man überhaupt reagiert – den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Dieses Muster findet sich quer durch die digitale Gesellschaft wieder:
„Huch, Agathe, die bösen Digitalkonzerne sind so groß, da können wir doch eh nichts tun.“
„Huch, Agathe, die Schulkinder benutzen ihre Handys dauernd beim Unterricht, wir sollten es gesetzlich verbieten.“
„Huch, Agathe, die Kommentare auf unserer Seite sind so anstrengend, wir schalten sie lieber ab.“
Das Smartphone-Verbot nach französischem Vorbild wurde übrigens von einer Landesmedienanstalt gefordert, zu deren Aufgaben explizit „Stärkung der Medienkompetenz“ gehört. Viel hilfloser lässt sich kaum agieren – gerade weil die Gemengelage um Kinder, Bildung und Smartphones komplex ist und keine gesetzlich verordneten, simplen Generallösungen verträgt. Zum Musterbeispiel der inszenierten Hilflosigkeit aber wird die Abschaffung der Kommentare der Deutschen Welle durch die Begründung der Chefredakteurin Ines Pohl:
„Der Diskurs wurde geprägt von persönlichen Beschimpfungen, Beleidigungen und rassistischen Äußerungen, die auf unserer Seite nichts zu suchen haben. Es waren immer dieselben Nutzer, die unter dem Deckmantel eines Alias-Namens unsere Kommentarfunktion für die Absonderung von Hassbotschaften nutzten.“
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
——————————————————————–
Grafikquellen :
Oben — Der Sitz der Deutsche Welle in Bonn, Schürmann-Bau.
This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany license. |
![]() |
Attribution: Christian Wolf, www.c-w-design.de |
—————————————-
Unten — Sascha Lobo bei diesem Vortrag: https://www.youtube.com/watch?v=bkvhUDAQQ3U
Author | Ot / Own work |
This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.