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KOLUMNE * Red Flag

Erstellt von Redaktion am Sonntag 12. Februar 2023

Erdbeben und Verantwortung: – Die Sache mit dem Schicksal

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Kolumne von Fatma Aydemir

Das Schicksal des Menschen, ist der Mensch. Höhere Gewalt entzieht sich der Einflussnahme. Doch das Ausmaß der Erdbebenkatastrophe in der Türkei hat von Menschen gemachte Ursachen.

Im Türkischen gibt es diese Redewendung: Geografie ist Schicksal. Es ist ein wehmütiger Spruch, einer, der sich vor allem auf die negativen Einflüsse bezieht, die die geografischen Bedingungen eines spezifischen Orts auf die dort lebenden Menschen haben. Unausgesprochen impliziert er, dass es dem Menschen in einer anderen Region, einer westlicheren etwa, besser ergehen würde.

Erdbeben entziehen sich der Willenskraft, Vorkehrungen nicht

Zugleich verneint aber der Schicksalsgedanke, dass die Situation änderbar ist. Die Vorbestimmung entzieht sich der Entscheidungsfreiheit des Menschen, weshalb eine Auflehnung oder Vorkehrungen sinnlos sind: Es ist schrecklich, wie es ist, aber so ist es nun einmal.

Von Schicksal sprach auch der türkische Präsident Erdoğan am Mittwoch, als er mit drei Tagen Verspätung im Epizentrum des verheerenden Erdbebens, im kurdisch-alevitischen Pazarcık, eintraf. Keine Frage, das Wort passt wunderbar zur religiösen Haltung der Regierungspartei AKP sowie zum politischen Vokabular eines Staatsoberhaupts, das die eigene Autorität mit dem Gehorsamsprinzip der Gottesfürchtigen zu rechtfertigen sucht.

Aber es gehört schon eine besondere Dreistigkeit dazu, vor eine Gruppe von Menschen zu treten, die seit Tagen bei Minusgraden auf den Katastrophenschutz warten, weil ihre Angehörigen in den Trümmern ihrer Häuser begraben sind, vielleicht noch schreiend, vielleicht bereits erfroren, und von Schicksal zu reden – anstatt von Verantwortung.

Gewiss lässt sich der genaue Zeitpunkt und Ort eines Erdbebens nicht berechnen, verhindern lässt sich ein Erdbeben auch nicht. Insofern entzieht es sich jeder Willenskraft, existiert als höhere Gewalt. Doch lässt sich durchaus erforschen, in welchen Regionen stärkere Erdbeben erwartet werden, und dass die Türkei sich in einer tektonischen Hochrisikozone befindet, ist hinlänglich bekannt. Vorkehrungen können getroffen werden.

AKP und Korruption

Das Erdbeben mag ein naturgegebenes Schicksal sein, das Nichteintreffen des Katastrophenschutzes in weiten Teilen des Landes ist es nicht. Das Einstürzen angeblich erdbebensicherer Hochhäuser ist es auch nicht. Und die Einschränkung der sozialen Netzwerke, wo Betroffene Informationen mit potenziellen Helfer_innen teilten, ist alles andere als Schicksal. Die Sperrung wurde staatlich angeordnet, wie das Ministerium für Kommunikation am Mittwochabend bestätigte. „Desinformation“ lautet die offizielle Begründung; Regierungskritik unterbinden, vermuten Oppositionelle.

Turkey earthquake 2023 montage.png

Unterlassene Hilfeleistung ist das Eine. Vorkehrungen bewusst abzulehnen, um sich an den dafür nötigen Ressourcen zu bereichern, das Andere. Seit dem Korruptionsskandal Ende 2013 ist bekannt, dass die Familie Erdoğan und einige AKP-Minister profitable Beziehungen zum Bausektor pflegen. Zudem werden Fragen laut, wo die seit dem letzten großen Erdbeben 1999 erhobenen Erdbebensteuern abgeblieben sind. 37 Milliarden US-Dollar sollen seitdem von den Bürger_innen eingesammelt worden sein, für eine erdbebensichere Bebauung.

Quelle         :          TAZ-online            >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Eine wehende rote Fahne

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Unten     —     A montage of the 2023 Turkey-Syria earthquake.

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