KOLUMNE – NAFRICHTEN
Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 22. September 2022
„Wetten, dass.?“ und „TV Total“ zurück
Boomer haben ausgedient
Hinter den Tonnen scheint keine Sonne
Von Mohamed Amjahid
Verschiedene TV-Sender graben alte Sendungen wieder aus. Ist die Rückkehr von „Barbara Salesch“ und „Britt“ eine Nostalgie-Offensive für Millennials?
Ein Distinktionsmerkmal unter Akademiker*innen ist es, keinen Fernseher zu besitzen. Damit wollen sich viele Menschen mit Hochschulabschluss vom Rest der Bevölkerung absetzen. Ich besitze zwar auch keinen Fernseher, habe aber als Kind genug für ein ganzes Leben in die Röhre geglotzt.
Meine Persönlichkeit ist ein Produkt des TV-Programms der 1990er und 2000er. Natürlich wurde ich hellhörig, als in den vergangenen Wochen bekannt wurde, dass TV-Sendungen aus meiner Kindheit aus der Mottenkisten geholt wurden: „Britt, der Talk“ bei Sat.1; „Der Preis ist heiß“, „Die 100.000 Mark Show“, „Richterin Barbara Salesch“ bei RTL; „TV Total“ auf ProSieben oder „Wetten, dass..?“ beim ZDF. Diese Sendungen habe ich als Kind geguckt. Außer Thomas Gottschalk, der war mir schon immer zu peinlich, zu deutsch, zu wirr.
Damit ich mich nach so manch wirr-akademischer Diskussion auf Podien in westdeutschen Städten etwas erhole, schalte ich abends ab und zu den Fernseher im Hotelzimmer ein. Okay, eigentlich immer. Ich will ja auf dem Laufenden bleiben. Neulich lief „TV Total“ und ich fand es einfach nicht lustig.
Als 12-Jähriger habe ich mich über die Pipi-Kaka-Witze von Stefan Raab weggelacht, im Kölner Hotel mit den Holzimitat-Möbeln aus den 90er Jahren war ich nur erstaunt, dass sich der sowieso unlustige deutsche Humor in den vergangenen 30 Jahren null weiterentwickelt hat. Die trashige Sendung hat mich trotzdem etwas beruhigt. Ich habe mich kurz in Tage zurückversetzt, als die Matheklausur und die Aufmerksamkeit meiner ersten großen Liebe meine Sorgen waren.
Das ist, glaube ich, der Zweck der nostalgischen Fernsehoffensive großer privater und öffentlich-rechtlicher Fernsehsender. Generation-Tiktok ist eh im vertikalen Smartphone-Display-Kosmos gefangen, der ja nur eine billige Kopie von „Upps! Die Pannenshow“ ist. Abgesehen davon, dass jedes erdenkliche Format (meist zuerst in den Niederlanden) durchgenudelt wurde, zeigt der TV-Flashback, dass die Boomer bald ganz ausgedient haben.
Musikantenstadel war gestern, heute regiert der Geist von Harry Wijnvoord! Hmmm, wenn ich so nachdenke, scheint meine Analyse doch etwas wirr, ich weiß. Wenn Sie mir nicht weiter folgen können, schalten Sie einfach um.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — For documentary purposes the German Federal Archive often retained the original image captions, which may be erroneous, biased, obsolete or politically extreme. 30.11.1990 Wahlwerbung der Parteien für die Wahl zum ersten gesamtdeutschen Bundestag in Leipzig.