KOLUMNE * MATERIE
Erstellt von Redaktion am Samstag 15. Januar 2022
Alfred, mein Bundespräsident
Nur vor den Fahnen – reifen die Bananen !
Von niemandem habe ich im Jahr 2022 so viel über Demokratie gelernt wie von Alfred. Das ist am 15. Januar keine besonders weitgehende Aussage, werden Sie jetzt einwenden, aber Sie kennen Alfred noch nicht.
Alfred ist ein kleiner Boxer, ein Hund. Er wohnt in meiner Nachbarschaft und sieht für einen Boxer ganz freundlich aus. Ich habe Alfred am letzten Wochenende kennengelernt, beim Fußballspielen im Park. Meine Kinder wollten den neuen Ball einweihen, und so improvisierten wir aus unseren Fahrradhelmen zwei Fußballtore.
Nun hat sich der Park inoffiziell zu einer verkappten Hundewiese entwickelt. Offiziell gilt dort eine Leinenpflicht, die wird aber weder eingehalten noch kontrolliert.
So kam es, dass Alfred fröhlich auf uns zu rannte, sein Frauchen 30 Meter hinter ihm. Und während eines der Kinder gerade ebenso fröhlich das handgezählte 17:1 schoss, hob Alfred sein Bein und pinkelte an unseren Torpfosten: in den Fahrradhelm meines Sohnes.
„Ich fass es nicht!!!“, brüllte ich hysterisch. „Das ist so widerlich!“ und dann sagte ich noch irgendwas von „keine Hundewiese, eine Unverschämtheit“. Alfreds Frauchen ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen, zog ein Tuch aus der Tasche und sprach mit sanfter Stimme – nicht mit mir, sondern mit ihrem Hund: „Alfred, das sollst du doch nicht machen.“
Was hat diese Anekdote nun mit Ihnen und mit dieser Gesellschaft zu tun?
Nun, mein erster Reflex, während Alfreds Frauchen über den Fahrradhelm meines Sohnes wischte, war: „Bald ziehe ich in ein Haus mit Garten, dann hänge ich ein Alfred-verboten-Schild an meinen Jägerzaun und habe mit diesen scheiß Kötern nichts mehr zu tun.“
Doch dann sah Alfred, der Boxer, mich an und fing an zu sprechen: „Kersten“ denk doch bitte auch an Immanuel Kant und den Kategorischen Imperativ: Es ist weder materiell noch rechnerisch möglich, dass sich jeder Mensch auf der Welt auf seine private Scholle zurückzieht. Wenn wir in einer Gesellschaft leben wollen, müssen wir uns arrangieren!“
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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