KOLUMNE * MACHT
Erstellt von Redaktion am Samstag 15. August 2020
Eine Frau, nicht weiß
Von Bettina Gaus
Die Nominierung von Kamala Harris als potenzielle US-Vizepräsidentin wird Joe Biden nicht schaden, vielleicht sogar nutzen. Sie kann sogar US-Präsidentin werden – wenn Biden nicht versagt.
Noch ist es ein bisschen zu früh für Kamala Harris, sich zu überlegen, was sie als US-Präsidentin tun möchte, aber die Frage kann sich in überschaubarer Zukunft stellen. Wohl niemals zuvor war die Vizepräsidentschaft eine machtpolitisch vergleichbar wichtige Entscheidung wie in diesem Jahr. Der demokratische Bewerber Joe Biden wird bei Amtsantritt 78 Jahre alt sein, sollte er denn gewinnen. Eine zweite Amtszeit ist unwahrscheinlich. Und dann? Ja, genau. Dann, spätestens dann kann die Stunde für Kamala Harris schlagen.
Üblicherweise ist die Nominierung des oder der Vize für zwei Tage Berichterstattung gut und sonst für gar nichts. Man muss sich schon so blöd anstellen wie 2008 die Republikanerin Sarah Palin, um in den Schlagzeilen zu bleiben und dem eigenen Kandidaten – damals: John McCain – massiv zu schaden. Keine Regel ohne Ausnahme. Angesichts der Umstände lohnt ein genauerer Blick auf Kamala Harris.
Wer die Senatorin aus Kalifornien nicht leiden kann, nennt sie wankelmütig. Wer ihre Nominierung begrüßt, und sei es auch nur aus strategischen Gründen, lobt sie als anpassungsfähig. Ich habe mich mit mir selbst auf das Wort „geschmeidig“ geeinigt – das ist erst mal neutral. Kamala Harris löst in mir keine Gefühlswallung aus. Moment, vielleicht ist das falsch: Manche ihrer Standpunkte machen mich wütend, sehr wütend sogar. Andere teile ich. Das Ergebnis? Ich stehe ihr insgesamt freundlich-distanziert gegenüber.
Joe Biden wäre vermutlich entzückt von meiner Haltung, wäre ich US-Wählerin. Dass er sich für eine Frau als Vizepräsidentin entscheiden würde, stand seit Langem fest. Dass es eine nichtweiße Frau sein sollte, darauf haben Bürgerrechtsgruppen in letzter Zeit unmissverständlich bestanden. Okay. So ist es nun also Kamala Harris geworden.
Die Frau, die es für eine gute Idee hielt, die Eltern von Schulschwänzern ins Gefängnis zu werfen. Die als Staatsanwältin für eine strikte „Law and Order“- Linie stand. Die jetzt für eine staatliche Krankenversicherung eintritt, eine Polizeireform fordert und für umweltpolitische Maßnahmen kämpft. Schwer, so jemanden eindeutig in ein bestimmtes Lager zu scheuchen und damit zu diskreditieren.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Unten — Kamala Harris during her term as District Attorney of San Francisco.