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Kolumne * FERNSICHT Polen

Erstellt von Redaktion am Sonntag 21. August 2022

Fischsterben in der Oder: Intransparenz und Verharmlosung

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Von  :  Karolina Wigura und Jaroslaw Kuisz

Zu spät und zu spärlich klärte die Regierung in Warschau über die Verseuchung der Oder auf. Für das deutsch-polnische Verhältnis ist das verheerend.

Es war schwer zu widerstehen. Als der Berlin–Warschau-Express auf die Eisenbahnbrücke rollte, die Deutschland mit Polen verbindet, klebten die Fahrgäste ihre Nasen an die Fenster. Alle suchten das schöne Oderufer sorgfältig mit den Augen ab und hielten Ausschau nach toten Fischen. Es war der 12. August, und die Wissenschaftler überschlugen sich mit Vermutungen, was diesen großen polnischen Fluss vergiftet haben könnte. Bis heute ist das Rätsel der ökologischen Tragödie nicht vollständig gelöst.

Seit zwei Wochen hatten die polnischen Medien an diesem Tag bereits darüber berichtet. Zunehmend wurde darauf hingewiesen, dass wir es höchstwahrscheinlich mit einer großen, von Menschen verursachten Katastrophe zu tun haben. Die Regierung von Mateusz Morawiecki in Warschau hatte sich jedoch zunächst kaum geäußert. Unser deutscher Nachbar erfuhr erst 24 Stunden vor der Überfahrt unseres Zugs von der Nachricht von der „Giftwelle an der Oder“.

Die Quelle des Flusses liegt in Polen, südlich von Breslau, und erst dann wendet sich die Oder nach Norden. Sowohl die polnischen als auch die deutschen Grenzgebiete hätten sich also darauf vorbereiten können, sie hätten die Giftwelle eindämmen können, aber Warschau beschloss zu schweigen. Heute ist die Oder an einigen Stellen praktisch tot. Dutzende von Tonnen toter Fische und anderer Wassertiere wurden aus dem Wasser gefischt.

Eine eilige Entsorgung wurde vorgenommen, doch die bittere Wahrheit ist, dass an manchen Stellen nichts mehr von der einstigen Artenvielfalt des Flusses übrig ist. In dieser dramatischen Angelegenheit spiegelt sich – wie in der Oberfläche eines Flusses – die aktuelle Politik wider. Erstens geht es um die Praxis der deutsch-polnischen Nachbarschaft. Theoretisch ist alles darüber gesagt, und praktisch sind alle möglichen Schritte unternommen worden.

Dynamik des Populismus

Von der im Schweiße des Angesichts aufgebauten deutsch-polnischen Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zu den letzten Jahren, in denen die Regierung in Warschau eine dezente antideutsche Propaganda verbreitete. Jetzt aber hat die Nachbarschaft nicht so funktioniert, wie sie sollte. Mit der Zurückhaltung wichtiger Informationen hat Warschau so getan, als ob der westliche Nachbar einfach nicht existierte.

Zweitens geht es um die Dynamik des Populismus. In der ausgezeichneten Serie „Tschernobyl“ (2019) unter der Regie von Johan Renck sehen wir gleich nach der Explosion im berühmten Reaktor IV die gegensätzlichen Ziele der Figuren in diesem Drama. Auf der einen Seite gibt es Menschen, die versuchen, die Wahrheit über die Katastrophe herauszufinden. Auf der anderen Seite stehen die Behörden, die verhindern wollen, dass Informationen über das Ausmaß der Explosion bekannt werden.

Die Oder ist nicht Tschernobyl, Polen ist nicht die UdSSR, und 2022 ist nicht 1986. Trotzdem muss man sagen, dass der politische Mechanismus an alte Handlungsmuster erinnert. Hier wird, so lange es geht, eine Atmosphäre der Intransparenz und der Verharmlosung der möglichen Bedrohung aufrechterhalten.

Quelle      :      TAZ-online        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

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