Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 14. Mai 2021
Der grüne Rassist

Die schlimmste Entgleisung von Boris Palmer war nicht sein jüngster Facebook-Post über den Fußballer Dennis Aogo, sondern der über einen schwarzen Rüpel-Radler. Dass ihm dieser verziehen wurde, sagt viel über unsere Gesellschaft.
Sauber bleiben! Vor allem: sauber bleiben! Bei einigen Reaktionen auf den jüngsten Skandal um Boris Palmer konnte man den Eindruck gewinnen, der Tübinger Oberbürgermeister habe sich vor allem eines Verstoßes gegen die Etikette schuldig gemacht. Das sagt viel über eine eigentümliche Sehnsucht nach korrekten, bürgerlichen Umgangsformen in Kreisen aus, die ihre Wurzeln im Kampf gegen das Establishment hatten. Und geht an der Sache vorbei – oder doch nicht? Es scheint jedenfalls erheblich einfacher zu sein, jemandem schlechtes Benehmen vorzuwerfen als die eigene Haltung zu Rassismus zu definieren.
Cem Özdemir, seit Jahrzehnten einer der prominentesten Politiker der Grünen, meinte, auch ein Oberbürgermeister habe die »verdammte Pflicht« auf seine Wortwahl zu achten. Der Parteivorsitzende Robert Habeck fand, Palmer habe »Sätze gepostet, die eines Oberbürgermeisters unwürdig sind.« Die »Süddeutsche Zeitung« befand, »gewählte Amtsträger« repräsentierten den Staat. Von ihnen dürfe man »elegante Umgangsformen« erwarten. Das hört sich an, als habe Boris Palmer unverzeihlicherweise zum Smoking eine bunt gemusterte Fliege getragen. Was er – so weit ich weiß – niemals getan hat.
Selbstverständlich blieb die Kritik nicht bei Stilfragen stehen. Palmer wurde Rassismus vorgeworfen, ein Parteiausschlussverfahren ist eingeleitet. Das dürfte in diesem besonderen Fall kompliziert werden. Ich finde es glaubwürdig, dass der Bürgermeister mit seinem umstrittenen Post auf Facebook in einem Dreifachsalto sowohl Rassismus wie auch den Vorwurf des Rassismus und noch manch anderes geißeln wollte. Klingt unübersichtlich? Ist unübersichtlich.
Also: Boris Palmer hat einen Facebook-Post zitiert, der vermutlich ein Fake ist. Darin wurde behauptet, Dennis Aogo, ein ehemaliger deutscher Fußball-Nationalspieler mit nigerianischem Vater, habe auf vulgäre und rassistische Weise über seinen eigenen Penis gesprochen und versucht, so Frauen zu verführen, vulgo: anzumachen. Palmer hat das Zitat weder überprüft noch auch nur als solches kenntlich gemacht. Aber er hielt es für eine ironische Pointe, einen Menschen mit dunkler Hautfarbe zum Rassisten zu erklären.
Schlägt allen ins Gesicht. Denen, die Rassismus hinter jedem Baumstamm vermuten, allen Rassisten, all denen, die er zur Sprachpolizei erklärt. Dachte Palmer offenbar. Ironie ist nicht seine Stärke. Und nun? Nun sind alle Schützengräben besetzt, alle können munter feuern. Unabhängig vom komplizierten Sachverhalt. Pech für die Grünen im Wahlkampf.
Die
»Bild«-Zeitung kämpft, wen wundert’s, an vorderster Front. Es gehe darum, so heißt es in einem Kommentar, dass die Parteilinke die Grünen auf Linie bringen und deshalb Palmer rausschmeißen wollte – »nicht, weil er Rassist ist. Denn das ist er nicht.« Keine weitere Begründung, kein Argument. Die Behauptung genügt.

Sie ist falsch. Boris Palmer ist ein Rassist. Nicht wegen seiner verschwurbelten Sätze zu Aogo, sondern wegen eines Posts und folgender Erklärungsversuche aus dem Jahr 2018, die allen Anforderungen der Etikette genügten. Und dennoch einfach nur rassistisch waren.
Boris Palmer hatte sich damals in einer Fußgängerzone von einem rücksichtslosen Fahrradfahrer mit schwarzer Hautfarbe belästigt gefühlt. Er war »zu 95 Prozent« sicher, dass der Mann ein Asylbewerber gewesen sei. »Weil der Typ mit nacktem Oberkörper, Kopfhörer und einer unglaublichen Dreistigkeit um die Leute rum gekurvt ist. Das gehört sich für niemanden und für einen Asylbewerber schon dreimal nicht.« Er wusste nicht, ob der junge Mann tatsächlich Asylbewerber war. Aber »ich wette, dass es ein Asylbewerber war. So benimmt sich niemand, der hier aufgewachsen ist mit schwarzer Hautfarbe. Das wäre völlig missglückte Integration.«
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Boris Palmer bei der Eröffnung des Schokoladenfestivals chocolART 2019 in Tübingen
Erstellt am Freitag 14. Mai 2021 um 12:05 und abgelegt unter Baden-Württemberg, Kultur, Medien, P.Die Grünen.
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