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Kolumbiens Scheinfrieden

Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 29. Dezember 2017

Um Frieden zu erreichen, wird die Länge des Krieges benötigt

Mexicanos del bombardeo de Angostura.jpg

Autor Knut Henkel

In Kolumbien herrscht Waffenruhe mit der Guerilla. Doch in der Region Cauca eskaliert die Gewalt. Es geht um Drogen, Landrechte und Bergbau. Opfer sind Indigene. Rafael Enrique Perdomo Pancho wehrt sich.

Hernán Castellanos deutet über das Tal unterhalb der kleinen Kaffeefarm von Luisa Angela Patina. „Dort drüben, die kleine Ansammlung von Baracken und Zelten, das ist das von der Regierung eingerichtete Campamento Caldono, wo die Guerilleros der Farc auf ihre Programme zur Reintegration warten“, erklärt der kleine, stämmige Mann. Castellanos ist Agrarexperte der Genossenschaft Cencoic, die vom Regionalen Indigenen Rat des Cauca (Cric) mit dem Auftrag gegründet wurde, Produkte aus den indigenen Resguardos, den Schutzgebieten, zu vermarkten. Kaffee, Honig, Waldfrüchte und ein paar andere Produkte gehören dazu. In der Region rund um Caldono dominieren die Kaffeesträucher. Bis zur Unterzeichnung des Friedensvertrages vor gut einem Jahr galt die Region als Hoheitsgebiet der Farc, der mittlerweile demobilisierten größten Guerillaorganisation Lateinamerikas.

Hier baut Luisa Angela Patina gemeinsam mit ihrem Mann die aromatischen Bohnen an. Sie kann sich noch gut an die Zeit erinnern, als nachts immer einmal wieder Schüsse zu hören waren: „Wir haben dann in unseren Betten gelegen und gehofft, dass es aufhört“, erinnert sich die 31 Jahre alte Kaffeebäuerin. Vor allem in den Nächten griff die Farc damals Polizeiwachen an und lieferte sich Gefechte mit der Armee. Die Region um Caldono gehörte quasi zum Hoheitsgebiet der Guerilla.

„Das ist Geschichte“, hofft Luisa Angela Patina, die optimistisch in die Zukunft blickt. Mit ihrem Mann hat sie gerade ein neues Haus gebaut. Neben den Kaffeebohnen verkauft sie auch Schnittblumen in der nahegelegenen Kleinstadt Caldono. Aber die Gerüchte, dass sich da unten im Tal, im Campamento, immer weniger ehemalige Kämpfer der Farc aufhalten, weil die Regierung die Reintegrationsprogramme nicht rechtzeitig hat anlaufen lassen, machen ihr doch Sorgen. „Was machen die Guerilleros, wenn sie die Lager verlassen? Ich habe Angst, dass sich hier in der Region Banden bilden, die rauben und die Leute erpressen“, sagt sie und blickt unsicher zu Hernán Castellanos rüber.

Der berät die Kaffeebauern der Region. Doch auch Castellanos weiß diesmal nicht weiter, blickt etwas unsicher über das malerische Tal, welches von kleinen Höfen und winzigen Kaffeeparzellen gesäumt ist, und schweigt. Kaum jemand der indigenen Bauern in der Region hat mehr als ein Hektar Land zur Verfügung. Bei Luisa Angela Patina ist es etwas mehr als ein halber Hektar. „3.000 Kaffeepflanzen habe ich ungefähr und mein Mann in etwa gleich viel. Gemeinsam kommen wir über die Runden und sind froh, dass wir über die Cencoic faire Preise für den Kaffee und gute Beratung erhalten“, so die selbstbewusste Frau, die unabhängig von ihrem Mann Kaffee anbauen will. Dafür hat sie von ihrem Vater gelernt. Er ist ins rund 100 Kilometer entfernte Cali gezogen, weil es in und um Caldono kein Land mehr gibt, und verwaltet nun dort eine Farm.

Ein Hektar Ackerland kostet mit Glück 7, eher 10 Millionen Peso Colombiano. Umgerechnet sind das 2.000 bis 2.800 Euro. Das kann sich in Caldono kaum jemand leisten, denn in der von indigenen Resguardos geprägten Region leben vorwiegend Angehörige der Nasa, der größten indigenen Ethnie der Region. Die engagiert sich gemeinsam mit anderen indigenen Gruppen im Cric, dem Regionalen Indigenen Rat des Cauca, um gemeinsame Forderungen durchzusetzen und die Regierung an ihre alten Zusagen zu erinnern. Dazu gehört die Übergabe von einigen Tausend Hektar Land.

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„Die Landfrage ist nicht nur für uns essenziell, sondern für das ganze Land“, meint Rafael Enrique Perdomo Pancho, eines von neun Mitgliedern des Obersten Rates des Cric. Erst im November hatte der mit einer Minga, der Mobilisierung von mehr als 10.000 indigenen Bauern, die Nationalregierung an den Verhandlungstisch gezwungen und auf Erfüllung der Verträge gedrängt. „Mehr als 1.300 Verträge wurden nicht eingehalten. Wir haben nun durchgesetzt, dass unsere Forderungen Gesetzeskraft erhalten und deren Implementierung von einer Kommission begleitet wird“, erklärt Perdomo Pancho zuversichtlich.

Die Indigenen wollen endlich ihr Land zurückerhalten

Dieses Gesetz trägt die Nummer 1811 und wurde am 7. November unterschrieben. Für den Cric geht es dabei auch um die Übergabe von rund 48.000 Hektar Land, die die Regierung dem Cric zugesagt hatte. Dieses Land wird dringend benötigt, denn das Gros der Flächen im Cauca befindet sich in der Hand weniger Familien. Der Cric wurde 1971 auch gegründet, um die Ansprüche auf Flächen, die einst gewaltsam enteignet worden waren, endlich durchzusetzen. Das ist in Kolumbien alles andere als einfach, wie die magere Bilanz der staatlichen Büros für Landrückgabe zeigen. Die Zahl der Prozesse, bei denen die ursprünglichen Besitzer ihre Farm tatsächlich zurückerhielten, ist überschaubar. „Ein Grund, weshalb wir mit der Minga auf mehr Investitionen im sozialen Bereich und die Erfüllung alter Verträge gepocht haben“, erklärt der 39-jährige Cric-Vertreter Perdomo Pancho.

Quelle    :     TAZ       >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben     —      Victimas Mexicanas del bombardeo de Angostura, tras la operacion Fenix de las Fuerzas Militares de Colombia en territorio ecuatoriano contra un campamento de las FARC.

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Unten    — 

Frutos del cafeto (Coffea arabica) madurando
  • Red Catucaí Coffee, a variety of COFFEA ARABICA – maturation in different stage – Matipó City – Minas Gerais State – Brazil
  • This photo was taken in May-2005 by Fernando Rebelo

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