Klinsmann kapituliert
Erstellt von Redaktion am Mittwoch 12. Februar 2020
Flucht des Messias
Von Johannes Kopp
Jürgen Klinsmann gibt überraschend sein Traineramt bei Hertha BSC auf und deutet interne Unstimmigkeiten an. Dem Klub drohen Grabenkämpfe.
Die große Show dauerte 76 Tage an. Viel Raum nimmt die Amtszeit von Trainer Jürgen Klinsmann in der fast 118-jährigen Geschichte von Hertha BSC Berlin wahrlich nicht ein. Aber das knappe Kapitel, das er hier geschrieben hat, so viel lässt sich bereits jetzt sagen, wird unvergessen bleiben.
Ende November letzten Jahres kam er aus Los Angeles eingeflogen. Es drängte sich damals der Eindruck auf, der lang ersehnte Erlöser sei da beim Viertletzten der Fußball-Bundesliga gelandet. Die Überraschung war so groß wie das Entzücken. Manager Michael Preetz schwärmte schon mit seinen ersten Worten von der Strahlkraft des Weltmeisters von 1990. Neun Spieltage später ist Klinsmann abgetreten, wie er gekommen ist: völlig überraschend. Und mittlerweile dürfte es gar einige Hertha-Fans geben, die das nach den letzten Auftritten des Teams auch als Erlösung empfinden.
Ohne Abstimmung mit dem Verein setzte der 55-Jährige via Facebook die Öffentlichkeit von seinem Rückzug bei Hertha in Kenntnis. Unstimmigkeiten im Verein haben offenbar den Ausschlag gegeben. Klinsmann schrieb: „Als Cheftrainer benötige ich allerdings für diese Aufgabe […] auch das Vertrauen der handelnden Personen. Gerade im Abstiegskampf sind Einheit, Zusammenhalt und Konzentration auf das Wesentliche die wichtigsten Elemente. Sind die nicht garantiert, kann ich mein Potenzial als Trainer nicht ausschöpfen und kann meiner Verantwortung somit auch nicht gerecht werden.“
Michael Preetz zeigte sich am Dienstag völlig perplex: „Insbesondere nach der vertrauensvollen Zusammenarbeit hinsichtlich der Personalentscheidungen in der für Hertha BSC intensiven Wintertransferperiode gab es dafür keinerlei Anzeichen.“
„Größenwahnsinnige Ziele“
Über 80 Millionen Euro gab Hertha unter der Regie von Klinsmann und mit der großzügigen Unterstützung von Investor Lars Windhorst in der Winterpause aus. So viel wie weltweit kein anderer Klub. Schon bei seinem Amtsantritt verblüffte Klinsmann, der eigentlich nur den Übergang bis zum Sommer gestalten sollte, mit seinen weitreichenden Personalumbau im Verein.
Groß war die Kluft zwischen dem behaupteten Möglichen und dem Realen
Er trat mit einem vielköpfigen Betreuerstab an und pflegte mit eigenwilligen Entscheidungen seinen Ruf als großer Macher und Visionär. Andreas Köpke, der Torhütertrainer des DFB-Nationalteams, wurde für einen Monat angestellt, als erster Performance Manager der Bundesligageschichte wurde der ehemalige Hertha-Spieler Arne Friedrich vorgestellt.
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Rücktritte, gebt uns Rücktritte!
Die K-Frage
Von Uli Hannemann
Es sind Chaostage in good old Deutschland. Einige immerhin können noch Verantwortung übernehmen und hauen in den Sack.
Kaum hat sich „Sabine“ hinter die Gardine zurückgezogen, da erschüttern Rücktrittsmeldungen unser anscheinend noch nicht genug gezaustes kleines Land: Die drei Ks, Klinsmann, Kramp-Karrenbauer, Kardinal Marx – sie wollen alle drei nicht mehr.
Der Münchener Erzbischof Kardinal Marx verkündet seinen Rückzug vom Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Nach außen gibt er Altersgründe an, doch letztlich dürfte ihn der Kampf mit dem Rapistenflügel um den Kölner Kardinal Woelki zermürbt haben.
Annegret Kramp-Karrenbauer wiederum verzichtet auf die Kanzlerkandidatur und mittelfristig auch auf den CDU-Vorsitz. Zeitlich verbunden wirkt der Entschluss mit ihrem Unvermögen, in der Affäre Kemmerich die Thüringer CDU zu bremsen.
Deren Fraktionsvorsitzender Mike Mohring hat die offizielle Linie und damit auch seine Vorsitzende verraten. Allerdings ist es derart untypisch für diese Partei, dass ihre Leute die Verantwortung dafür übernehmen, was unter ihnen, geschweige denn über, neben oder auch nur in ihnen vorgeht, dass man automatisch nach den echten Gründen weiterforschen will.
Schwabe-Kalifornier-Gemisch
Hohe Frustration mit dem nachfolgenden Gefühl der Überforderung möchte man sowohl bei Kramp-Karrenbauer als auch bei Marx kurzdiagnostizieren. Ganz anders unser dritter Rücktritt der Woche: Jürgen Klinsmann, der Trainer des Fußballbundesligisten Hertha BSC. Der Wahl-Weddinger hinterfragt andere kaum und sich selbst schon mal gar nicht.
Da mischt sich der Schwabe ungut mit dem Kalifornier; gierige, provinzielle und rechthaberische Kleinbürgerlichkeit mit oberflächlichem und angesichts der Umstände (Jahrhundertwaldbrände, Jahrtausenderdbeben, Tabellenvierzehnter) notorisch unangebracht wirkendem Sunnyboy-Optimismus. Alles in allem ergibt das eine Mentalitätskombination aus der Hölle.
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Grafikquellen :
Oben — Friendly-match Austria vs. USA (1:0) in the Ernst-Happel-Stadion in Vienna at 2013-03-22. – The photo shows the teamchef of USA Jürgen Klinsmann.
- CC BY-SA 3.0
- File:Austria vs. USA 2013-11-19 (067).jpg
- Created: 19 November 2013
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2.) von Oben — Reinhard Marx — Bischofsstab, von Häftlingen angefertigt im KZ Dachau für Priesterweihe von Karl Leisner
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Unten — Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem CDU Parteitag 2019 am 23. November 2019 in Leipzig.