Die wichtigste Kurve der Welt ist nach oben gekrümmt. Sie steigt nicht linear an, sie flacht sich nicht ab, was für das sichere Überleben der menschlichen Zivilisation sehr wichtig wäre. Die Aufwärtskrümmung markiert eine Beschleunigung. Immer noch.
Die Kurve, von der die Rede ist, stammt aus einer Messstation am Vulkan Mauna Loa in Hawaii, betrieben von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) der USA. Seit den späten Fünfzigern wird dort das in der Atmosphäre vorhandene CO₂ erfasst – und dieser Wert steigt bekanntlich immer weiter. Und, was noch schlimmer ist: auch weiterhin immer schneller.
Alle Konferenzen ohne Delle überstanden
Eigentlich hat es schon diverse Gelegenheiten gegeben, die der Kurve eine andere Richtung hätten bescheren müssen. Die Konferenz von Rio 1992, das Kyoto-Protokoll von 1997, die – gescheiterte – Klimakonferenz von Kopenhagen 2009, das Pariser Klimaabkommen von 2015. All diese Ereignisse, bei denen sich die Menschheit jeweils versicherte, dass sie selbst die Erdatmosphäre erwärmt und dass das sehr gefährlich ist, überstand die Kurve, ohne auch nur eine Delle zu bekommen. So eine Delle schaffte nur die Coronapandemie.
All das ist sattsam bekannt. Weniger bekannt ist, dass selbst die derzeit in Selbstverpflichtungen formulierten Ziele in Sachen Treibhausgasemissionen die Welt vermutlich 1,9 bis 3 Grad heißer werden lassen würden als vor der industriellen Revolution. Also weit mehr als die 1,5 Grad, die man in Paris noch angestrebt hatte. Die bislang verkündeten konkreten politischen Maßnahmen – das ist etwas anderes als Ziele! – führen uns in eine Welt, die im Jahr 2100 2,1 bis schlimmstenfalls fast 4 Grad heißer ist.
Katastrophen von unvorstellbarem Ausmaß wären die Folge.
Ziele sind eine billige Sache
Vor allem die ständig neu formulierten Ziele sind – obwohl sie nicht einmal ausreichend sind – eine wohlfeile Angelegenheit. Das kann man sehr schön daran erkennen, dass selbst der von »Klimaskeptikern« umgebene australische Premier Scott Morrison sich jetzt endlich dazu durchringen konnte, für sein Land ein »Net Zero«-Ziel für 2050 auszurufen.
Doch der »Plan« seiner Regierung, dieses Ziel zu erreichen, ist, vorsichtig formuliert, vage, während in Australien weiterhin kräftig Kohle gefördert wird, der klimaschädlichste aller Energieträger. In Morrisons Plan spielt auch »Carbon Capture and Storage« eine wichtige Rolle, also das Auffangen und Speichern von CO₂. Diese Methode gilt – auch dank eines australischen Modellprojekts – bislang aber als »teuer, langsam und schwierig«.
Viel billiger und einfacher ist es, das CO₂ erst gar nicht zu produzieren – zu diesem Ergebnis kommt auch eine eben erschienene Studie über unterschiedliche Carbon-Capture-Technologien in »Nature Energy«: Auch die beste Variante ist teuer und verbraucht Unmengen Chemikalien, CO₂ einsparen ist auf absehbare Zeit deutlich günstiger.
Chinas eben verkündeter Plan zur Erreichung seiner bislang unveränderten Klimaziele – CO₂-neutral bis 2060, Emissionen steigen zwar weiter, aber nur bis 2030 – wirkt schon deutlich konkreter als der von Australien. Aber er enthält die seltsam anmutende Ankündigung, 2060 »nur noch« 20 Prozent seines Energiebedarfs mit fossilen Brennstoffen decken zu wollen.
Das wäre immer noch eine Menge, und all das auf diese Weise weiter produzierte CO₂ wird irgendwie wieder aus der Atmosphäre geholt werden müssen, wenn die Formulierung »carbon neutral« sich nicht als Feigenblatt erweisen soll. Und im Moment kurbelt China den Kohleabbau gerade wieder an, um der Energiekrise zu begegnen.
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
Oben — This image shows the Arctic temperature trend between August 1981 and July 2009. Due to global warming, which is exacerbated at the Arctic, we see a significant warming over this 28 year period .