Katjas Jugendbrigade
Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 2. September 2017
Kaja Kipping und ihr Aufstieg zur Chefin
Heute einmal ein Artikel über Katja Pipping. Speziell für alle EnthusiastenInnen und FahnenschwenkerInnen der Linken Partei. Derweil sie als LeserInnen damit beschäftigt sind diesen Artikel zu lesen, halten wir schon Ausschau nach der nächsten Ikonen – Beschreibung. Einen Artikel über Püppi Sahra und den Dirigenten ihres Senioren Chor. DL/IE
aus Berlin, Dresden und Hannover von Anna Lehmann
Katja Kipping verdankte ihren Aufstieg zur Chefin der Linkspartei einem Netzwerk aus den Anfangsjahren. Auf ihrem Weg nach oben hat die Sächsin manche alte Freunde enttäuscht.
Und dann tanzen sie wieder. Caren schwingt ihre blonde Mähne, Stefan wiegt sich im Diskoschritt, Falk wippt mit dem Kopf, und in ihrer Mitte verdreht Katja gekonnt die Beine. Whitney Houston singt „I wanna dance with somebody“ aus den Lautsprechern, die Diskokugel versprenkelt buntes Licht.
Hannover, 9. Juni 2017, 23.30 Uhr. Der erste Tag des Parteitages der Linken in der Westfalenhalle ist zu Ende gegangen. Die beiden Spitzenkandidaten Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht sind längst verschwunden, Parteichef Bernd Riexinger hat sich nach dem offiziellen Teil verabschiedet. Katja Kipping aber hat sich eine Weißweinschorle geholt und ist, nach einem erfolglosen Versuch, einen Genossen zur Hebefigur in „Time of my life“ zu bezirzen, mit Falk Neubert, Caren Lay und Stefan Hartmann auf die Tanzfläche gezogen.
Das ist die Stunde von Parteichefin Katja Kipping und ihren Freunden, die den Tanzabend jedes Jahr gegen diejenigen verteidigen, die noch mehr Zeit für Antragsberatungen wollen. Die Jugendbrigade ist wieder vereint. Fast.
Die Jugendbrigade, anfangs eine Spottbezeichnung alter PDS-Kader, bestand einst aus einem knappen Dutzend junger PDS-Genossen aus Sachsen, die um die Jahrtausendwende die Partei aufmischten. Für sie gehörte zum Sozialismus Freiheit, und zur Politik Spaß. Einst schworen sie sich, gemeinsam für ihre Ideen zu kämpfen: Es sollte keine Geheimnisse geben, politische Manöver wurden zusammen besprochen. Vertrauen hielt die Gruppe zusammen.
Die Jugendbrigade, das waren Falk Neubert, damals jugendpolitischer Sprecher der sächsischen PDS, Stefan Hartmann, Wahlkämpfer für den Leipziger Oberbürgermeisterkandidaten und die jungen Talente Heike Werner, Caren Lay, Sebastian Scheel, Michael Leutert und Katja Kipping. Sie sind jetzt Ende 30 bis Anfang 50 und gehören zum pragmatischen, zum Reformerflügel der Linkspartei. Viele besetzen Schlüsselpositionen. Sebastian Scheel ist Berliner Staatssekretär für Wohnen, Heike Werner Sozialministerin in Thüringen. Hartmann ist stellvertretender sächsischer Landesvorsitzender, Lay und Leutert Bundestagsabgeordnete. Und Katja Kipping ist seit fünf Jahren Vorsitzende der Linkspartei. Ihr Aufstieg wäre ohne die Jugendbrigade nicht möglich gewesen.
Heute machen die Gründungsmitglieder der Jugendbrigade nicht nur miteinander Politik, sondern auch gegeneinander. Einer für alle, alle für einen – dieser Schwur gilt nicht mehr.
„Wir grüßen uns heute kaum noch“, sagt Michael Leutert. „Die Katja Kipping von heute hat nichts mehr gemein mit der Katja, die ich mal kannte.“ Michael Leutert, blaue Augen und kantiges Kinn, ist Bundestagsabgeordneter. Er hütet heute seine Tochter und ist mit Spielzeugschaufel und Eimer zum Gespräch an einem Sandkasten in Berlin-Wilmersdorf gekommen.
Ihre Helden: Milli Vanilli
Die Geschichte der Jugendbrigade ist mehr als nur die Geschichte eines erfolgreichen Netzwerkes. Netzwerke basieren auf gegenseitigem Nutzen. Aber die Jugendbrigade – das waren Freunde. Und so erzählt ihre Geschichte etwas über Freundschaft und Vertrauen in der Politik. Beides muss man pflegen, beides kann kaputt gehen.
Katja Kipping sitzt im Speisewagen des Zuges nach Dresden. Ihren silberfarbenen Blouson hat sie anbehalten. Sie bestellt ein Kännchen Kaffee und ein Prager Omelett, „ohne Schinken, bitte.“ In Dresden wird sie die Lesung einer Parteifreundin moderieren, auch sie war mal in der Jugendbrigade. Für Kipping ist die Fahrt nach Dresden auch eine Heimkehr in die Geburtsstadt und die politische Heimat.
Dresden Anfang der 90er Jahre. Katja Kipping ergeht es wie vielen Jugendlichen, die in der DDR noch Jungpioniere waren und in der Bundesrepublik erwachsen wurden. Plötzlich war da ganz viel Raum zum Ausprobieren.
Die Wendezeit, erzählt Kipping, sei für sie eine glückliche Zeit gewesen: „Weil ich erlebt habe, wie schnell sich Dinge verändern können.“ Anders als vielen ihrer ostdeutschen Wähler ist ihr ein ostalgisches Schwelgen in DDR-Erinnerungen fremd. Ihr Teenieidole waren nicht Gojko Mitic oder Täve Schur, sondern Milli Vanilli.
1993, mit 15 Jahren, ist Katja Kipping parteipolitisch völlig offen. Montags geht sie in die Schützengasse zur Grünen Liga, donnerstags trifft man sie im Jugendzentrum Roter Baum. Im Pfingstlager in Löbau, das sie mit Mitgliedern des Jugendzentrums besucht, läuft sie Falk Neubert über den Weg, jugendpolitischer Sprecher der sächsischen PDS. „Sie dachte und redete viel klarer als andere in ihrem Alter“, erinnert sich Neubert an die Schülersprecherin Katja Kipping.
1997 schreibt sich Kipping an der TU Dresden für Anglistik, Slawistik und Jura ein. Als sie ihre Einführungsveranstaltungen besucht, streiken die Studenten für bessere Bildung. Und Kipping streikt statt zu studieren. Doch schon in den Weihnachtsferien verpufft die Bildungsrevolution. Kipping ruft Falk Neubert an. Sie will nachhaltig etwas verändern. 1998 tritt sie in die PDS ein.
Ein Jahr später ist in Sachsen Landtagswahl. Die PDS, deren Wähler langsam vergreisen, plant einen eigenen Jugendwahlkampf. Michael Leutert organisiert ihn, der mit seinen 24 Jahren schon seit sieben Jahren Genosse ist und in seiner Heimatstadt Mittweida einen Jugendverein betreibt, dem die Nazis regelmäßig die Fenster einschlagen. Die jungen Wilden der sächsischen PDS setzen durch, dass vier Kandidaten unter 30 Jahren auf aussichtsreiche Listenplätze kommen – ein Putsch gegen die Alten.
Drei Plätze sind bereits gesetzt: Michael Leutert, Falk Neubert und die Leipziger Studentenaktivistin Heike Werner. Nun wird noch eine Frau gesucht. Neubert schlägt Kipping vor.
In einem Café in der Nähe des Zwingers treffen sich Leutert, Neubert und Kipping im Januar 1999. „Sie war anders, mit ihren roten Haaren und den Tüchern im Haar. Sie war locker, sie wollte leben, sie wollte tanzen“, sagt Michael Leutert. Er ist beeindruckt von der Frau mit dem Hippie-Touch, die das alternative Dresden-Neustadt und nicht die barocke Altstadt verkörpert. Kipping und Leutert werden ein Paar. Und Kipping U-30 Kandidatin auf der Landesliste der PDS.
Mit zwei VW-Bussen voller Graffiti und einem roten Robur-Bus aus DDR-Beständen ziehen die Wahlkämpfer durch Sachsen, trinken abends Bier und übernachten in Schlafsäcken in den Geschäftsstellen der PDS.
Es sind krasse Zeiten: Die verfallenen Innenstädte werden mit Soli-Milliarden herausgeputzt, doch viele Wohnungen bleiben leer und Lehrstellen sind knapp. Wer eine Zukunft sucht, geht in den Westen. Neonazis richten national befreite Zonen ein.
Wenn die Wahlkämpfer in den Städten und Dörfern haltmachen, drehen sie die Musik auf und tanzen auf dem Dach des Robur-Busses. „Schachmatt – durch die Dame im Spiel. Schachmatt – weil sie mir so gefiel“, singt Roland Kaiser. Keiner weiß mehr so richtig, wie es der Schlager zur inoffiziellen Wahlkampfhymne geschafft hat. Aber er passt irgendwie. Das Jahr 1999 ist das Jahr, in dem die Parteikarriere der blutjungen PDS-Hoffnung Katja Kipping Fahrt aufnimmt.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Source | Edith Franke und Katja Kipping |
Author | dielinke_sachsen |