Isle of Man / Steueroase
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 20. Mai 2018
Das störende Image einer Steueroase
Von der Isle ofMan Ralf Sotscheck
Über den EU-Austritt durfte sie nicht mit abstimmen – dennoch ist die Zukunft der Isle of Man eng mit dem Ausgang der Brexit-Verhandlungen verknüpft. Die Insel in der Irischen See hat viele Besonderheiten.
Die Möwen sind überall, das ist nicht ungewöhnlich. Die Isle of Man liegt mitten in der Irischen See, zum Meer ist es nie weit. Flugzeuge hingegen sind kaum zu sehen. Dabei sind hier fast tausend Privatmaschinen registriert, es ist eine der größten Flotten der Welt. Wer sein Flugzeug hier registriert und mithilfe einer Briefkastenfirma in die Europäische Union importiert, zahlt keine Mehrwertsteuer. Dabei geht es um beträchtliche Summen. Der Formel-1-Rennfahrer Lewis Hamilton zum Beispiel hat für seine Bombardier Challenger 605 mindestens 5,4 Millionen Euro gespart. „Die Isle of Man hat ein schmuddeliges Image als Steueroase“, sagt Bernard Moffatt. „Bisher hat uns die britische Regierung durch ihr Veto gegen Sanktionen geschützt, weil die von der EU einstimmig beschlossen werden müssen. Aber mit dem Brexit wird das wohl vorbei sein.“
Moffatt, 72, ein großer Mann mit Brille und weißen Haaren, lebt in Peel an der Westküste der Insel. Man kennt ihn hier überall, er hat sich schon in vielen Bereichen engagiert und begleitet die Entwicklung der Insel kritisch. Als einer der wenigen spricht er von einem „Steuerparadies“, die meisten Landsleute verteidigen die Finanzpolitik als legitime Entscheidung ihrer Inselregierung.
Moffatts gelb angestrichenes Haus liegt am Ortsrand in einer Neubausiedlung und ist sparsam möbliert. Wie schon seine Eltern und Großeltern ist er auf der Insel geboren. Deshalb hat er einen Eintrag in seinem Pass: „Der Passinhaber hat keinerlei Anrecht auf irgendwelche Leistungen der EU.“ Dabei handelt es sich um den burgunderroten EU-Pass. Allerdings steht „British Islands – Isle of Man“ drauf. „Ich bin der Einzige in meiner Familie, der diese Einschränkung im Pass stehen hat“, sagt Moffatt, „man bekommt sie, wenn man in der dritten Generation von der Insel stammt.“
Die Isle of Man ist – wie die Kanalinseln Jersey und Guernsey – weder Teil des Vereinigten Königreichs noch britisches Überseegebiet, sondern direkt der britischen Krone unterstellt. Staatsoberhaupt ist Königin Elisabeth, sie trägt den Titel „Lord of Mann“ – traditionell schreibt sich die Insel mit zwei „n“. Sie hat eigene Briefmarken und eine eigene Währung, das Isle-of-Man-Pfund, das aber an Sterling gekoppelt ist.
Die Insel ist kein EU-Mitglied, gehört aber durch das Zollabkommen mit Großbritannien praktisch der Europäischen Zollunion an. Waren, die über die EU eingeführt werden, gelten als in die EU importiert. Versteuert werden sie aber nach den Regeln der Insel – nämlich gar nicht. Eine Körperschaftsteuer gibt es nicht.
Deshalb sind fast 30.000 Firmen auf der Isle of Man registriert – internationale Konzerne, Banken, Versicherungen. In diesem Bereich arbeiten mehr als 10.000 Menschen, ein Viertel aller Beschäftigten hier. Moffatt glaubt, dass der Brexit katastrophale Folgen für die Insel haben wird. „Wir sind auf Gedeih und Verderb an den Deal gebunden, den London mit der EU aushandelt“, sagt er. „Wir stehen in der Nahrungskette aber ganz unten. Das war schon beim EU-Beitritt 1974 so. Man hatte uns und die Kanalinseln schlicht vergessen und erst in letzter Sekunde ein Zusatzprotokoll eingefügt.“ Durch dieses „Protokoll 3“ gelten viele EU-Regeln auch auf der Isle of Man.
Moffatt zeigt auf das Ortsschild von Peel. Darunter steht „Purt ny h-Inshey“, was „Hafen der Insel“ bedeutet. Die Isle of Man gehört zu den keltischen Regionen und hat eine eigene Sprache, das „Gaelg Vanninagh“ – Manx-Gälisch. Nachdem Ned Maddrell, der letzte Muttersprachler, 1974 gestorben war, galt die Sprache zunächst als ausgestorben. Doch seit den achtziger Jahren versuchte man gegenzusteuern, heute gibt es wieder Einheimische, die Manx-Gälisch von klein auf sprechen, und immerhin knapp 3 Prozent der Bewohner haben zumindest Grundkenntnisse in der Sprache.
Moffatt war 20 Jahre lang Generalsekretär der Celtic League, die im Vorjahr ihre Jahreshauptversammlung auf der Isle of Man abhielt. Vertreter aller keltischen Nationen seien dabei gewesen, erzählt Moffatt. „Es gab ein Thema: den Brexit.“ Die einzelnen Länder haben unterschiedliche Interessen. „Galizien und die Bretagne bleiben in der EU, Wales und Cornwall machen sich Sorgen um die Ökonomie, Schottland hofft auf mehr Chancen für die Unabhängigkeit, Irland ist wegen der Grenzfrage und des Friedens in Nordirland besorgt.“ Und die Isle of Man? „Da weiß niemand etwas.“
Die Inselbewohner durften beim Referendum der Briten über den EU-Austritt im Juni 2016 nicht mit abstimmen. Der Schauspieler John Rhys-Davies, der den Zwerg Gimli im Film „Lord of the Rings“ spielte und seit 30 Jahren in Jurby nördlich von Peel lebt, führte eine Kampagne, damit die Isle of Man Stimmrecht erhält. „Aber warum sollten wir über den Verbleib in einer Institution abstimmen“, fragt Moffatt, „der wir gar nicht angehören?“
Moffatt glaubt ohnehin, dass die Insel mehrheitlich für den Brexit gestimmt hätte. „Die Menschen sind konservativ“, sagt er. Viele glaubten, dass die EU einen negativen Einfluss habe. „Auf Man musste man viele Traditionen aufgeben“, sagt er mit bissigem Humor. „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zum Beispiel verboten, Menschen auszupeitschen. Wir dürfen auch niemanden mehr aufhängen oder Homosexuelle gerichtlich belangen. Man hat die Insel ins 20. Jahrhundert gezerrt, als andere Länder ins 21. Jahrhundert marschierten.“
Verlangt die EU Zugeständnisse?
Tim Glover glaubt dagegen, dass die Menschen für den Verbleib in der EU gestimmt hätten. „Aber sicher kann man nicht sein“, sagt er. „Ich hatte ja auch nicht erwartet, dass die Briten für den Brexit stimmen.“ Glover hat den schönsten Arbeitsplatz auf der Insel. Manx Radio, für das er als Nachrichtenchef arbeitet, residiert auf dem Douglas Head hoch über der Stadt. Von hier oben aus erinnert die Promenade, auf der die Flagge der Isle of Man, das Dreibein, weht, an ein englisches Seebad aus vergangenen Zeiten. Die Uferstraße ist von dreistöckigen Häusern im viktorianischen Stil gesäumt, die Straßenbahn wird noch von Pferden gezogen.
Glover befürchtet, dass die Isle of Man als Verhandlungsmasse benutzt werden könnte, da seit der Enthüllung der Paradise Papers der Druck auf die sogenannten Steueroasen wächst. „Die EU könnte eine Änderung unseres Steuersystems als Gegenleistung für Zugeständnisse an Großbritannien verlangen“, sagt er. „Wir sind zu klein, als dass wir nachdrückliche Forderungen stellen könnten.“ Glover, ein kleiner Mann mit freundlichem Gesicht, ist 54, auf der Insel geboren. „Sie ist mit dem Zuzug von Ungarn, Polen und Rumänen in den letzten zehn Jahren viel kosmopolitischer geworden.“
Aber die Gesellschaft altert, hält Moffatt dagegen. „Die jungen Leute verlassen die Insel, weil sie ihnen zu wenig bietet. Die Arbeitsbedingungen basieren auf veralteten Einstellungen, die Gewerkschaften haben kaum Rechte.“ Er weiß das, bis 2007 war er Präsident des Gewerkschaftsdachverbands.
Außerdem hat Moffatt 1962 die Partei Mec Vannin mitbegründet, die „Söhne von Mann“, die für eine unabhängige Republik eintritt. „Ich musste immer Kaffee holen, weil ich der Jüngste war“, erinnert er sich. Heute ist er Präsident der Partei, die aber im „Tynwald“ keine Abgeordneten hat, weil sie einen Treueschwur auf die Königin leisten müssten.
Den Tynwald, das älteste durchgängig bestehende Parlament der Welt, gibt es seit dem Jahr 979. Er hat zwei Kammern: das House of Keys, vergleichbar mit dem Londoner Unterhaus, mit 24 Abgeordneten; der gesetzgebende Rat, der „Legislative Council“, wird vom House of Keys bestimmt und entspricht dem britischen Oberhaus. Der Rat entscheidet über Gesetze, die zuvor das House of Keys durchlaufen haben.
„Noch vor 100 Jahren wurden alle Entscheidungen vom Gouverneur, dem Statthalter der Königin, getroffen“, sagt Andrew Bentley. „Das House of Keys war ein Club der reichen Landbesitzer. Noch heute ist es wichtiger, wen du kennst, als welcher Partei du angehörst.“ Bentley hat vor zwei Jahren mit ein paar Gleichgesinnten die Grüne Partei der Isle of Man gegründet. Sie hat nur 30 Mitglieder, aber er hofft auf Zuwachs.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Image of the en:Crown Dependencies – Isle of Man
Source | Image:British Isles United Kingdom.svg |
Author | UKPhoenix79 |
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2.) von Oben — Douglas, Isle of Man
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Unten — Quayside and fishing boats, Ramsey, Isle of Man, 2015
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Author | Sunshineramsey71 |
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