DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Interview: Katja Kipping

Erstellt von Redaktion am Samstag 10. März 2018

Wenn wir uns nicht selbst befreien…

Katja Kipping bei der Bundestagswahl 2017 Wahlabend Die Linke (Martin Rulsch) 04.jpg

Von Elsa Koester

…bleibt es für uns ohne Folgen: Die LINKE-Chefin Katja Kipping über Feminismus von links und von rechts.

Das vergangene Jahr war aus feministischer Perspektive vor allem von der MeToo-Debatte über sexualisierte Gewalt geprägt. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie die ersten Posts dazu gelesen haben?

Ich habe die Beiträge als ermächtigend erlebt. Frauen machen die Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt nicht alleine mit sich aus, sondern kommen zu einem »Wir«.

Sie waren nicht erschrocken über die massive Verbreitung von sexualisierter Gewalt?

Nein, ich war nicht überrascht, weil ich die Statistiken zu sexualisierter Gewalt schon kannte. Ich wusste, dass es viele solcher Erfahrungen gibt, vor allem im häuslichen Kontext – und im Bereich der Erwerbsarbeit.

Haben Sie an eigene Erfahrungen gedacht?

Ich persönlich habe so eine Erfahrung nicht machen müssen – zum Glück.

Gibt es eine Geschichte, die Sie am meisten schockiert hat?

Viele. Aktivistinnen haben mir etwa von Internet-Foren berichtet, in denen Männer zu »Pickup-Artists« geschult werden: Sie lernen, wie sie Frauen auf jeden Fall rumkriegen. Da steht nicht mehr die besondere Verführung im Mittelpunkt, sondern in letzter Konsequenz geht es um eine Anleitung zu Vergewaltigung. Als Sportart.

Manche Linke werfen der Debatte vor, dass es bei MeToo nicht um materielle Geschlechterfragen gehe, sondern nur um kulturelle Fragen. Teilen Sie diese Kritik?

Was gibt es denn Materialistischeres als das Recht auf einen unversehrten Körper? Die aktuelle Auseinandersetzung um Paragraf 219a, der die Information von Ärzt*innen über Schwangerschaftsabbrüche verbietet, ist auch ein materieller Kampf um den Körper der Frau.

Ein Kampf, der von Rechts begonnen wurde.

Ja. Es gibt eine konterrevolutionäre Mobilisierung von Rechts, die einen schon fast vergessenen Paragrafen nutzt, um Ärzt*innen zu kriminalisieren. Es ist wichtig, unmittelbar darauf zu reagieren – und 219a abzuschaffen. Dafür gibt es aktuell wunderbarerweise eine breite Allianz von der FDP über SPD und Grüne bis hin zur LINKEN im Bundestag. Die SPD hatte ja in vorauseilender GroKo-Disziplin kurzeitig ihren eigenen Antrag zur Abschaffung wieder zurückgezogen. Jetzt, wo sie sich offenbar besonnen und den Antrag wieder eingebracht hat, bin ich wirklich optimistisch, dass die Abschaffung auch gelingen kann.

———————————————————————————–

Lafontaine Die Linke.jpg

In den Mund gelgt von Clown zu Clown: DL Red. – IE

Katja Kipping

Rechte Männer marschieren unter dem Deckmantel von Frauenrechten gegen Geflüchtete, sexualisierte Gewalt wird durch einen Hashtag zum gesellschaftlichen Thema und im Bundestag bildet sich eine Allianz von FDP, SPD, Grünen bis zur LINKEN, um das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche zu schützen: Feminismus ist nicht nur sehr präsent, sondern auch politisch hoch umkämpft. Die LINKE-Vorsitzende Katja Kipping versucht als marxistische Feministin, diese Entwicklungen politisch einzuordnen. Über kulturelle und materielle Kämpfe, rechten und linken Feminismus sprach mit ihr Elsa Koester.

——————————————————————————————————-

In der 219a-Debatte im Bundestag haben sich sowohl SPD als auch Grüne, FDP und LINKE auf Paragraf 218 gestützt, der Abtreibung grundsätzlich unter Strafe stellt – es sei denn, die Frau unterzieht sich einem Prozedere von Zwangsberatungen. Ist die linke Forderung vergessen, 218 abzuschaffen?

Nein, die LINKE kämpft weiter um die Abschaffung von 218 und das generelle Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Aber das, was gerade akut die Umsetzung gefährdet, ist der Vorwurf an die Ärzt*innen, illegale Werbung für Abbrüche zu betreiben. Die Zuspitzung auf 219a ist eine taktische Entscheidung.

Geht man damit nicht die Gefahr ein, dass §218 sich manifestiert und die feministische Debatte insgesamt nach rechts rutscht?

Rosa Luxemburg hat vor über 100 Jahren die revolutionäre Realpolitik propagiert: Man muss das zu dem Zeitpunkt Mögliche durchsetzen und gleichzeitig zeigen, dass es um etwas viel Grundlegenderes geht, um die Überwindung aller Unterdrückungsverhältnisse. Natürlich dürfen wir nicht in Abwehrkämpfen verharren. Und trotzdem ist es notwendig, auf rechte Angriffe zu reagieren.

War die Blockade des AfD-Frauenmarschs in Berlin in diesem Zusammenhang legitim?

Beim sogenannten Frauenmarsch wollten Rechte unter dem Deckmantel von Frauenrechten Rassismus verbreiten. Die friedliche Blockade steht symbolisch dafür, dem Rechtsruck nicht nachzugeben.

Was macht Sie so sicher, dass es der AfD nur um eine Instrumentalisierung von feministischen Anliegen für Rassismus geht – und nicht tatsächlich um Frauenrechte, wenn auch national gedacht?

Quelle    :      ND         >>>>>          weiterlesen

———————————————————————————

Grafikquellen   :

Oben    —     Katja Kipping auf der Wahlparty der Linken zur Bundestagswahl 2017 in der Arena Berlin.

 

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>