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Interview Gysi – Ströbele

Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 8. November 2015

„Der Mensch neigt zum bequemen Weg“

In der ersten „Freitag“-Ausgabe debattierten Gregor Gysi und Hans-Christian Ströbele über Irrtümer, Irrwege und Kulturbrüche. Ein Wiedersehen 25 Jahre später

der Freitag: Herr Gysi, Herr Ströbele, vor ziemlich genau 25 Jahren trafen Sie sich schon einmal zu einem „Freitag“-Gespräch. Sie, Herr Ströbele, haben damals der PDS das Existenzrecht abgesprochen. Konkurrenzdenken? Sorge um die politische Kultur?

Ströbele: Es gab nach der deutschen Vereinigung Bemühungen bei uns, die Linken bei den Grünen mit den übrig gebliebenen Linken von der PDS zusammenzuführen. Ich war damals dagegen.

Sie sagten, dass es neben den Grünen keine zweite linke, sozialistische Partei geben könne.

Ströbele: Das soll ich gesagt haben? Kann ich mir kaum vorstellen. Eine sozialistische Partei waren die Grünen nicht und wollten es wohl auch nicht sein. Sie kamen ja aus vielen unterschiedlichen sozialen Bewegungen. Ich habe nach der Wiedervereinigung gesagt: Ich bin ein Linker, ich bin ein Sozialist, ich will die Welt zu mehr sozialer Gerechtigkeit hin verändern, aber solch ein Ziel ist leider wenig realistisch. Der damaligen PDS habe ich das jedenfalls nicht zugetraut.

Gysi: Ein Argument, das du gern gegen uns benutzt hast, war, dass wir kleinbürgerliche Haltungen aus der SED mit uns herumtragen würden. Das spreche gegen eine moderne linke Partei. Sicher war das richtig beobachtet, aber dem lag eine sehr bewusste Entscheidung zugrunde, die wir im Januar 1990 getroffen hatten. Zu dieser Zeit gründete gerade ein Ex-Offizier der Staatssicherheit einen ostdeutschen Landesverband der rechtsradikalen Republikaner. Ich sagte im Vorstand: Es gibt viele Leute, die in der deutschen Einheit nicht gewollt sind, das betrifft auch die gesamte mittlere SED-Funktionärsebene, einige Tausend. Wir haben die Wahl: Entweder wir vertreten deren Interessen mit – dann kriegen wir allerdings auch deren Kultur, und das ist eine kleinbürgerliche – oder wir wollen mit denen nichts zu tun haben und werden eine moderne linke Partei. Nur, was wird dann aus diesen Leuten? Wir haben uns dann für die erste Variante entschieden. Das konnte natürlich nicht die Sicht von Hans-Christian Ströbele sein. Für dich als Westdeutschen war das verständlicherweise weit weg. Es war trotzdem richtig, so zu entscheiden: Hätte es uns nicht gegeben, wäre womöglich eine Katastrophe passiert.

Ströbele: Ich hatte nicht nur Bedenken wegen des kleinbürgerlichen Charakters der PDS. Es gab auch eine inhaltliche Kluft, etwa in der Ausländer-, Geschlechter-, Familien- oder Drogenpolitik, das passte mir alles überhaupt nicht. Das galt vor allem für die Mitglieder, vielleicht weniger für die Programmlage. Die Differenzen sind geblieben, bis heute. Und trotzdem kriege ich seit Jahren Briefe, in denen es heißt: Du bist in der falschen Partei, wann willst du wechseln? Aber das kommt für mich nicht in Frage. Ich passe da von meiner ganzen Sozialisation und meinen Gesellschaftsvorstellungen her überhaupt nicht rein.

Gysi: Wir haben aber dann – nach 1990 – längst Schritt für Schritt andere Akzente gesetzt. Die Kultur in unserer Partei hat sich verändert. Deshalb war dann auch die Gründung der Linkspartei mit Oskar Lafontaine möglich.

Ströbele: Die politische, kulturelle Entfernung besteht gleichwohl. Grüne Mitglieder kamen und kommen häufig aus Bewegungen der Flüchtlings- und Migrantenarbeit. Damit wurden sie politisch groß.

Hat es die Grünen politische Vielfalt gekostet, dass sie im Osten zunächst nur etwas mit Bürgerrechtlern zu tun haben wollten?

Quelle: Der Freitag >>>>> weiterlesen

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Fotoquellen: Wikipedia –

Ströbele  Author The original uploader was Stepan at German Wikipedia –/ — CC BY-SA 2.0 de

Gysi : Urheber Fraktion DIE LINKE. im Bundestag — / — CC BY 2.0

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