Intensivkapazitäten Medizin
Erstellt von Redaktion am Freitag 3. Juni 2022
Intensivkapazitäten – war da was?
Die Geschichtsglättung in der Intensivmedizin
und die verschwundenen Steuer-Milliarden
Von Johannes Kreis
wenn man die als Interview bezeichnete Ergebenheitssadresse von Frau Elisabeth Hussendörfer an Gernot Marx im FOCUS liest, so reibt man sich verwundert die Augen. Angeblicher Intensiv-Kollaps? War da was?
- Elisabeth Hussendörfer , „Gernot Marx im FOCUS-Online-Interview: Ist Corona jetzt vorbei? Das sagt Deutschlands oberster Intensivmediziner“, focus, 27.05.2022, https://www.focus.de/gesundheit/coronavirus/ist-corona-jetzt-vorbei-das-sagt-deutschlands-oberster-intensivmediziner_id_104384066.html
„Von einer generellen Überlastung [der Intensivstationen] konnte zum Glück nie die Rede sein, nicht mal alle Reservebetten sind zum Einsatz gekommen, also auch nicht alle Kliniken sind flächendeckend aus dem elektiven OP-Programm ausgestiegen.“
Aha. Ganz neue Töne von Herrn Marx, „von einer generellen Überlastung konnte zum Glück nie die Rede sein“. Und Experten wie Herr Marx wußten das nicht schon früher?
- IQM, „COVID-19-Pandemie – Datenstand Juni 2021“, 23. August 2021, https://www.initiative-qualitaetsmedizin.de/covid-19-pandemie
„Im gesamten Jahr 2020 wurden insgesamt 13,8% weniger Patienten im Krankenhaus behandelt als 2019. In den ersten 26 Kalenderwochen des Jahres 2021 blieb die Fallzahl 20,1% hinter dem Vergleichszeitraum 2019 zurück. Auch die Gesamtzahl der SARI-Fälle, Intensivfälle und Beatmungsfälle blieb im Untersuchungszeitraum unter den Zahlen aus 2019.“
Man fragt sich, warum das Statistische Landesamt NRW 16 Monate gebraucht hat, um die Krankenhausbellegung in NRW in 2020 herauszufinden, und das in einer mutmaßlichen Pandemie, wenn das Krankenhaus-System in Deutschland angeblich vor dem Kollaps steht.
- „NRW: 2020 gab es knapp 30 Prozent weniger Krankenhausbehandlungen aufgrund von bestimmten infektiösen und parasitären Infektionskrankheiten“, IT.NRW, 2. Mai 2022, https://www.it.nrw/nrw-2020-gab-es-knapp-30-prozent-weniger-krankenhausbehandlungen-aufgrund-von-bestimmten-107324
„Wie das Statistische Landesamt weiter mitteilt, verringerte sich die Zahl der 2020 in den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern behandelten Krankheiten des Atmungssystems ebenfalls gegenüber 2019 um 20,1 Prozent.“
Nebenbei wird im FOCUS, nach 2,5 Jahren, wieder Bergamo bemüht. Und der Allgemeinplatz, dass man für den nächsten Herbst wieder nichts ausschließen kann, darf auch nicht fehlen. Soviel Expertise bekommt auch ein Mitarbeiter an der Wursttheke im Supermarkt hin. Der kann auch nichts ausschließen.
Im Dezember 2021, also vor 6 Monatem, hörte sich Herr Marx, trotz der ihm zweifelsfrei zugänglichen Daten zur Krankenhausbelegung, noch ganz anders an, vgl.
University Hospital of the RWTH Aachen.
- „Divi-Präsident zu Corona-Lage : Marx: 6.000 Intensivpatienten bis Weihnachten“, ZDF, 01.12.2021, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-intensivmediziner-gernot-marx-kliniken-100.html
„Nach unserer Meinung brauchen wir wieder das Gesetz zur epidemischen Notlage, wir brauchen dringend bundesweite Notbremse-Maßnahmen zur möglichst maximalen Kontaktbeschränkung.“
„Auch ein zeitlich begrenzter Lockdown könne helfen. Zudem müssten nicht dringende Operationen verschoben werden. „Wir müssen die Kliniken vor dem Kollaps bewahren.““
Allerdings verdankte man dem Interview des ZDF Ende 2021 zumindest die Erkenntnis, dass auch Herr Marx zugab, dass bis Dezember 2021 ca. 4.000 Intensivbetten in Deutschland weniger zur Verfügung standen, trotz massiver staatlicher Förderung, vgl. ebenda.
„“Die Lage wird wirklich zunehmend enger“, sagte der Direktor der Intensivmedizin am Universitätsklinikum Aachen. Zumal mittlerweile etwa 4.000 Intensivbetten weniger als vor einem Jahr zur Verfügung stünden.“
Ganz im FOCUS-Stil fragte Frau Dunja Hayali vom ZDF Morgenmagazin damals nicht weiter nach, warum es denn in einer mutmaßlichen Pandemie plötzlich ca. 4.000 Intensivbetten weniger gäbe, sondern Frau Hayali verweist selbst auf Personalengpässe. Warum gab es Personalengpässe? Aufgrund hirnrissiger Quarantäne-Bestimmungen für medizinisches Personal? Warum führt Frau Hayali überhaupt noch Interviews, wenn sie schon alles selber weiß?
Aber trotz, oder besser, gerade wegen ca. 4.000 Intensivbetten weniger, forderte Herr Marx im Dezember 2021 eine bundesweiter Notbremse, einen Lockdown, um „die Klinken vor einem Kollaps zu bewahren“.
Und was für eine herrliche Begründung für eine Impfpflicht: wir haben zu wenig Intensivbetten, selbst wenn Deutschland, auch mit 4.000 Intensivbetten weniger, noch 3x mehr Intensivbetten pro Einwohner hat als die europäischen Nachbarländer. Das ist inzwischen, nach 2,5 Jahren, auch juristisch relevant. Denn der Gesetzgeben kann eine selbstverursachte „Knappheit“ an Intensivbetten nicht ins Feld führen, um eine gesetzliche Impfpflicht zum Schutz vor Überlastungen zu begründen.
Ende Mai 2022 hat sich das Blatt offenbar gewendet. Jetzt konnte von einer generellen Überlastung „nie die Rede sein“. Die deutsche Intensivmedizin, vereint mit dem FOCUS, verkauft die Menschen für dumm.
Zu den ca. 4.000 Intensivbetten weniger, siehe auch,
- „Intensivmediziner: 4.000 Intensivbetten weniger seit Jahresbeginn“, Ärzteblatt, Dienstag, 26. Oktober 2021, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/128476/Intensivmediziner-4-000-Intensivbetten-weniger-seit-Jahresbeginn
Hätte der Focus in seinem eigenen Interview, Ende Mai 2022, die Panikmache des Herrn Marx im ZDF Morgenmagazin nach Stichworten von Frau Hayali nicht einmal ansprechen sollen, oder müssen, wenn man sich beim FOCUS denn „Journalisten“ nennt?
Warum hat der FOCUS Herrn Marx, „Deutschlands oberster Intensivmediziner“, nicht einmal nach seinen früheren Aussagen gefragt?
Oder, andere interessante Frage an die deutsche Intensivmedizin: was ist aus den Millionen für neue Intensivbetten in den letzten 2 Jahren geworden ist? Mehr Geld und dafür weniger Intensivbetten? Inzwischen streiten die „Experten“, was ein Intensivbett ist, vgl.
- „Zuschüsse an Kliniken – Wo sind die zusätzlichen Intensivbetten?“, tagesschau, 06.07.2021, https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/intensivbetten-113.html
„“Man hätte vor allem definieren müssen, was ein Intensivbett ist“, kritisiert Wulf-Dietrich Leber vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen. Denn nur so hätte man auch beobachten können, „ob zusätzliche Betten aufgebaut worden sind, eine bundeseinheitliche Definition fehlte bislang“.“
Die deutschen Gesundheitsexperten scheitern leider an der Begrifflichkeit. Daran erkennt man ganz große Wissenschaft.
Siehe zu dem Thema „Wo ist das Geld für mehr Intensivkapazitäten hin?“ auch,
- Nils Metzger, „Kritik des Bundesrechnungshofs – Meldeten Kliniken falsche Intensiv-Zahlen?“, ZDF, 12.06.2021, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-intensivbetten-bundesrechnungshof-divi-100.html
- Markus Grill, „“Monetäre Anreize“ für falsche Angaben“, ndr, 17.06.2021, https://www.tagesschau.de/investigativ/wdr/intensivbetten-daten-101.html
- Ursel Sieber und Jenny Barke, „Corona-Finanzhilfen Bund rätselt über Verbleib von mehr als 7.000 Intensivbetten“, rbb24, 16.07.2020, https://www.rbb24.de/politik/thema/2020/coronavirus/beitraege_neu/2020/07/kontraste-recherche-intensivbetten-corona-finanzhilfen.html
- Philippe Debionne, „Betrug: Krankenhäuser kassierten, die nie einen Corona-Patienten gesehen haben“, BZ, 5.3.2022, https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/corona-betrug-in-krankenhaeusern-staatsanwaltschaft-ermittelt-li.215401
Wo sind die neuen Intensivbetten, die man angeblich für das Geld gekauft hat? Es wurden weiter Intensivkapazitäten abgebaut, wie jeder auf der DIVI Homepage sehen kann. Dazu ein konkretes Beispiel,
- Jörg Riefenstahl, „Fragwürdig – Lungenklinik mit 12 Intensivbetten schließt“, Abendblatt, 11.12.2021, https://www.abendblatt.de/region/norderstedt/article234063795/Ungenutzte-Intensivbetten-in-Borstel.html
Eine Frau Hayali wußte das am 1.12.2021 anscheinend nicht und auch Frau Hussendörfer hat von diesen Vorgängen bis heute offensichtlich keine Ahnung. Warum sollte man Sendungen von Leuten sehen oder Artikel von Menschen lesen, die weniger Ahnung haben als der durchschnittliche Internetnutzer?
Hauptsache das Geld landet irgendwie im Gesundheitssektor? Den Impfärzten kann es nur recht sein. 250.000 € Monatseinkommen allein durch Impfen, da kann man Kasse machen, vgl.
- Herbert Kordes, Victoria Just, Marco Müller, „Corona-Impfungen: Gutes Geschäft für Ärzte“, Monitor, 20.01.2022, https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/corona-impfungen-108.html
„Das macht bei durchschnittlich 300 Impfungen täglich rund 64.000 Euro Honorar pro Woche – und pro Monat über eine Viertelmillion – abzüglich der Kosten für Personal oder Miete.“
Da stockt es dann schon mal bei der Auswertung der Wirksamkeit von Maßnahmen und man spritzt die Menschen gerne noch ein viertes und ein fünftes Mal.
Eine andere mögliche Frage an Herrn Marx: laut Hessenschau sind 90% der Patienten mit positivem SARS-CoV2 Tests in Hessen gar keine COVID-19 Patienten. Die sind wegen was ganz anderem im Krankenhaus und werden auch nicht gegen eine Atemwegserkrankung therapiert. Sonst wäre das die Hauptdiagnose.
- Tobias Lübben, „Hessens Schwerpunktkliniken – Corona häufig nur Begleiterkrankung bei Intensivpatienten“, hessenschau, 25.03.2022, https://www.hessenschau.de/panorama/hessens-schwerpunktkliniken-corona-haeufig-nur-begleiterkrankung-bei-intensivpatienten,patienten-mit-corona-100.html
„Frankfurt: 90 Prozent nicht wegen Corona in Klinik – In Frankfurt stellt man außerdem fest: Bei der deutlichen Mehrheit der derzeitigen Krankenhauseinweisungen ist nicht Corona die Ursache. „Es kommen kaum noch Menschen wegen einer Covid-19-Erkrankung in unsere Kliniken, sondern sie kommen wegen anderer Probleme. Es wird dann mehr oder weniger zufällig auch eine Covid-Erkrankung im Aufnahme-Abstrich diagnostiziert“, erklärt Vehreschild.
Sie schätzt den Anteil dieser Patientinnen und Patienten auf 90 Prozent, sowohl auf den Intensiv- als auch auf den Normalstationen. Die Patientinnen und Patienten hätten in diesen Fällen kaum oder keine Symptome.“
Dasselbe berichten die Helios-Kliniken,
- Tim Röhn, Benjamin Stibi, „Großteil der Covid-Patienten in Helios-Kliniken nicht wegen Covid hospitalisiert“ welt, 27.03.2022, https://www.welt.de/vermischtes/plus237758181/Helios-Kliniken-Grossteil-der-Covid-Patienten-nicht-wegen-Covid-hospitalisiert.html
Nur 10% der Patienten mit positivem Test in Hessen sind auch wegen COVID im Krankenhaus, das gilt auch für die Intensivstationen. Wann fragt jemand Herrn Marx, „Deutschlands oberster Intensivmediziner“ danach? Wo soll da eine Überlastung drohen? Und Herr Marx hat 3x mehr Intensivbetten zur Verfügung als seine französischen oder schwedischen Kollegen.
Die größten Schwurbler hier im Land, macht Politik und wird als Kölsche Jeck erkannt.
- „Deutschlands Versorgungsdichte mit Intensivbetten im internationalen Vergleich hoch“, Statistisches Bundesamt – destatis, Pressemitteilung Nr. 119 vom 2. April 2020, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/04/PD20_119_231.html
Eine weitere mögliche Frage an die deutsche Intensivmedizin: auf deutschen Intensivstationen sind pro behandelten Menschen mehr Personen gestorben als im internationalen Vergleich. Das kann man im Ärzteblatt nachlesen. Warum ist das kein Thema für den FOCUS?
- Thomas Bein, Christian Karagiannidis, Steffen Weber-Carstens, Wolfram Windisch, Uwe Janssens, “ECMO-Einsatz bei COVID-19: Hohe Sterblichkeit in der Klinik“, Dtsch Arztebl 2022; 119(4): A-125 / B-108, https://www.aerzteblatt.de/archiv/222958/ECMO-Einsatz-bei-COVID-19-Hohe-Sterblichkeit-in-der-Klinik
„Das Ziel, die Überlebensrate von an COVID-19 erkrankten Patientinnen und Patienten durch den Einsatz eines innovativen, hoch technisierten Verfahrens zu verbessern, kann häufig nicht erreicht werden. Fragen wirft zudem eine erhöhte Sterblichkeit im internationalen Vergleich auf.“
Damit hatte die deutsche Medizin in ihrer Hauszeitung lediglich auf schon Bekanntes reagiert,
- Ursel Sieber, „Unnötig viele ECMO-Patienten sterben“, tagesschau/rbb, 14.12.2021, https://www.tagesschau.de/investigativ/rbb/ecmo-sterblichkeit-101.html
- Georg Restle, „Gefährliche Intubation: Könnten mehr Covid-19-Erkrankte überleben?“, WDR Monitor, 11.03.2021, https://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/video-monitor-vom–306.html
- Voshaar et al., “Conservative management of Covid 19 associated hypoxemia”, ERJ Open Research 2021; https://openres.ersjournals.com/content/early/2021/01/21/23120541.00026-2021
“Overall mortality was 7.7%, the mortality of intubated patients was 50%.”
Wann muss sich Herr Marx dazu äußern?
Stattdessen darf er für Experimental-Impfstoffe werben. Astra-Zeneca wird nicht mehr für die zweite Dosis (von derzeit drei) empfohlen. Wie ist man darauf gekommen?
- „Impfkommission rät AstraZeneca-Geimpften zu anderem Wirkstoff für zweite Dosis“, Ärzteblatt, 3. April 2021, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/122646/Impfkommission-raet-Astrazeneca-Geimpften-zu-anderem-Wirkstoff-fuer-zweite-Dosis
Es ist lächerlich, dass der FOCUS diese Ergebenheitsadresse als Journalismus verkaufen will. Selbst Bergamo muß wieder herhalten. Zurück auf Anfang, weil die angeblichen Experten nichts ausschließen können und sich deutsche „Journalisten“ in der Rolle des Stichwortgebers gefallen.
Geradezu verwegen mutet der Gedanken an, jemand aus dem Dunstkreis des FOCUS oder des ZDF könnte einmal einen politisch Verantwortlichen, z.B. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, danach fragen, was aus dem Geld des Steuerzahlers geworden ist?
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Grafikquellen :
Oben — Clinicians in Intensive Care Unit