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In der Opferecke ?

Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 3. Juli 2010

„Wir müssen aus der Opferecke raus“.

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Ein immerwährendes Thema über Israel, die Juden und Gaza. Wir haben vielfach Artikel und Berichte zu diesem Thema veröffentlicht. Heute ein Streitgespräch zwischen Iris Hefets und Stephan Kramer.  IE

Kann Israel jüdisch sein und demokratisch zugleich? Wer spricht für die Juden in Deutschland? Wie weit darf Israelkritik gehen?

Der Auslöser:

Ein Debattentext von Iris Hefets, der am 9. März 2010 in der taz erschien, schlug hohe Wellen. Unter der Überschrift „Auf Zehenspitzen gehen“ hatte die israelischstämmige Autorin kritisiert, das Andenken an den Holocaust werde mancherorts dazu missbraucht, jede Kritik an der israelischen Politik abzublocken. Eine Podiumsdebatte in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, die diesen Beitrag zum Anlass nehmen wollte, um über „Antisemitismus in deutschen Medien“ zu reden, endete mit einem Eklat. taz-Chefredakteurin Ines Pohl verließ das Podium. Auf einer Folgeveranstaltung am 26. Juni, von der taz organisiert, bot Stephan Kramer, der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland an, mit Iris Hefets zu debattieren. So kam es zu diesem Gespräch.
Hier der Debattentext von Iris Hefets „Pilgerfahrt nach Auschwitz“ auf „Demokratisch-Links“.

Iris Hefets

Hefets ist im Vorstand der „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden“. Sie arbeitet für das hebräische Internetportal www.kedma.co.il. Sie hat Israel vor acht Jahren aus politischen Gründen verlassen und lebt in Berlin. Ihr taz-Beitrag zu Israels Umgang mit jüdischer Kritik vom 9. 3. führte zu heftigen Diskussionen.

Stephan Kramer

Jahrgang 1968, ist seit 2004 Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, zuvor war er persönlicher Referent des damaligen Vorsitzenden Ignatz Bubis. Außerdem ist er Leiter des Berliner Büros des European Jewish Congress. Kramer ist als Erwachsener zum Judentum übergetreten.

taz: Herr Kramer, gibt es einen Antisemitismus in deutschen Leitmedien?

Stephan Kramer: Den gibt es. Warum muss ein Artikel über den Nahen Osten mit einem Foto des US-Präsidenten illustriert werden, der im Oval Office von ultraorthodoxen Juden umgeben ist? Das legt nahe, dass die USA von einer jüdischen Lobby dominiert werden. Und warum spricht man von jüdischen Siedlungen, wenn es um Israels Siedlungen im Westjordanland geht?

Was ist daran falsch? Muslime leben dort ja keine.

Kramer: Ich finde, dass man da begrifflich differenzieren muss. Denn wenn Sie es nur unter „jüdisch“ abbuchen, nehmen Sie alle Juden für diese Siedlungspolitik in Generalhaftung.

Iris Hefets hat in einem Artikel, der in der taz erschien, die Instrumentalisierung des Holocaust durch die israelische Politik angeprangert. Ist das für Sie ein Beispiel für Antisemitismus in der deutschen Presse?

Kramer: Nein. Mir gefällt ihre polemische Art nicht. Aber ich gebe ihr zumindest dahin gehend recht, dass der Holocaust von einzelnen Mitgliedern der israelischen Regierung und Teilen der israelischen Gesellschaft für politische Zwecke benutzt wird. In der Debatte über die atomare Bedrohung durch den Iran gab es Plakate, die Ahmadinedschad vor dem Tor von Auschwitz zeigten. Das geht nicht. Es gibt eine reale Bedrohung durch den Iran. Aber es ist falsch, diese als zweiten Holocaust darzustellen. Ahmadinedschad ist nicht Hitler.

Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Jewish cemetery in Cologne-Bocklemünd

SuperbassEigenes Werk

  • CC BY-SA 3.0
  • File:Juedfriedbockl1-07-03-25.jpg
  • Erstellt: 07-03.25

 

Ein Kommentar zu “In der Opferecke ?”

  1. Tsafrir Cohen sagt:

    Israel: Die innere Entdemokratisierung

    Die Arbeit der Ärzte für Menschenrechte in Tel Aviv steht unter Druck. Neue Gesetzesvorhaben sollen die Stimmen der israelischen Opposition einschränken.

    Während die israelische Regierung gegenüber dem Engagement von Menschenrechtlern in den besetzten Gebieten stets eine ambivalente Haltung einnahm, konnten ihre Kollegen in Israel bis vor kurzem relativ ungehindert arbeiten. Die Redefreiheit war gewährleistet, und der medico-Partner Ärzte für Menschenrechte – Israel (PHR) konnte auf professioneller Ebene mit Armee- und Regierungsstellen kommunizieren und nötigenfalls durch vorgesehene Kanäle Anliegen palästinensischer Einwohner vortragen. Doch seit den israelischen Angriffen auf den Gazastreifen um die Jahreswende 2008/09 stellt die israelische Regierung die Legitimität von Menschenrechtsorganisationen immer stärker in Frage. Ein Mitarbeiter der PHR wurde durch die Geheimdienste verhört und gewarnt, sich „politischen Aktivitäten“ zu Gaza zu enthalten. Mitglieder einer Kriegsdienstverweigererorganisation wurden verhaftet. Die Regierung eröffnete eine öffentliche Kampagne gegen den medico-Partner Breaking the Silence, der Zeugnisse israelischer Soldaten über die Operation ‚Gegossenes Blei‘ veröffentlichten. Und die Kanäle, durch die PHR mit den Behörden kommunizierten funktionieren immer seltener.

    Einschränkung des eigenen Universalprinzips

    Die Versuche, den Spielraum israelischer Menschenrechtler einzuschränken, kulminieren aktuell in zwei Gesetzesinitiativen. Der erste sieht die Aberkennung der Steuerfreiheit für Organisationen, die sich für gesellschaftliche und politische Veränderungen engagieren. Diese müssten sich als politische Organisation anmelden, die Liste ihrer Mitglieder an die Behörden weitergeben. Der zweite wendet sich speziell gegen israelische Organisationen, die vor der Goldstone-Kommission Zeugnis ablegten. Jede Aktion, die dazu führen könnte, dass Militärs oder Staatsvertreter internationalen Gerichtsverfahren ausgesetzt werden, soll künftig bestraft werden. „Damit könnten wir etwa vor künftigen UN-Kommissionen nicht mehr auftreten, ihnen nicht einmal Informationen zukommen lassen“, sagt Hadas Ziv, Geschäftsführerin der PHR. Dabei sei Israel eine führende Kraft hinter dem ‚Universalprinzip‘ gewesen, damit nationalsozialistische Verbrecher weltweit verfolgt werden können.

    Beide Gesetzesentwürfe stammen von Kadima. Also der Partei, die im westlichen Ausland stets als Alternative zu Netanjahus Rechtsaußenregierung gepriesen wird. „Deshalb sind diese Vorhaben so gefährlich. Ihr Ziel, die Delegitimierung von Organisationen wie amnesty oder PHR, kommt aus der Mitte unserer Gesellschaft.“ Das, was die Parlamentarier tun, entsteht nicht im luftleeren Raum. So textete Amir Benayun, einer der erfolgreichsten israelischen Sänger: „Ich bin Dein Bruder, ich schreite fort, mein Rücken Dir stets zugewandt – und Du wetzt das Messer“. Im Stil eines jüdischen Gebets, wurde das Lied Tausendfach in Synagogen verteilt. Den Adressat musste er kaum nennen. Ein jeder wusste, von welcher fünften Kolonne er sang.

    „Die Welt sympathisiert mit den Palästinensern, lässt ihnen aber nur humanitäre Hilfe zukommen“, sagt Hadas. „Für die Israelis hat die Welt immer weniger Empathie. Folglich nimmt sich Israel als eine Gesellschaft unter Belagerung wahr, die jede Abweichung vom Konsens als Verrat versteht. Gleichzeitig blüht die Wirtschaft und konnte das Land der OECD beitreten. Israel glaubt daher keine konkreten Schritte unternehmen zu müssen, um die Isolation zu überwinden. Aber für das Ende der Besatzung benötigen wir ein klares Signal: Ein wenig mehr Empathie bei gleichzeitigem Druck.“

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