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SZ – In der Druckkammer

Erstellt von Redaktion am Sonntag 20. Dezember 2020

Sparkurs bei der „Süddeutschen Zeitung“

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Von Anne Fromm

2020 war hart für alle Zeitungen. Aber bei keiner der großen wird jetzt so gespart wie bei der „Süddeutschen“. In der Redaktion kommt langsam Wut auf.

Die Süddeutsche Zeitung ist die größte seriöse Tageszeitung in Deutschland. Aus einem verspiegelten Hochhaus am Ostrand von München schaut sie auf die Alpen, auf Deutschland und die Welt. Krisen sind hier eigentlich für die Seiten der Zeitung vorgesehen. Doch in diesem Jahr haben die Krisen auch mit Wucht bei der SZ eingeschlagen. Es geht um Verlagsmanager, die ihre Mitarbeiter duzen, während sie zugleich sparen wie selten zuvor. Um Frauen, die bei der eigentlich linksliberalen SZ das Gefühl haben, an die gläsernen Decken des Hochhauses zu stoßen. Und um eine Redaktion, die ihre Arbeit nicht gewürdigt sieht. Kurz: um den holprigen Weg einer alten Institution ins 21. Jahrhundert.

Stellenabbau als Dank für die Kurzarbeit, so sehen das viele „SZ“-Mitarbeiter

Die Geschichte beginnt im April dieses Jahres. Da schickt der Verlag die Redaktion in Kurzarbeit. Weil, so sah das der Verlag, durch Corona weniger zu berichten sei. Im Gegenteil, erzählen SZ-Mitarbeiter: In den meisten Ressorts habe sich der Arbeitsaufwand extrem vergrößert. Und das wurde auch gelesen. Während der Verlag über neue Abo­rekorde jubelte, kürzte er seinen Mitarbeitern die Arbeitszeit – und bekam dafür Geld vom Staat.

Im September dann – die Kurzarbeit war gerade beendet – kündigten die Verleger etwas an, das sie „Effizienzprogramm“ nannten: 50 Leute sollten gehen, innerhalb von drei Monaten. Bis Freitag können sich Freiwillige melden. Wer länger als drei Jahre bei der SZ gearbeitet hat und geht, bekommt eine Abfindung.

Stellenabbau als Dank für die Kurzarbeit, so sehen das viele SZ-Mitarbeiter. Sie sind wütend auf die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), jenen Verlag, der die Zeitung seit 2008 mehrheitlich besitzt. Die SWMH habe mit der Süddeutschen einen Edelstein bekommen und schleife ihn nun „zu einem Isarkiesel“, sagte im September ein Redakteur vor der versammelten Belegschaft.

Die Sparer laden zum „Lunch“

Es werden wohl nicht ganz 50 Leute sein, die SZ freiwillig verlassen, eher 35, sagen Mitarbeiter. Am Jahresende dürfte die Redaktion der relevantesten Tageszeitung Deutschlands dann etwa um 10 Prozent geschrumpft sein. Ob dem Verlag das reicht, ist unklar. Gegenüber der taz will sich ein SWMH-Sprecher nicht äußern. Es gehen Sekretärinnen, aber auch Print- und Onlineredakteure. Namen, die das Haus geprägt haben, durch ihre Expertise oder ihre Haltung.

Aber schon vor dem Sparprogramm haben auffallend viele Mitarbeitende die SZ verlassen, vor allem junge, digital geprägte Frauen. Im Sommer gab außerdem Kurt Kister nach neun Jahren seinen Posten als Chefredakteur auf. Er stand für die Zeitung wie sonst nur der Apostel Heribert Prantl.

Kister ist jetzt leitender Redakteur der Zeitung. Über die heutigen Verleger der SZ könne man keine Fernsehserie drehen, jedenfalls keine lustige, schrieb er neulich in seinem Nachruf auf die Alt-Verlegerin Anneliese Friedmann auf der Seite 3. Es ist die Freiheit eines ehemaligen Chefredakteurs, der keine Rücksicht mehr nehmen muss auf die Launen einer Holding.

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Das Verhältnis zwischen Redaktion und Geschäftsführung ist in kaum einem Verlag freundschaftlich. Man hält Abstand. SZ-Redakteure erzählen aber, dass ihre Geschäftsführung präsenter im Redaktionsalltag geworden sei. Sie schreibe Mails, in denen sie die Mitarbeiter jetzt duze. Mitarbeiterversammlungen heißen neuerdings „Town Hall Meetings“, vor Corona lud Christian Wegner, CEO der SWMH, Angestellte zum „Lunch mit Christian“ in die Kantine ein.

Es ist der Versuch einer Unternehmenskultur wie im Silicon Valley. Nur dass die Süddeutsche eben kein Start-up ist.

Digitales läuft gut, aber nicht gut genug

Der Umbau von einem alten in ein neues Medienhaus ist die größte Herausforderung für alle Medienunternehmen. Er knirscht überall. Natürlich kann man auch die Konflikte bei der SZ als das übliche Geschimpfe von Angestellten auf ihren Arbeitgeber sehen. Aber bei keiner anderen Zeitung ballt es sich gerade so wie bei der Süddeutschen. Der Spiegel hat seine Online- und Printredaktion relativ harmonisch integriert und kam ohne Kurzarbeit durch das Jahr. Die Zeit vermeldet die höchste Gesamtauflage seit ihrer Gründung, und die FAZ gehört nicht Schwaben, die Silicon Valley spielen, sondern einer Stiftung, die nicht profitorientiert arbeitet.

Die SWMH will bis 2023 über 30 Prozent des Umsatzes aus digitalen Produkten generieren. Davon ist sie weit entfernt, heißt es aus Redaktionskreisen – und das, obwohl das Jahr nicht schlecht lief: Im Sommer vermeldete die SZ 150.000 Digitalabonnenten, doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Während der Spiegel sein Jugendangebot Bento einstampfte, steigerte jetzt.de, das junge Angebot der SZ, seine Klickzahlen.

Im Sommer veröffentlichte der Redaktionsausschuss der SZ einen Zehn-Punkte-Plan, der in der digitalen Transformation „als Kompass“ dienen soll. Die SZ verstehe sich „als Leuchtturm in einer unruhigen und unübersichtlichen Welt“, steht darin. Und: „Ein guter Text ist ein guter Text, egal ob dieser digital ausgespielt oder gedruckt wird.“ Es geht um Wertschätzung, um Diversität in der Autorenschaft und darum, die Digitalisierung als Chance zu begreifen. Einiges mag banal klingen, aber für eine altes Haus wie die SZ sind solche Sätze nicht selbstverständlich.

Spricht man mit Leuten, die für das Online-Angebot der SZ arbeiten, sagen die, der Zehn-Punkte-Plan sei weit entfernt vom Redaktionsalltag. Das hat auch strukturelle Gründe. Print und Online-Redaktion sind zwei verschiedene Gesellschaften. Die Printler haben bessere Arbeitsbedingungen als die Onliner, sind tarifgebunden, müssen vertraglich weniger arbeiten und werden im Schnitt besser bezahlt. Wenn beide nebeneinander an denselben Produkten arbeiten, wirft das Gerechtigkeits- und Machtfragen auf.

Immer wieder „eine von draußen“

Die Süddeutsche hat ein in dieser Form einzigartiges Gremium: die „Impressionisten“. Da versammeln sich all jene, die im Impressum stehen, also leitende Funktionen innehaben. Weil das fast ausschließlich Printler sind, können die Onliner bei wichtigen Entscheidungen kaum mitsprechen. Viele Onliner fühlen sich zurückgesetzt. Das schlage sich auch in der Arbeitskultur nieder, erzählen einige. Gelobt werde, wer einen Leitartikel in der Zeitung geschrieben habe oder eine Reportage auf der Seite 3.

Quelle    :    TAZ        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben      —    Hochhaus der SZ    –   Momentaufnahme der Kolonialsiedlung im Dezmeber 2017

Unten     —       Frankfurter Buchmesse 2017 – Das Blaue Sofa mit Ranga Yogeshwar. Moderator: Jo Schück

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