Es läuft, das darf man so sagen, nicht wirklich gut für das Team Annalena. Die Kranzniederlegung in Moskau war zwar, vom Völkerrecht her, durchaus mal ein Einstieg, wenngleich man schon beim Betrachten der Fotos ein wenig fröstelt und der Protagonistin einen ordentlichen Sankt Petersburger Zobelmantel wünscht. Aber der Heiko hätte das vielleicht im körpernahen Leinenanzug erledigt, und so wollen wir vorsichtshalber auch hier diplomatische Kontinuität signalisieren. Die Sache mit dem Sergej war dann schon eine etwas ernstere Nummer, und wirklich erschrocken sah er ja auch nicht aus, wie man zugeben muss. Immerhin ging’s noch ein Stündchen in die Kunstgalerie, sehr schön, sehr schön, und dann, mit 99 Luftballons hoch über das Aufmarschgebiet dahingebraust, wieder zurück beim Robert und bei der Katrin, die zwar nicht vom kursorischen Völkerrecht, aber immerhin von der abgebrochenen Theologie herkommt und schon allein deshalb gern mindestens fünf Weihnachtsansprachen gehalten hätte, aber auch hier: leider!
Und schon sind wir, liebe Leser, beim Weihnachtsgeld. Manche Arbeitgeber müssen es zahlen, manche möchten, fast alle dürfen. Man kann das aus Freude über das Erscheinen des Sterns von Bethlehem machen, oder weil der Sprit aus dem Morgenland so teuer ist, oder einfach nur so, per Dauerauftrag. Man darf es auch für besondere Leistungen in Wahlkämpfen verteilen, wobei der eigentliche Gewinn ja das Mandat sein sollte, weswegen man den Gehaltsbonus wohl eher dem vorschriftsmäßig indigenen Sklaven der Cree und nicht der Indianerhäuptlingin zuwenden sollte. Aber das macht ein jeder Vorstand, wie er will.
Nach dem Weihnachtsgeldirrtum und dem Wissenschaftsirrtum und dem Völkerrechtsirrtum jetzt auch noch dieser Coronabonus-Lapsus! Wobei »jetzt« ja ein wenig übertrieben ist: Die Rechnungsprüfer, die man sich bei den Grünen – metaphorisch und vorurteilsgesteuert, wie wir sind – vielleicht allesamt als magere protestantische Briefmarkensammler vorstellen darf –, haben der Partei der entschlossenen Modernisierung ja schon vor einem Jahr gesagt, dass es so eigentlich nicht geht, jedenfalls nicht, wenn Recht, Gesetz und Geheimsatzung noch einen Wert haben in dieser Welt.
Kassenprüfung
Wo ein Rechnungsprüfer ist, ist ein Anzeigeerstatter nicht weit, das mussten schon viele erleben. Denn der Bürger als solcher wacht mit Adleraugen und Zivilcourage darüber, dass kein Moralsünder sich davonstehlen kann, kein Steuerschlupflochausnutzer außer ihm selbst davonkommt und kein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ungesühnt bleibt. Außerdem sind Politiker sowieso alle überbezahlt und regelmäßig in der falschen Partei. Auf diesem fruchtbaren Acker wächst ein Urwald von Verdachtslagen, Mutmaßungen und vertraulichen Hinweisen.
Nun also hat die Staatsanwaltschaft Berlin die Sache in der Hand, eine Behörde von gewaltiger Schlagkraft und eisernen Nerven. Der Tatvorwurf lautet »Untreue«, und das ist ein dogmatisch schwieriger, moralisch plakativer und politisch fast tödlicher Tatbestand, wenn man einmal von schwarzen Kassen und eisern gehaltenen Ehrenworten absieht.
Untreue heißt es, wenn eine Person, die eine sogenannte Vermögensbetreuungspflicht oder sogar eine Befugnis zur Verfügung über fremdes Vermögen hat, dem Berechtigten/Eigentümer dieses Vermögens einen wirtschaftlichen Nachteil – Vermögensschaden – zufügt. Das kann durch aktives Tun, aber auch durch pflichtwidriges Unterlassen geschehen, und der Nachteil für das geschützte Vermögen muss nicht unbedingt spiegelbildlich zu einem Vorteil für den Täter selbst oder einen Dritten führen: Es reicht, wenn der Täter das fremde Geld buchstäblich aus dem Fenster oder in den Schredder wirft.

In unserem Fall geht es um eine ganz normale kleine Nachteil-Vorteils-Kombination in Gestalt eines »Coronabonus«, den sich der Vorstand der Partei für Transparenz und Anstand nach Meinung seiner eigenen Rechnungsprüfer entgegen den satzungsmäßigen Bestimmungen höchstpersönlich selbst genehmigt haben soll. Wenn man karrieremäßig da angekommen ist, wo das keiner mehr merkt, ist man entweder Geschäftsführer einer demnächst insolventen GmbH oder Vorstand von irgendwas.
Nun geht die Parteikasse der Grünen natürlich den anonymen Wahlbürger und Anzeigeerstatter nicht persönlich etwas an, denn das Geld in dieser Kasse stand der Partei infolge der kargen Zuwendungen aus den Steuermitteln, die sie erhält, rechtmäßig zu. Da wir gelernt haben, dass das unrechtmäßige Beanspruchen von Steuermitteln jetzt »Raub« heißt, damit das ganze Ausmaß der Empörung sich Bahn brechen kann, halten wir also fest: Aus Sicht des steuerzahlenden Wutbürgers stellt sich weder die Frage, ob man Hehlerei an Parteienfinanzierungszuwendungen begehen kann, noch die Frage, ob auch Räuber gegen Untreue geschützt sind (was zwar Unsinn, aber wieder herrschende Meinung ist, seitdem der 2. Strafsenat des BGH die Ordnung wiederhergestellt hat).
Sondern es geht einfach um den stinknormalen Griff in die Portokasse, in diesem Fall in die Coronakasse. Wir lesen seit vorgestern, das sei ja nun wirklich nicht der Rede wert, da es sich nur um sechsmal 1.500 Euro handele, also eine Summe, für die man auf der Gorch Fock bestenfalls einen Fenstergriff in der Kombüse sanieren könnte. Andererseits: Wir denken an gewisse Fälle, in denen Supermarktkassiererinnen und Pfandzettel vorkamen. Und mal ehrlich: Hätten wir den Heiko zu Herrn Lawrow schicken wollen in Kenntnis sagen wir mal des (fiktiven) Umstands, dass er seine Krawatte in der Herrenboutique »Lui et Moi« geklaut hatte, weswegen ihn nun die brutalstmögliche Aufklärungsbehörde beim Rechercheverbund angeklagt habe?
Staatsanwalt
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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