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Hoffen und Sterben

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 9. September 2015

Flucht und Abschottung in Zeiten globaler Krisen

von Thomas Gebauer

Derzeit vergeht kaum eine Woche, in der nicht erneut hunderte Flüchtlinge von wackeligen Booten aus dem Mittelmeer gerettet werden. Für viele aber kommt jede Hilfe zu spät. Mit den verstörenden Nachrichten kehrt ein Problem zurück ins öffentliche Bewusstsein, das zumeist verdrängt wird: das millionenfache Elend von Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen oder durch Klimaveränderungen und den Verlust ihrer Lebensgrundlagen zur Migration gezwungen werden. Davon bekommen wir in der Bundesrepublik jedoch nur wenig mit: Die Verschärfung der Asyl- und Aufenthaltsgesetze sowie die militärische Abschottung der europäischen Außengrenzen hat das Ausmaß der weltweiten Flucht- und Migrationsbewegungen hierzulande weitgehend unsichtbar gemacht.

Von den 200 bis 300 Millionen Menschen, die gegenwärtig fern ihrer Heimat leben, sind 16,7 Millionen Kriegs- und politische Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, weitere 33 Millionen sogenannte Binnenvertriebene. Seit es immer schwerer fällt, im Falle von bewaffneten Konflikten Zuflucht in einem sicheren Ausland zu finden, ist die Zahl der Binnenvertriebenen stetig angestiegen. Sie fallen zwar nicht offiziell unter das Mandat des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), im Rahmen bilateraler Übereinkünfte kann die UN-Behörde dennoch auch Binnenvertriebenen zur Seite stehen.

Keinen Rechtsanspruch auf Unterstützung haben dagegen jene Flüchtlinge, die aufgrund ökologischer Krisen wie Dürrekatastrophen oder Überschwemmungen ihrer Lebensgrundlagen beraubt werden. Seit der Jahrtausendwende soll sich die Zahl der Klima- und Umweltflüchtlinge der International Organization for Migration (IOM) zufolge von 25 auf 50 Millionen verdoppelt haben; für das Jahr 2050 werden bereits 200 Millionen Umweltflüchtlinge prognostiziert.  Problematisch ist das auch deshalb, weil der völkerrechtliche Status dieser Gruppe von Flüchtlingen völlig ungeklärt ist. Die Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahre 1951 regelt nur die Rechtsstellung von Menschen, die aufgrund von Verfolgung und Krieg in die Flucht getrieben werden, nicht aber jener Menschen, die infolge von Umweltveränderungen heimatlos werden.

Den größten Anteil an der gegenwärtigen globalen Migration aber haben Menschen, die sich auf der Suche nach einem besseren Leben befinden. Meist ist es ein Mix aus Armut, Ausbeutung, Gewalt, Umweltkatastrophen und Chancenlosigkeit, der sie zur Flucht bewegt. Es sind Menschen, die auf Überleben und Teilhabe drängen, die sich mit aufgezwungener Bedeutungslosigkeit und sozialem Ausschluss nicht abfinden wollen. Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte garantiert zwar das Recht zur Auswanderung, nicht aber eine Staatenpflicht zur Aufnahme.

Nach Europa schaffen es die wenigsten

Auf die neuen Fluchtursachen findet das europäische Asylrecht jedoch noch längst keine angemessene Antwort. Seine Wurzeln reichen zurück in Zeiten, die von den Auseinandersetzungen um die Schaffung bürgerlicher Demokratien geprägt waren. Damals war es in erster Linie das aufstrebende Bürgertum selbst, das sich gegenseitig Asyl gewährte. Asyl bekamen die intellektuellen Gegner repressiver Regime, aufgeklärte Lehrerinnen und Lehrer, verfolgte Journalisten, Künstler, Literaten. Auch heute noch suchen Menschen aufgrund politischer Verfolgung Asyl. Die Mehrzahl der Flüchtlinge aber macht sich nicht mehr auf den Weg, weil sie in Konflikt mit heimischen Autoritäten geraten ist, sondern einfach, weil sie das Pech hatte, an einem falschen Ort der Welt geboren worden zu sein. Ihr einziges „Vergehen“ ist es, dass sie das, was in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung mit pursuit of happiness – dem Streben nach Glück – gemeint ist, ernst nehmen und auch für sich und die eigene Familie ein gutes Leben beanspruchen.

Quelle: Blätter >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Wikipedia – Author PH1 Robert R. McRill

This image is a work of a U.S. military or Department of Defense employee, taken or made as part of that person’s official duties. As a work of the U.S. federal government, the image is in the public domain.

Ein Kommentar zu “Hoffen und Sterben”

  1. Hans Herrmann sagt:

    Mit den Flüchtlingen soll offenbar ein neuer Sklavenmarkt geschaffen werden.
    Der „neue Sklavenmarkt“ erleichtert Firmen, die bereits in Ländern billig produzieren billige Arbeitskräfte a la Bangladesch.
    Hoffentlich irre ich.

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