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Helmut Kohls linke Hand

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 13. September 2017

Nachruf auf Heiner Geißler

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von Jan Feddersen

Er war ein früher Wegbereiter von Schwarz-Grün und brachte seiner Partei die sogenannte Frauenfrage näher. Heiner Geißler machte die CDU moderner.

Bei seinem Ausscheiden aus dem Bundestag vor 15 Jahren war er in seiner Partei schon ein Fossil. Keiner, auf den es ernsthaft noch ankam – nicht für die Tektonik der Macht, für die Vibrationen um parlamentarische oder parteiinterne Konstellationen. Heiner Geißler hatte das alles hinter sich, er war allein als Name wichtig – aber was für ein großer.

Linken und Grünen wurde er mit zunehmendem Alter lieb. Er engagierte sich ab 2007 für die globalisierungskritische Organisation Attac und bekam Applaus von der linken Opposition; etwa dafür, dass es eine Lüge sei zu behaupten, es gebe nicht genug Mittel zur Armutsbekämpfung. Im Gegenteil: „Es gibt auf der Erde Geld wie Dreck. Es haben nur die falschen Leute.“ Für ihn stand fest: „Das ist der Skandal: dass die Politik sich nicht gegen das Diktat der Finanzmärkte durchsetzen kann.“

Ähnlich konnte man ihn auch 2005 vernehmen, als Geißler im Panter-Preis-Kuratorium der taz mitwirkte und sich besonders für die Auszeichnung zweier junger muslimischer Männer verwandte, die im Berliner Brennpunktbezirk Neukölln eine Aktion für das Selbstbestimmungsrecht muslimischer Frauen lanciert hatten. Ein ausgesprochen freundlicher, fast einschüchternd kraftgeladener Mann.

Das machte seine Beliebtheit bei Jüngeren aus: wie er sich empören konnte. Das Publikum durfte den Eindruck gewinnen: Das ist ein Politiker, der mit den Jahren gewiss an Milde gewinnt, aber das Zornige, das Energische, das Intervenierende nicht lässt. Heiner Geißler, der wichtigste Mann beim Prozess der Modernisierung der CDU seit Mitte der sechziger bis Ende der achtziger Jahre, war ein körperlich extrem fitter Mann, dessen Bewegungen selbst beim Immer-älter-Werden irgendwie noch juveniler wirkten als so viele der Nachwuchskräfte, die sich aktuell in Stellung bringen.

Über Kriegsdienstverweigerung promoviert

Heinrichjosef Georg Geißler wurde 1930 im schwäbischen Oberndorf am Neckar geboren. Schon als Kind lernte er zu klettern und bergzusteigen. Nach dem Krieg besuchte er ein Jesuitenkolleg im Schwarzwald. Er trat dem Orden bei, verließ ihn jedoch vier Jahre später wieder. Er studierte stattdessen Philosophie und später Jura, promovierte über Kriegsdienstverweigerung.

Geißler, das war auch die körperliche Lust am Politischen. Davon abgesehen, dass ihm diese Position, im Licht der TV-Kameras zu stehen, auch eitel gefallen haben dürfte: Dieser frühere Generalsekretär der CDU, Vater dreier Kinder, war einer der meistgebuchten TV-Gäste bei TV-Talkshows, gerade wenn sie um Allerweltsthemen sich drehten.

Heiner Geißler war freilich für alle, die links der CDU standen, meist ein Ärgernis, ein, wie es seitens der SPD und der Grünen hieß, „Hetzer“ und „Demagoge“. So sagte er, Nationalsozia­listen seien ja auch Sozialisten gewesen, was die Sozialdemokraten zutiefst beleidigte. Aber er hatte ja recht, der Provokateur: NS-Deutschland hatte erfolgreich die Wünsche der arbeitenden Klassen absorbiert.

Schon im Sommer 1983 antwortete er im Bundestag auf ein Spiegel-Interview der Grünen Joschka Fischer und Otto Schily auf giftig-raffinierte Art: „Herr Fischer, ich mache Sie als Antwort auf das, was Sie dort gesagt haben, auf Folgendes aufmerksam: Der Pazifismus der dreißiger Jahre, der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem heutigen unterscheidet [. . .] hat Auschwitz erst möglich gemacht.“

Und das rotgrüne Milieu im Bunde mit Liberalen wie Hildegard Hamm-Brücher reagierte wütend: Wie konnte er den Kritisierten auch nur spurenweise attestieren, im Pazifismus eines Carl von Ossietzky etwa das Gesinnungsfutter für den Holocaust zu entdecken? Später, Wohlmeinende sagten, zu spät, präzisierte Geißler, er habe mit seiner Sottise Großbritannien und Frankreich gemeint, die viel zu friedlich auf die Aufrüstungs- und Okkupationspolitik vom NS-Deutschland reagiert hätten.

Indirekte Liebesbekundung an die Grünen

Quelle   :   TAZ >>>>>> weiterlesen

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Grafikquelle    :    Heiner Geißler in der WDR-Sendung „Maischberger“ am 14.6.2017

 

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