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Heiner Flassbeck

Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 21. Februar 2010

„Dann bricht Europa auseinander“

File:Mr. Heiner Flassbeck, Director, Division on Globalization and Development Strategies of UNCTAD (8008835906).jpg

Heiner Flassbeck über die tiefer liegenden Gründe der Währungskrise

Der Freitag: Herr Flassbeck, Griechenland hat einen Anteil von 2,6 Prozent am BIP der Eurozone. Warum ist es gefährlich für den Euro, wenn dieses Land zusammenbricht?
Heiner Flassbeck: Erstens bricht Griechenland nicht zusammen, und zweitens wäre das nicht gefährlich.

Die ganze Panik im Moment ist doch nur ein unglaublicher Hype.

Nur ein Hype?

Natürlich. Der kommt von unserem unerschütterlichen Glauben in die Weisheit der Finanzmärkte. Man muss sich einmal vorstellen, dass die Institutionen, die in der Finanzkrise total versagt haben, Rating-Agenturen, ein Land der Euro-Zone herunterstufen und sofort alle Finanzminister ganz aufgeregt sind, anstatt zu sagen: ,Wieder so eine lächerliche Rating-Agentur! Wir nehmen das überhaupt nicht ernst‘.

Also ist die Situation in der sich Griechenland derzeit befindet für Sie kein Problem?

Doch, Griechenlands Haushaltslage ist ein Problem, aber nicht das zentrale Problem. Das eigentliche Problem sind die gewaltigen Unterschiede in den Wettbewerbsfähig‑ keiten der Eurozone, also die Differenzen bei den Lohn-Stück-Kosten und die Defizite in den Leistungsbilanzsalden.

Das müssen Sie erklären.

Die Lohn-Stück-Kosten, also die Höhe der Arbeitskosten im Verhältnis zur Arbeitsproduktivität, sind die entscheidende Messgröße für Wettbewerbsfähigkeit in einer Währungsunion, wo es ja keine Wechselkurse mehr gibt. Vergleicht man 2009 mit 1999 sieht man, dass sich Deutschland durch Lohndumping seit Jahren einen absoluten „Vorteil“ gegenüber den südeuropäischen Ländern und Frankreich geschaffen hat. Normal sollte eine Lohn-Stück-Kosten- Steigerung von zwei Prozent jährlich sein, weil es auch ein Inflationsziel von zwei Prozent gibt. In Deutschland liegt sie bei null. Das heißt, dass jedes vergleichbare Produkt in Deutschland heute 25 Prozent billiger ist als in Südeuropa. Das ist für die Währungs‑ gemeinschaft tödlich, denn kein Land kann dauerhaft damit leben, dass es ständig Marktanteile an ein anderes Land verliert.

Wie kann dieses Problem gelöst werden?

Nur auf dem Wege, dass man verhindert, dass die anderen Länder auf Dauer gegenüber Deutschland verlieren. Wenn Deutschland jetzt seine Löhne über 15 Jahre jedes Jahr um fünf Prozent steigen ließe, und in den Staaten Südeuropas bei unveränderter Produktivität im gleichen Zeitraum die Löhne um nur zwei Prozent stiegen, würde sich die Lücke schließen. Deutschland würde darunter aber nicht leiden. Es würde bis 2025 immer noch Marktanteile gewinnen. Erst wenn die Lohnentwicklung danach noch 20 Jahre so weiter verlaufen würde, verlöre Deutschland seine gewonnenen Marktanteile wieder.

Was kann Griechenland jetzt tun?

Gar nichts. Sie können sich jetzt nur weiter in die Krise wirtschaften, indem sie ihr Staatsdefizit mit Gewalt reduzieren. In einem Jahr wird man dann sehen, dass es so nicht geht, und dann bin ich gespannt, wie es politisch dort und hier weiter geht. Griechenland ist nicht bankrott. Aber den Haushalt herunterzufahren wird nicht funktionieren, weil sie mitten in der Rezession stecken. Und dann wird man in einem Jahr vor den Scherben dieser Politik stehen und sich die Frage stellen: Lässt man es jetzt auseinander brechen oder fängt man an, ernsthaft über die Probleme nachzudenken.

Was sagen Sie zu dem Vorschlag eines Eurobeistandspaktes, der Euro-Reserven für Staaten bereit hielte, die in eine Währungskrise gestürzt sind?

Quelle : Weiterlesen >>>> Der Freitag

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Fotoquelle : This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic license.

Source Mr. Heiner Flassbeck, Director, Division on Globalization and Development Strategies of UNCTAD
Author UNCTAD
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