Hannibals Schattenarmee
Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 17. November 2018
Rechtes Netzwerk in der Bundeswehr
Von Martin Kaul, Christina Schmidt und Daniel Schulz
Er ist der Kopf eines bundesweiten Untergrundnetzwerkes – mit besten Verbindungen in deutsche Behörden.
Am 13. September 2017, einem Mittwoch, bekommt André S. in Sindelfingen Besuch vom Geheimdienst der Bundeswehr. Mal wieder. S. ist Soldat beim Kommando Spezialkräfte in Baden-Württemberg. Er gehört zu den am besten ausgebildeten Soldaten der Bundeswehr, ein Elitekämpfer. Der Mann, der ihn besucht, ist ein Oberstleutnant des Militärischen Abschirmdiensts. Er ist gekommen, um S. über rechtsextreme Tendenzen in seiner Kompanie zu befragen.
Für S. ist das kein ungewöhnlicher Termin. Seit Längerem schon trifft er sich regelmäßig mit dem MAD. Die Aufgabe des Nachrichtendiensts der Bundeswehr ist es, extremistische Entwicklungen innerhalb der Armee zu erkennen und zu verhindern. Der MAD nennt S. eine „Auskunftsperson“.
An diesem Tag im September bekommt S. für seine Auskünfte offenbar etwas zurück: Der MAD-Mann berichtet ihm wohl von Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen ein geheimes Netzwerk von Männern, die geplant haben sollen, Politiker und Aktivisten aus dem linken Spektrum zu töten. Die Bundesanwaltschaft sieht darin die Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewalttat – Terror also.
Von den Razzien, die es kurz zuvor in Norddeutschland gegeben hat, weiß André S. zu diesem Zeitpunkt bereits. An diesem 13. September soll er aber erfahren haben, dass weitere Durchsuchungen und Befragungen kurz bevorstehen. So steht es in einer Anklageschrift des Amtsgerichts Köln, das zurzeit einen Prozess gegen den MAD-Mitarbeiter wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses führt.
Prepper und eingewecktes Gemüse
Denn: André S. soll dadurch gewarnt worden sein. Und S. ist niemand Geringeres als der Kopf eines bundesweiten Netzwerks, das im Zentrum weitreichender Ermittlungen steht. Sein Deckname ist Hannibal.
Seit einem Jahr recherchiert ein Team der taz zu der Frage: Gibt es ein rechtes Untergrundnetzwerk in Deutschland, in dem sich Regierungsgegner vernetzen, radikalisieren und gezielt auf bewaffnete Kämpfe vorbereiten? Gibt es ein Netzwerk, das hineinreicht in deutsche Behörden, in Verfassungsschutzämter und bis in die oberen Etagen der Bundeswehr?
Dabei stießen wir auf Prepper, die sich mit eingewecktem Gemüse versorgten, recherchierten zu Ermittlungen der Bundesanwaltschaft, deren Beamte zunächst glaubten, Rechtsterroristen in Norddeutschland gefunden zu haben. Wir lasen geheime Telegram-Chats und redeten mit Männern, die zwar bei rechtsextremen Verlagen Bücher bestellten, aber ihre völkische Gesinnung nicht für bedenklich hielten.
Als wir im Dezember 2017 den ersten größeren Text über das „Kommando Heimatschutz“ veröffentlichten, wussten wir noch nicht, wer sich hinter dem Pseudonym Hannibal verbarg. Hannibal, sagte uns jemand, sei der Administrator eines bundesweiten Chatnetzwerks sogenannter Prepper. Wir fragten uns damals: Ist es denkbar, dass Hannibal Mitglied der Bundeswehr ist und direkt aus der Bundeswehr heraus ein Untergrundnetzwerk mitaufgebaut hat?
Wir kennen Hannibals Namen
Heute kennen wir Hannibals vollen Namen. André S., geboren 1985 in Halle an der Saale, ist Mitglied des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr in Calw. Er ist Gründer und Vorsitzender eines Vereins mit Postadresse in Dormagen, Nordrhein-Westfalen, in dem sich Elitekämpfer organisieren. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes kürzen wir seinen Nachnamen ab.
Nach einem Jahr fügt sich aus unseren Recherchen ein Bild, das keinen anderen Schluss zulässt: Überall in Deutschland, auch in Österreich und der Schweiz, haben sich Gruppen formiert, die daran arbeiten, einen eigenen Staat im Staate aufzubauen. Mitglieder in diesen Gruppen sind Polizisten und Soldaten, Reservisten, Beamte und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die unter konspirativen Bedingungen einen Plan hegen: Wenn sie die Zeichen sehen, wenn „Tag X“ da ist, wollen sie zu den Waffen greifen.
Manche ihrer Pläne sind erschreckend konkret. Der Focus schreibt von einer „Untergrundarmee“. Wie ein Netz sind die Gruppen miteinander verbunden. Unsere Recherchen ergeben, dass die einzelnen Fäden immer wieder zu einer Person führen: Hannibal.
Wer ist dieser Hannibal? Wie kann es sein, dass administriert vom Gelände der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw bundesweit extremistische Zellen entstehen? Und wie kann es sein, dass der MAD Hannibal sogar noch warnt?
Misstrauen an den Staatsdienern
Ende August 2017. Der Generalbundesanwalt lässt in Mecklenburg-Vorpommern Wohnhäuser und Büros durchsuchen. Unter anderem von einem Anwalt und einem Kriminalpolizisten. Der Vorwurf: Sie sollen sich verabredet haben, an einem „Tag X“ Politiker und Menschen aus dem linken Spektrum festzusetzen oder zu liquidieren. Die Ermittlungen dauern an.
Das Besondere damals ist: Die Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft misstrauen den Staatsdienern im Norden. Landespolizisten werden nicht einbezogen. Selbst der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns wird erst unmittelbar vor den Razzien informiert. Denn der verdächtige Anwalt und der Polizist agierten nicht allein. Sie weihten in ihre Pläne unter anderem einen SEK-Polizisten und einen ehemaligen Soldaten ein, der damals noch einer Reservistenkompanie vorstand, die sich auf einen Einsatz beim G20-Gipfel in Hamburg vorbereitete.
Diese Männer sind Teil einer größeren Gruppe, die sich auf Katastrophen vorbereitet, Stromausfälle, Stürme und Nahrungsmittelknappheit, auf Momente, in denen der Staat seine Bürger nicht mehr versorgen kann. Sie organisieren sich in mehreren Chatgruppen in Norddeutschland. Eine von ihnen heißt Nordkreuz, eine heißt Nord.Com, mal geht es darin um Impfstoffknappheit, mal um Truppenbewegungen in Osteuropa.
Eine dritte Gruppe heißt Nord. Es ist Hannibal, der diese Gruppe mit vertraulichen Informationen und Lagebildern aus dem Inneren der Bundeswehr versorgt. In der Gruppe erzeugen seine Nachrichten das Gefühl, zu einem inneren Zirkel zu gehören, der einen Wissensvorsprung hat. Es ist auch kein Zufall, dass diese Gruppen im Herbst 2015 entstehen, denn es geht auch um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung – und wie man sich dagegen wehren kann.
Wettschießen bei der Geburtstagsfeier
An einem Abend Anfang 2017 treffen sich vier Männer, darunter der beschuldigte Polizist sowie ein weiterer und der Reservist bei einem Stehimbiss an einer Landstraße nahe Schwerin. Sie sprechen über Lagerhallen, in denen sie am „Tag X“ ihre politischen Gegner internieren wollen. Könnte der Kompaniechef der Reservisten im Ernstfall dafür nicht Lastwagen der Bundeswehr organisieren?
Ließen sich so auch mögliche Straßenkontrollen überwinden? Sie reden auch über Erschießungen. Im Laufe des Gesprächs soll auch das Wort „Endlösung“ gefallen sein. Das sagen Menschen, die mit den Vorgängen betraut sind, der taz.
Sie erzählen auch: Der beschuldigte Anwalt hatte bei Geburtstagsfeiern hinter seinem Haus ein Wettschießen veranstaltet und einen Wanderpokal dafür ausgelobt – benannt nach Mehmet Turgut, einem Mann, den die rechtsextremistische Terrorzelle NSU im Jahr 2004 erschossen haben soll. In Rostock. Sein Mord ist bis heute nicht aufgeklärt.
Aus Ermittlungsunterlagen, die der taz vorliegen, geht hervor, dass Mitglieder dieser Nord-Gruppe bereits Depots mit Treibstoff, Nahrungsmitteln und Munition angelegt haben sollen. Jeder von ihnen zahlte dafür etwa 600 Euro in eine gemeinsame Kasse. Jenseits der Chatgruppe gab es noch weitere Unterstützer – etwa den Betreiber eines Schießstandes Nahe Rostock. Er verließ zwar den Chat, verkaufte den Mitgliedern aber weiterhin Waffen. Oder ein Ausbilder am Fliegerhorst der Bundeswehr in Laage, wo Eurofighter stationiert sind. Er lud seine Freunde nach Dienstschluss in den Sicherheitsbereich. Dort durften sie im Flugsimulator den Eurofighter fliegen.
Die Süd-Gruppe
Nach den Razzien vom August 2017 war der Aufklärungswille des zuständigen Innenministers, Lorenz Caffier (CDU), überschaubar. Er richtete eine sogenannte Prepper-Kommission ein. Befund bislang: Es gibt kein Problem. Einen Bericht hat die Kommission ein Jahr später noch nicht vorgelegt.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafkquellen :
Oben — Die Falckenstein-Kaserne in Koblenz
Author | Holger Weinandt / Source : Own work |
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2.) von Oben — — die Prepper – immer in Bereitschaft eine Kugel rauszulassen
A coalition forces member maintains security from a light tactical all-terrain vehicle during a patrol with Afghan National Army Special Forces to escort an Afghan district governor in Helmand province, Afghanistan, April 14, 2013. Afghan National Security Forces took the lead in security operations to bring security and stability to Afghanistan.
VIRIN | 130414-M-BO337-123 |
Gallery page | http://www.defenseimagery.mil/imagery.html?&guid=c392825354a589377652a597a38f585f80454ed3 |
Author | Sgt Pete Thibodeau |
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Public domain photograph from defenseimagery.mil. |
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Unten — Treffen des US-Verteidigungsministers James N. Mattis mit der deutschen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Pentagon in Washington, D.C.
Source | 170210-D-GY869-040 |
Author | U.S. Air Force Staff Sgt. Jette Carr, Jim Mattis |
Public domainPublic domainfalsefalse |
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