Gysi über Wagenknecht
Erstellt von DL-Redaktion am Mittwoch 6. Juni 2018
„Sahra ist keine Göttin, und das weiß sie auch“
Von Markus Decker
Der ehemalige Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi äußert sich vor dem Bundesparteitag der Linken, der am Freitag in Leipzig beginnt. Er spricht über Flüchtlinge, Sahra Wagenknecht als Ikone und Pläne einer linken Sammlungsbewegung.
Herr Gysi, 2012 sprachen Sie von Hass in der Linken. 2018 sprach Ihr Parteifreund Alexander Ulrich erneut von Hass. Es hat sich also nichts geändert.
Das glaube ich nicht. Damals schien die Leitung der Fraktion kaum noch möglich – bei dieser Art von gegenseitiger Anbrüllerei und Ablehnung. Jetzt haben wir einen Konflikt auf einer anderen Ebene, der auch inhaltlich auszumachen ist
Damals war es nur ein Machtkampf?
Nein, natürlich ging es auch immer um inhaltliche Fragen. Aber es gab nicht die Kernfrage, die im Vordergrund stand. Heute haben wir einen Konflikt zwischen der Parteiführung und zumindest einem Teil der Fraktion um die Frage: Beantwortet die Linke die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, eher national oder eher internationalistisch?
Wie ist Ihre Antwort?
Ich versuche, auf diese Kernfrage eine internationalistische Antwort zu geben. Und ich suche die Einheit der Linken, sowohl in Deutschland als auch in Europa. Schließlich bin ich der Vorsitzende der Europäischen Linken. Die Antwort zu finden, klingt aber leichter, als es ist.
Eigentlich sind linke Parteien ja per se internationalistisch. Andererseits werden Flüchtlinge von Teilen der linken Klientel als Konkurrenz empfunden. Wie kommen Sie aus dem Dilemma raus?
Die einen sagen, wir haben so und so viele Wähler an die AfD verloren. Ich sage, wir haben mehr Wählerinnen und Wähler hinzugewonnen, und zwar in absoluten Zahlen. Das heißt wiederum nicht, dass ich froh bin, dass wir die anderen verloren haben. Entscheidend ist die Antwort auf die Frage: Komme ich ihnen in ihrem Denken und Fühlen entgegen? Oder versuche ich, sie vom Gegenteil zu überzeugen? Ich will sie vom Gegenteil überzeugen.
Und Sie halten das für möglich?
Ja. Kürzlich kam eine Hartz IV-Empfängerin in meine Sprechstunde. Sie hatte beim letzten Mal AfD gewählt und sagte, die Flüchtlinge nähmen ihr alles weg. Da habe ich gefragt: Ist Ihnen wegen der Flüchtlinge Hartz IV gekürzt worden? Daraufhin antwortete sie: Nein. Daraufhin habe ich gefragt: Was haben die Flüchtlinge denn dann an ihrer Situation verändert? Und wenn die Flüchtlinge nicht da wären: Glauben Sie wirklich, Sie bekämen dann mehr Geld? Auf diese Weise kann man erreichen, dass Köpfe anfangen zu qualmen. Aber die Kommunen müssen dann auch entsprechend dem Vorschlag von Gesine Schwan den doppelten Betrag der Kosten für die Integration der Flüchtlinge erhalten, um die Infrastruktur entwickeln zu können. So kann es attraktiv werden, Flüchtlinge aufzunehmen. Für mich ist im Übrigen einer der wichtigsten Sätze von Karl Marx: „Proletarier aller Länder vereinigt Euch!“ Denn er bedeutet, dass man sich nicht durch Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus gegeneinander aufhetzen lassen sollte. Allerdings bin ich schon der Meinung, dass wir die Flüchtlinge über unsere Grundwerte und Grundrechte unterrichten sollten, also über Artikel 1 bis 20 des Grundgesetzes. Dazu gehört auch, den Menschen zu sagen: Männer und Frauen sind hier gleichberechtigt.
So einen Grundwerteunterricht hat die CSU kürzlich vorgeschlagen.
Quelle : Berliner – Zeitung >>>>> weiterlesen
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Deutsch: am 13. Juni 2015 bei dem Pressefest von Neues Deutschland, Berlin English: on June 13th, 2015 at the Press Festival of the newspaper ND, Berlin