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Ghana – Kein guter Ort

Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 28. Februar 2019

Auf der weltgrößten Elektroschrotthalde in Accra leben 40.000 Menschen

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Von Michael Krätke

Agbogbloshie ist ein unwirklicher Ort. So erzählten es mir Studierende, die die größte Elektroschrottmüllhalde der Erde bei einer Exkursion mit eigenen Augen gesehen hatten: Nicht weit vom Zentrum der Millionenstadt Accra, der Hauptstadt Ghanas, erheben sich Berge von ausrangierten Fernsehern, Kassettenrecordern, DVD-Spielern, Computern aller Arten, Monitoren, Tastaturen, Elektrokabeln, Handys. Es ist die apokalyptische Kehrseite davon, dass Hunderte Millionen Konsumenten Jahr für Jahr ihre neuen, glitzernden Hightech-Gadgets durch noch neuere ersetzen, ihre Handys durch Smartphones, ihre Walkmans durch iPods und immer so fort. Hier landet all das, was eben noch wertvoll, neu und begehrenswert war, jetzt aber nur mehr als leere Hüllen von Plastik, wertlosen Platinen, erloschenen Displays hier liegt. Rauch steigt auf und hüllt die Berge von Elektroschrott in Nebel, schlammige Trampelpfade durchziehen das Terrain, gesäumt von windschiefen Bruchbuden aus Holz- und Metallabfall. Darüber wabert ein gräulicher, bisweilen grünlicher Smog, das Atmen fällt schwer, beißender Qualm reizt die Schleimhäute.

Die Einheimischen nennen Agbogbloshie „Sodom und Gomorrha“. Die Elektromüllhalde liegt nahe der Korle-Lagune, nur ein paar Kilometer vom Atlantischen Ozean entfernt westlich des Hauptbahnhofs von Accra. Für mehr als 40.000 Menschen ist sie für kürzere oder längere Zeit ein Zuhause, die meisten von ihnen Zuwanderer aus den armen ländlichen Gegenden im Norden des Landes. Aus Accras besseren Vierteln werden die Zugewanderten vertrieben, da sie nicht zu einer der eingesessenen Familien gehören. Daher suchen sie ihr Heil auf den Müllbergen. Bis auf ein bisschen Handel mit Gemüse und Getreide dreht sich die gesamte lokale Ökonomie um den Elektroschrott. Die Wirtschaft der Millionenstadt Accra wie die des ganzen Landes profitiert davon.

Auf den ersten Blick erscheint Agbogbloshie völlig chaotisch, umso mehr, als Hunderte von Feuern hier Tag und Nacht lodern und das ganze Jahr über die Sonne mehr zu erahnen denn zu sehen ist. Doch auch hier herrscht eine Art Ordnung: Kleine Jungen und junge Männer durchstreifen in Gruppen unablässig das Gelände und sammeln Schrott ein, die einen Kabel, die anderen Laptops, wieder andere Monitore. Sie schleppen ihre Ausbeute zu anderen Gruppen von ebenfalls meist jungen Männern, die sich um improvisierte Feuerstellen scharen. Dort werden die noch verwertbaren Metalle aus dem Elektroschrott herausgeholt, mit einfachsten Mitteln, unter erbärmlichsten Arbeitsbedingungen, ohne Rücksicht auf Verletzungen, Unfälle und Gesundheitsschäden. Kupfer, Blei, Aluminium sind begehrte Rohstoffe, die Schrottverwerter von Agbogbloshie können sie verkaufen. An lokale und regionale Metallhändler, die die Hunderte und Tausende von Tonnen an Metallen von den Elektromüllbergen weiterverkaufen und damit große Gewinne machen. Wenn es gut läuft, können die Mitglieder so einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen etwa 2 bis 2,50 Dollar pro Tag verdienen. Deshalb halten sie durch und gehen Tag für Tag zurück auf die E-Müll-Deponie.

E-waste workers.jpg

Übelkeit, Bleivergiftung, Krebs

Dort herrscht eine strikte Arbeitsteilung nach Alter und Geschlecht. Ältere Männer spielen Vorarbeiter und Aufseher, junge Männer und kleine Jungen machen die gefährliche Drecksarbeit im Schrott. Frauen und Mädchen wandern herum, von einer Arbeitsgruppe zur anderen, und verkaufen Wasser, geschälte Orangen und gekochte Mahlzeiten an die Arbeiter. Die älteren Frauen führen die zahllosen Küchen und kleinen Marktstände überall im Slum.

Quelle      :    Der Fretag        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben     —       Agbogbloshie near Accra, Ghana

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Unten        —      Workers following burning of plastic off wires for copper recovery

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