DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Gesetzentwurf der Gro-Ko

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 18. Mai 2017

Wir veröffentlichen den Gesetzentwurf der Großen Koalition zum massenhaften Einsatz von Staatstrojanern

Die Polizei soll bald flächendeckend Computer und Smartphones hacken dürfen. Auch bei ganz normaler Alltagskriminalität. Das geht aus einem Gesetzentwurf der großen Koalition hervor, den wir veröffentlichen. Jedes Jahr werden zehntausende Geräte überwacht, vor allem bei Drogen und Betrug.

Anfang April haben wir berichtet, dass das Justizministerium ein Gesetz erarbeitet, um den Staatstrojaner auch gegen Alltagskriminalität zu erlauben. Jetzt ist der Text fertig – wir veröffentlichen ihn an dieser Stelle wie gewohnt in Volltext.

Der Gesetzesentwurf ist noch schlimmer, als wir befürchtet haben. Für alle 38 Straftaten, bei denen Ermittlungsbehörden bisher eine normale Telekommunikationsüberwachung durchführen können, sollen sie zukünftig auch in Computer und Smartphones einbrechen dürfen, um eine so genannte „Quellen-TKÜ“ durchzuführen. Im Jahr 2015 wurden in 6.000 Verfahren 32.668 solcher Überwachungsanordnungen durchgeführt, davon knapp die Hälfte wegen Drogen.

Bei einer „herkömmlichen“ Telekommunikationsüberwachung leitet der Telefonie- oder Internet-Anbieter den Datenverkehr und Telefongespräche der Zielperson an die Ermittler aus. Bei der Quellen-TKÜ wird hingegen das Kommunikationsgerät der überwachten Person direkt angezapft. Dazu muss der Computer oder das Smartphone erst infiltriert werden – also gehackt. Das staatliche Hacken wird mit diesem Gesetz zum Alltag.

Sicherheitsbehörden behaupten oft, dass sie ohne Staatstrojaner blind werden und nennen das „Going Dark“. Ein Bericht der Harvard-Universität hat diese Behauptung widerlegt. Unsere Kommunikation und Verhalten wurden noch nie so intensiv aufgezeichnet und überwacht wie in der aktuellen digitalen Welt, weite Teile unseres Lebens spielen sich heute im Internet und auf unseren Geräten ab – auch absolut geschützte Kernbereiche der Lebensführung. Staatliche Stellen hatten noch nie so vielfältige Überwachungsmethoden wie heute, das haben spätestens Edward Snowden und der Geheimdienst-Untersuchungsausschuss gezeigt.

Richter: „Krasse Provokation in Richtung Karlsruhe“

Die „Online-Durchsuchung“, bei der nicht nur Kommunikation abgehört wird, sondern IT-Geräte vollständig durchsucht und ausgewertet werden, soll für ganz 27 Straftaten erlaubt werden. Begründet wird der Einsatz staatlicher Schadsoftware immer mit Terrorismus. Das Bundesverfassungsgericht verlangte, dass dieser intensive digitale Eingriff nur bei Gefährdungen von Menschenleben, ihrer Gesundheit und elementarsten Lebensgrundlagen eingesetzt werden darf. Die Große Koalition ignoriert das und geht weit darüber hinaus.

Dabei hatte das oberste Gericht nur über den Einsatz von Staatstrojanern zur Prävention von Terror und schwersten Straftaten geurteilt. Der aktuelle Entwurf erlaubt den Einsatz der staatlichen Schadsoftware auch zur Strafverfolgung – und viel weitergehend. Behörden sollten aber zur Verhinderung von Straftaten mehr Befugnisse haben als zur Bestrafung, weil mit Prävention der Eintritt des Schadens hoffentlich noch verhindert werden kann.

Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin und Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte, kommentiert gegenüber netzpolitik.org:

Dieser Gesetzesvorschlag ist eine krasse Provokation in Richtung Karlsruhe.

Professor: „Schweinsgalopp ist starkes Stück“

Der massenhafte Einsatz von Staatstrojanern wurde offiziell nicht vom Justizministerium vorgeschlagen, obwohl das schon seit drei Jahren an der Reform des Strafprozessrechts arbeitet, in der das jetzt eingearbeitet werden soll. Stattdessen wurde das weitreichende Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung im Dezember ohne Staatstrojaner von der Bundesregierung beschlossen und an den Bundestag überwiesen.

Das Justizministerium von SPD-Minister Heiko Maas hat aber eine „Formulierungshilfe“ zum Thema Staatstrojaner geschrieben, welche die große Koalition jetzt – kurz vor Verabschiedung des Gesetzes – als Änderungsantrag in das laufende Verfahren einbringen will. Ein Verfahrenstrick, um das Thema klein zu halten.

Tobias Singelnstein, Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, kommentiert dieses Prozedere gegenüber netzpolitik.org:

Es ist ein starkes Stück, dass diese extrem umstrittene Maßnahme nun plötzlich mittels eines Änderungsantrages zu einem laufenden Gesetzgebungsverfahren binnen Wochen durchgepaukt werden soll. Ein solcher Schweinsgalopp durch die Hintertür hat mit demokratischer Debattenkultur nichts zu tun.

IT-Experte: „Absolute Verantwortungslosigkeit“

Quelle :  Netzpolitik. ORG >>>>> weiterlesen

———————————————————————————————

Grafikquelle : Netzpolik. ORG  Der Einsatz von Staatstrojanern gefährdet ihre Geräte. (Symbolbild)

CC-BY 2.0 spline splinson

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>