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Geschenke für den Milliardär

Erstellt von Redaktion am Samstag 25. Juli 2020

Ein Millionen-Geschenk für den Milliardär

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Quelle      :         INFOsperber CH

Niklaus Ramseyer / 19. Jul 2020 – Dem Multimilliardär Blocher «schenkt» der Bundesrat Millionen. Ärmeren wird alles «angerechnet».

Schon wieder eine ganze Seite über Blocher in den Tamedia-Zeitungen. Titel diesmal in der gedruckten «Berner Zeitung» vom 16. Juli: «Man könnte es Geschenk nennen». Auf dem seitenhohen Bild zum Artikel schreitet der Grossunternehmer und ehemalige SVP-Bundesrat Christoph Blocher über einen edlen Natursteinweg im Sonnenschein auf seine Luxusvilla hoch über dem Zürichsee in Herrliberg zu.

Quintessenz der neuerlichen Recherche: Die Landesregierung hätte ihrem ehemaligen (und Ende 2007 nach nur einer Amtsperiode abgewählten) Mitglied Christoph Blocher nicht rückwirkend für alle zwölf Jahre das Bundesrats-Ruhegehalt von total 2,7 Millionen Franken bewilligen dürfen – sondern höchstens 1,1 Millionen.

Gilt Verjährung nur für Normalsterbliche?

Der Grund: Sowohl im Sozialversicherungsrecht wie auch im Obligationenrecht gilt für Renten- oder Lohnforderungen eine Verjährung von 5 Jahren. Das betonen zwei geheim gehaltene juristische Gutachten zu dem Fall, die dem Bundesrat vorlagen, als er die Rentenforderung Blochers am 1. Juli behandelte.

Die Mehrheit der sieben BundesrätInnen setzte sich darüber hinweg – und entschied auf die vollen 2,7 Millionen Franken für den Multimilliardär aus Herrliberg. Die «Berner Zeitung» rechnet vor: Mindestens 1,6 Millionen dieses Betrages seien «juristisch nicht abgestützt». Man könnte darum diese zusätzlichen 1,6 Millionen für Christoph Blocher auch «ein Geschenk nennen».

Ein Milliardär, der keine 225’000 Franken verdient?

Doch auch die Zahlung von 1,1 Millionen Franken (für Blochers noch nicht verjährte Forderungen ab 2015) wäre allenthalben fragwürdig: Gemäss der geltenden Regelung bekommt ein ehemaliges Mitglied der Landesregierung die Hälfte des Bundesratslohnes als Ruhegehalt. Das sind derzeit etwa 225’000 Franken pro Jahr – oder ein Monatslohn von zwölf Mal knapp 19’000 Franken. Wer davon nicht leben kann oder will (wie etwa der Zürcher SP-Mann Moritz Leuenberger, der sich vorübergehend noch für 100’000 Franken im Jahr als Verwaltungsrat an den Baukonzern Implenia verdingte; oder Ex-CVP-Bundesrat Flavio Cotti, der in den Fiat-VR Einsitz nahm) kann bis zum vollen Bundesratsgehalt von 450’000 Franken dazuverdienen – also zusätzlich maximal 225’000 Franken im Jahr. Aktuell verdient sich auch die frühere CVP-Bundesrätin Doris Leuthard in Verwaltungsräten bei Coop und Bell noch einen kleinen Zustupf.

Was über 225’000 Franken Zuverdienst hinausgeht, wird jedoch vom Ruhegehalt abgezogen. BundesrätInnen im Ruhestand müssen darum ihr Erwerbseinkommen jedes Jahr in Bern deklarieren. Ein Ex-Bundesrat, der ein Einkommen von über 450’000 Franken jährlich erzielt, bekommt gar kein Ruhegehalt mehr. Offiziell gibt es dazu keine genauen Angaben. Gemäss Medienberichten war dies aber etwa schon bei den früheren Mitgliedern der Landesregierung Kaspar Villiger (FDP) oder Joseph Deiss (CVP) der Fall. Und aktuell bei Ruth Metzler (CVP). Sie sind teils auch Vermögensmillionäre. Verglichen mit Blocher sind sie indes alle eher arme Schlucker: Die «Bilanz» hat dessen Vermögen schon 2018 auf 4,9 Milliarden Franken geschätzt.

Blochers nagen nicht am Hungertuch

Für die Berechnung des Freibetrags von 225’000 Franken zählten eben nur Arbeitseinkommen, konnte man aus allen Medien erfahren – nicht aber Dividenden. Bei den Dividenden jedoch zählen die Blochers (derzeit mit gegen 11 Milliarden Franken Familienvermögen an 12. Stelle auf der «Bilanz»-Liste der 300 Reichsten im Land) zu den ganz Grossen: Die drei Töchter des Ex-Bundesrates, Magdalena, Rahel und Miriam konnten sich für letztes Jahr 326 Millionen Franken an Dividenden ihrer Firma EMS Chemie (die ihnen ihr Vater Christoph vor seinem Eintritt in den Bundesrat 2004 übergeben hatte) teilen, wie die BZ vom 26. Juni 2020 vermeldet. Das sind für drei Personen 87 Millionen mehr, als der gesamte Personalaufwand für alle rund 2800 EMS-Beschäftigten (gemäss EMS-Geschäftsbericht genau 238,5 Millionen im Jahr 2019).

EMS-Chefin (CEO und VR-Delegierte) Magdalena Martullo-Blocher kassiert mit ihrem Vermögen von über 5 Milliarden (nebst ihrem «bescheidenen Lohn» von gut einer Million im Jahr) also über 100 Millionen an Dividenden. Da drängt sich die Frage auf, ob ihr Vater Christoph mit seinen 4,9 Milliarden Vermögen tatsächlich nicht einmal 225’000 Franken im Jahr verdiene.

Gute Regelung mit gravierenden Lücken

So oder so zeigt sich: Die abstruse Ausnahme der Dividenden vom anrechenbaren Einkommen der Alt-BundesrätInnen ist ein Unding. Da klafft eine gravierende Lücke in der Ruhestandsregelung, die sofort geschlossen werden sollte. Unverständlich auch, dass bei der Berechnung seiner Verdienst-Freigrenze das Vermögen eines Bundesrates im Ruhestand überhaupt keine Rolle spielen soll.

Grundsätzlich ist das geltende Ruhestands-System nämlich eine gute Sache: Es garantiert, dass sich BundesrätInnen bis zu ihrem letzten Tag im Amt unabhängig von Zukunftssorgen voll und ganz dem Dienst für die Allgemeinheit widmen können. Und dass sie ihr Leben nach dem Rücktritt in Würde weiterführen können – ohne sich für peinliche Auftritte oder Dienstleistungen «verkaufen» zu müssen.

Dass aber weder das Vermögen noch die Einkünfte aus Dividenden bei den Bundesleistungen an die Lebenshaltungskosten ehemaliger Mitglieder der Landesregierung angerechnet und mit einbezogen werden, ist eine ungerechte und geradezu unanständige Privilegierung der Herrschenden durch die Herrschenden. Und: Es belastet die Bundeskasse unnötig.

Arme Leute werden ganz anders angefasst

Zum Vergleich: Bei Menschen am unteren Ende der Einkommenspyramide zeigen sich diese Herrschenden in Bern mehr gnadenlos und knauserig als grosszügig. So haben die Eidgenössischen Räte am 19. März 2019 die Bedingungen für den Bezug von Ergänzungsleistungen (EL) durch Schweizerinnen und Schweizer, die am Existenzminimum vegetieren, nochmals verschärft – und damit die Bundeskasse um mehrere 100 Millionen jährlich entlastet.

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Den Ärmsten im Land werden dabei für ihre Begehren um EL (bis zum Existenzminimum) alle «Einkünfte aus beweglichem und unbeweglichem Vermögen» sehr wohl an- und vorgerechnet. Sie sind sogar verpflichtet «einen Teil ihres Vermögens zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu verwenden». Bei diesem sogenannten «Vermögensverzehr» galt zuvor für Einzelpersonen ein «Freibetrag» von 37’500 Franken. Den haben die Räte auf 30’000 Franken gesenkt. Für Ehepaare von 60’000 auf 50’000. Um ihr Anrecht auf diese Ergänzungsleistungen ganz zu verwirken, muss eine Einzelperson hierzulande jedenfalls noch lange nicht MillionärIn (geschweige denn MilliardärIn) sein. SRF 4 titelte im März 2019: «Ab 100’000 Franken Vermögen ist Schluss.» Für Ehepaare gibt es ab 200’000 Franken keine EL mehr.

Dass dabei das selber bewohnte Häuschen nicht ans Vermögen angerechnet wird, ist ein kleines Zückerchen der Mehrheit der Wohnraumeigentümer in den Räten an die Minderheit der Hauseigentümer im Lande draussen. Doch auch dies mit Auflagen: Wenn die Kinder der EL-Bezüger das Häuschen erben, müssen sie zurückzahlen.

Der Bundesrat kann Blocher getrost auf den Rechtsweg verweisen

Es gibt im entsprechenden Gesetz sogar eine «Verwandtenunterstützungspflicht» durch Angehörige, die «in günstigen Verhältnissen» leben (was bei Blochers Kindern wohl eher zutreffen dürfte).

Kurzum: Die amtierenden Bundesräte hätten dem Zürcher Alt-Bundesrat freundlich nahelegen können, er solle doch zuerst die 5 Milliarden auf seiner hohen Kante in Herrliberg jenem «Vermögensverzehr» zuführen, den der Gesetzgeber von mausarmen EL-Bezügern im Land ganz selbstverständlich verlangt. Und erst bei Erreichen eines verbleibenden «Freibetrags» von 200’000 Franken Vermögen könne er «in Bern oben» als Bittsteller die hohle Hand machen kommen. Die BundesrätInnen könnten Blocher aber auch getrost «auf den Rechtsweg verweisen», wie es juristisch so schön heisst – bis nach Lausanne oder Strassburg hinunter. Dies zumindest für jene 1,6 Millionen seiner Forderungen, die rechtlich nirgends abgestützt sind.

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Grafikquellen      :

Oben       —    Alt Bundesrat Christoph Blocher als Ehrengast am Eidgenössischen Trachtenfest 2010 in Schwyz

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