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Geopolitik in Corona-Zeiten

Erstellt von Redaktion am Sonntag 24. Mai 2020

„Die USA missbrauchen das Virus“

Professor Kishore Mahbubani, Author, The Great Convergence Asia, the West, and the Logic of One World (8558012190).jpg

Dürften wir vermuten das Merkel so  die Zeichensprache ihrer Indianer erlernte ?

Wegen Corona könnte die US-Dominanz in der Welt vorbei sein, sagt der Politikwissenschaftler Kishore Mahbubani. Europa sei der Krisengewinner.

Kishore Mahbubani, 71, ist einer der renommiertesten Politikwissenschaftler Asiens. In seiner diplomatischen Karriere diente er u. a. als Singapurs Botschafter bei den Vereinten Nationen. Von 2001 bis 2002 war der Sohn indischer Immigranten Präsident des Weltsicherheitsrats. Der Titel seines aktuellen Buchs: „Has China Won?“

Das Interview führte Fabian Kretschmer:

taz am wochenende: Herr Mahbubani, die Coronaviruspandemie hat bislang kein Land stärker getroffen als die Vereinigten Staaten, Chinas Erzrivalen. Halten Sie die Volksrepublik für den Krisengewinner?

Kishore Mahbubani: Ich wäre zum jetzigen Stand sehr vorsichtig, denn der Kampf gegen Covid-19 ist noch lange nicht vorbei. Bislang scheint es so, dass China den Virusausbruch wesentlich besser gehandhabt hat. Aber wenn morgen eine US-Universität mit einem Wunderimpfmittel um die Ecke kommen sollte, würde die ganze Welt den USA applaudieren. Lassen Sie uns erst mal abwarten.

Dennoch sprechen Sie vom Paradigmenwechsel von der westlichen Dominanz zum asiatischen Jahrhundert. Hat die Pandemie diesen Prozess beschleunigt?

Die Beschleunigung fand doch bereits vor Covid-19 statt. Bis zum Jahr 1820 waren die größten Volkswirtschaften der Welt stets China und Indien. Nur in den letzten 200 Jahren haben Europa und die Vereinigten Staaten ihren Siegeszug angetreten. Gegenüber den 2.000 Jahren zuvor ist die westliche Dominanz eine Anomalie. Natürlich wird sie irgendwann ihr Ende finden.

Die Zahl der Todesopfer der Pan­demie pro Million Einwohner liegt in den USA und einigen europäischen Staaten im mittleren dreistelligen Bereich. In den asiatischen Ländern liegt der Wert dagegen unter 10. Es zeigt sich ein Muster der Kompetenz in der Handhabung der Krise in Ostasien – zumindest bislang.

Viele europäische Länder haben in den letzten Wochen tatsächlich versucht, von den Beispielen Südkorea und Taiwan zu lernen. China hingegen gilt in Teilen auch als abschreckendes Beispiel: In den ersten Wochen nach dem Virusausbruch hat die Regierung Virusproben zerstört und Wissenschaftler mundtot gemacht.

Der große Fehler, den der Westen meiner Meinung nach begeht, ist, Gesellschaften in Schwarz und Weiß zu kategorisieren, während die Realität in allen möglichen Grautönen verläuft. Natürlich hat China Fehler gemacht – etwa den, Wissenschaftler wie den Whis­tle­blower Li Wenliang zum Schweigen zu bringen. Es gab in der Anfangszeit eine große Verwirrung. Als China jedoch erkannt hat, dass sich ein schwerwiegendes Problem auftut, war die Reaktion absolut einmalig: Eine ganze Provinz mit 60 Millionen Menschen wurde zwei Tage vor dem chinesischen Neujahr abgeschottet.

Die chinesische Regierung propagiert jedoch ihrerseits eine Schwarz-Weiß-Propaganda: Sie streitet nach außen jegliche Fehler ab und inszeniert sich mit ihren Maskenlieferungen als Retter der Welt.

Chinesen sollte man am besten nicht innerhalb einer öffentlichen Debatte konfrontieren. Meine Erfahrung mit chinesischen Diplomaten und Regierungsvertretern ist, dass sie im Privaten sehr informiert und nachdenklich sind. Ich habe keine Zweifel daran, dass sie im persönlichen Gespräch auch Fehler eingestehen werden. Es ist eben ein anderes System. Wir müssen mit einem China leben, das existiert – und nicht mit einem China, von dem wir uns wünschen, dass es existieren würde.

Also auch mit einem China, das künftig eine selbstbewusstere Stellung einnimmt. Geben die Machtdemonstrationen im Konflikt um das Südchinesische Meer oder die Protestbewegung in Hongkong einen ersten Vorgeschmack auf die neue Weltordnung?

Empty Singapore-Malaysia Causeway 2.jpg

Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen China und den USA: Amerika glaubt, dass es die beste Gesellschaft der Welt ist und dass es jedem anderen Land besser ginge, wenn es die USA kopieren würde. Die Chinesen haben einen anderen Standpunkt, der vereinfacht gesagt lautet: Nur wir Chinesen können Chinesen sein. Ihr sucht euer System aus, das gut für euch ist, und wir tun das für uns. Wenn man jedoch China kritisiert, und ganz besonders jetzt, dann reagieren sie sehr sensibel. Jeder mächtige Staat verfolgt seine eigenen Interessen an erster Stelle. Jetzt, da China stärker wird, wird es natürlich auch durchset­zungsfähiger. Das ist schlicht die Realität.

Welche Rolle sollte Europa in Bezug auf China einnehmen?

Europa hat derzeit eine große Chance, sich als geopolitischer Player für die Welt von morgen zu positionieren: Denn während der Konflikt zwischen China und den USA eskaliert, braucht die internationale Gemeinschaft eine Gegenkraft, die stark genug ist, zwischen beiden Weltmächten zu vermitteln. Es wäre derzeit eigentlich nur logisch, dass man gemeinsam gegen das Virus kämpft.

Stattdessen haben sich die USA – leider und entgegen ihrem eigenen Interesse – entschieden, das Virus als politische Waffe gegen China zu missbrauchen. Europa hat die Kraft für jene multilaterale Führungsrolle, die zum Beispiel Frankreichs Präsident Emmanuel Macron repräsentiert. Gleichzeitig ist Europa jedoch sehr ehrerbietig gegenüber den USA geworden. Zu Zeiten des Kalten Krieges hat das noch Sinn gehabt. Heute jedoch sind die geopolitischen Interessen nicht mehr dieselben.

Sondern?

Quelle        :         TAZ           >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben        —        The Convergence of Civilizations: Reforming International Institutions, 14 March 2013

 

Unten        —       Leere Zufahrtsstraße von Malaysia zur Insel Singapore.

Empty Singapore-Malaysia Causeway during the Malaysia COVID-19 lockdown.

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