Gefürchtete Alleingänge
Erstellt von Redaktion am Dienstag 7. Juni 2022
Sondervermögen der Bundeswehr und die EU
GASTKOMMENTAR VON MICHELANGELO FREYRIE
„Zeitenwende“ ist blitzartig zum sicherheitspolitischen Konzept des Jahres geworden. Die Ankündigung eines Umbruchs in der deutschen Verteidigungsstrategie ist auch im EU-Ausland zu einem urdeutschen politischen Lehnwort geworden, wie einmal „Spitzenkandidat“ oder „Ostpolitik“.
Die klare Haltung der Bundesregierung wurde überwiegend begrüßt, und zwar aus nachvollziehbaren Gründen: Ohne Deutschland ist eine halbwegs funktionierende europäische Verteidigung nicht denkbar, und der desaströse Zustand der Bundeswehr wurde im Ausland meist als Folge des deutschen Sparkurses gesehen.
Zugleich fragen sich viele, wie sich ein Wiederaufbau der Bundeswehr auf das politische Gleichgewicht der EU auswirken wird. Schließlich hat Berlin jahrelang die internationalen Effekte der eigenen Wirtschaftspolitik kleingeredet. Was, wenn Deutschland auch diesmal ohne Rücksicht auf andere europäische Partner handelt? Die Vorstellung ist banal und doch ernüchternd, und zwar genau weil sie anders als die Wiedergeburt des preußischen Militarismus auch teilweise realistisch wirkt.
In Hintergrundgesprächen wird der Frust von Verbündeten offen geäußert, so meinte etwa ein britischer Diplomat in Bezug auf die Causa Iron Dome unverblümt: Die Beschaffung des israelischen Systems zum Schutz gegen Kurzstreckenraketen wäre in erster Linie scheinheiliger Aktionismus gewesen und hätte die Einheit der integrierten Nato-Luftverteidigung gefährdet.
Französisches Misstrauen
Der Kauf stellte sich schließlich als Bild-Dunst heraus (die Bundesrepublik wird das US-israelische Arrow-3-System kaufen), doch das ändere nichts am Gefühl, Berlin handle eher demonstrativ als strategisch, und nur mit innenpolitischem Blick. Dabei ist zu bedenken, dass ein wirksames Upgrade des Raketenschutzes nur in Partnerschaft mit den Anrainerstaaten Russlands vorstellbar ist.
Bei der Ausgabe des 100-Miliarden-Fonds wird es höchstwahrscheinlich zu vielen solcher „Quick Fixes“ kommen – es ist schließlich auch Sinn und Zweck des Sondervermögens, die kaputtgesparte Bundeswehr schnell zu sanieren. Und doch: Im Umgang mit den europäischen Alliierten sind Wahrnehmungen genauso wichtig wie Taten. Unklarheit über die mittelfristige Ausstattung des regulären Verteidigungsetats und andere offene Fragen zur Ausgabenplanung helfen auch nicht, Verdächtigungen einer national-protektionistischen Politik zu widerlegen.
So wird das aus Steuern des Volk bezahlte Eigentum, von Staatsbanden enteignet!
Französische Sicherheitsexperten und Entscheidungsträger sprechen ein solches Risiko auch offen an. Dabei passen die französischen Erwartungen auch zu einer Auffassung der Verteidigungsausgaben als industriepolitisches Instrument. Aus Pariser Sicht ist es überhaupt nicht auszuschließen, dass Deutschland die „Zeitenwende“ als Booster für die ineffiziente deutsche Rüstungsindustrie benutzen will.
Außerdem könnte sich Deutschland von der strategischen Wahl zwischen Paris und Washington im Zweifel freikaufen, wie bei der Beschaffung des Kampfjets F-35. Mitglieder des Verteidigungsausschusses der Assemblée nationale fragen sich, ob eine ertüchtigte deutsche Industrie nicht das ausgehandelte Gleichgewicht in gemeinsamen Projekten wie FCAS infrage stellen würde.
Ambivalente Italiener
Das wäre im Zweifel auf Kosten der französischen Wirtschaft, die bis jetzt den Löwenanteil der Aufträge übernommen hat. Für Unternehmen ist die Zukunft eines konsolidierten europäischen Rüstungsmarkts ein Nullsummenspiel, und der französische Staat wäre nie imstande, mehr als ein paar Milliarden Euro zur Unterstützung von Dassault und anderen Firmen bereitzustellen.
Die italienische Perspektive ist indes ambivalenter. Einerseits befürwortet man ein stärkeres deutsches Engagement, und zwar gerade auch als Gegengewicht zu Paris. Deutsche Investitionen könnten auch neue bilaterale Kooperationsprojekte ermöglichen, vor allem zur Entwicklung neuer Panzermodelle und im Marinebereich. Anderseits fürchtet man sich auch in Italien vor deutschen Alleingängen und einer möglichen Abwertung von EU-Verteidigungsinitiativen.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Landung des Mehrzweckhubschrauber NH90 auf dem Truppenübungsplatz Munster. Mit dem NH90 können sowohl schwere Lasten, technisches Material oder 20 Soldaten transportiert werden. Vorüben der Informationslehrübung Heer. Die Panzerlehrbrigade 9 stellt vom 4. bis 10. Januar September die Fähigkeiten des deutschen Heeres auf dem Truppenübungsplätzen Munster und Bergen vor. Unterstützt wird die Lehrbrigade dabei vom Ausbildungszentrum Munster.
Quelle : ursprünglich auf Flickr als Informationslehrübung Heer gepostet
Verfasser | Bundeswehr-Fotos / Datum : 3. September 2010, 16:46:44 |
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Unten — Ein Vorhängeschloss, Eigentum des deutschen Militärs, der Bundeswehr.