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RENTENANGST

Gefährliche Gleichgültigkeit

Erstellt von Redaktion am Dienstag 15. Februar 2022

Das Land ist weit nach rechts gerückt.

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Sind die meisten Politiker-Innen in den letzten Jahrzehnten auf der Internationalen Bühne nicht als hilflose Artisten-Innen  aufgetreten welche sich krampfhaft um die Mitte drängeln?

Von Christine Longin

Im April stehen in Frankreich Präsidentschaftswahlen an. Die politische Linke wirkt hilflos – so könnte das Land weit nach rechts kippen.

Wer sich das gut zwei Minuten dauernde Video des Radiosenders France Inter mit Marine Le Pen anschaut, sieht eine entspannte Frau. Die 53-Jährige lacht darin viel, streicht sich durch die Haare und versucht sich möglichst sympathisch zu geben. Sie schildert Banalitäten wie ihren vollen Terminkalender, der ihr kaum Zeit zum Haarewaschen lasse. Vor dem rosa Hintergrund wirkt die Chefin des Rassemblement National fast schon wie die nette Frau von nebenan. Und genau das ist ihre Strategie für die Präsidentschaftswahlen im April. Hinter einem lächelnden Gesicht verkauft sie eine neue Persönlichkeit. Nicht mehr die polternde Rechtsextremistin, sondern die gemäßigte Politikerin, die Frankreich verändern will.

Doch wie bei allen Produkten, die ihre Verpackung ändern, gilt: Der Inhalt bleibt derselbe. Marine Le Pen will nach ihrer Wahl die Einwanderung stoppen und das Kopftuch verbieten. Im­mi­gran­t:in­nen will sie zu Bür­ge­r:in­nen zweiter Klasse machen. Frankreich soll mit ihr als Präsidentin die EU nicht mehr verlassen, sondern von innen heraus zersprengen. Ihr „Europa der Nationen“ bedeutet die Rückkehr zu einem Nationalismus, den der Kontinent nach dem Zweiten Weltkrieg hinter sich ließ. Auch wenn Marine Le Pen derzeit viel lächelt und mit sanfter Stimme spricht: Sie ist ein gefährlicher Wolf, der nur Kreide gefressen hat.

Ähnlich wie Rotkäppchen im Märchen gehen die Französinnen und Franzosen derzeit der säuselnden Le Pen auf den Leim. Sie haben kaum noch Angst vor der Bedrohung, die von der Rechtsextremistin für die Gesellschaft ausgeht. Nur noch jeder Zweite sieht in ihr eine Gefahr für die Demokratie. Erschreckend wenig, wenn man bedenkt, dass in den 1990er Jahren noch über 70 Prozent ihrer Landsleute die Partei Le Pens als gefährlich wahrnahmen. 2002, als ihr Vater, der verurteilte Antisemit und Rassist Jean-Marie Le Pen, überraschend in die Stichwahl um das Präsidentenamt kam, gingen mehr als eine Million Menschen auf die Straße. Knapp 18 Prozent bekam Le Pen Senior damals in der zweiten Runde gegen den konservativen Amtsinhaber Jacques Chirac.

20 Jahre später sehen Umfragen Le Pens Tochter bei rund 45 Prozent gegen Präsident Emmanuel Macron. Und wer protestiert heute gegen diese Entwicklung? Niemand. Das Land ist weit nach rechts gerückt. Am rechten Rand hat Le Pen sogar noch Konkurrenz bekommen. Der rechtsextreme Kandidat Éric Zemmour hetzt täglich gegen Musliminnen und Muslime. Die rassistische Theorie vom „großen Bevölkerungsaustausch“ verbreitet er so ungeniert, als handele es sich um eine Wettervorhersage. „Zemmour ist der größte Sprengmeister der Nation“, warnt der Rechtsextremismusexperte Nicolas Lebourg. Doch auch wenn der 63-Jährige mehrfach wegen Anstachelung zum Rassenhass verurteilt wurde, sehen nur schlappe 62 Prozent seiner Landsleute eine Gefahr für die Demokratie in ihm.

Nur weil Zemmour eine radikale Wählerschaft anzieht, macht das Le Pen noch nicht zu einer moderateren Politikerin. Sie verpackt ihre Botschaften nur geschickter, weil sie es im dritten Anlauf endlich ins Präsidentenamt schaffen will. In Umfragen liegt sie stabil auf dem zweiten Platz hinter Macron. Zusammen mit Zemmour würde sie sogar auf rund ein Drittel der Stimmen kommen. Den Wahlkampf haben die beiden schon jetzt komplett vergiftet. Ihr einwanderungsfeindlicher Diskurs ist salonfähig geworden. Sogar die konservativen Républicains überboten sich vor den Vorwahlen im Dezember mit Vorschlägen, wie die Immigration zu stoppen sei. Wer den Kan­di­da­t:in­nen zuhörte, wähnte sich auf einer Veranstaltung von Le Pens Rassemblement National.

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Ein Karussell der persönlichen  Eitelkeiten

Nun könnte man meinen, dass sich eine gewaltige Opposition zusammenschließt, um diesem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen. Mehr als 80 Prozent der Linkswählerinnen und -Wähler wünschen sich einen solchen Zusammenschluss. Doch Fehlanzeige. Die Parteien des linken Spektrums wirken wie Käfer, die auf dem Rücken liegen und wild strampeln, ohne auf die Beine zu kommen. Mit einem halben Dutzend Kandidat: innen gehen Sozialisten, Grüne, Linkspartei, Kommunisten und wie sie sonst noch heißen in die erste Runde der Präsidentschaftswahlen. Ohne echtes Programm, ohne wirkliche Alternativen. Auch nach einer internen Abstimmung ihrer Anhänger: innen sind sie weiter kopf- und orientierungslos. Die Egos der einzelnen Kandidat: innen zählen mehr als der gemeinsame Kampf gegen rechts.

Quelle      :          TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen      :

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