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Ganz im Ernst

Erstellt von DL-Redaktion am Dienstag 12. September 2017

Warum ein Redakteur für die Satirepartei Die PARTEI stimmt

von Jochen Rödder*

Deutschland hat eine konservative Partei, die nicht mehr konservativ ist, eine sozialdemokratische, die nicht mehr sozialdemokratisch ist und eine Satire-Partei, die nicht sonderlich komisch ist. Trotzdem werde ich am 24. September die PARTEI wählen. Sie ist mein kleineres Übel.

Warum nicht SPD, Grüne oder Linkspartei? Oder die FDP, die anonymen Umfragen zufolge selbst in der taz inzwischen WählerInnen haben soll? Oder die liberale Merkel-CDU?

Mein Vater ist klassischer Bildungsaufsteiger der 60er Jahre. Begonnen hat er als Hilfsarbeiter, später, mit über 30, wurde er Hauptschullehrer. Meine Mutter war Hausfrau. Ein nennenswertes Erbe habe ich nicht zu erwarten. Damit gehöre ich zu den 40 Prozent der Bevölkerung, die über kein Vermögen verfügen.

Das taz-Gehalt liegt unter dem üblichen Journalisten-Tarif, etwa auf Höhe von dem, was Alten- oder KrankenpflegerInnen verdienen. Ein paar prekäre Jahre nach meinem Studium mitberücksichtigt, ist das Ergebnis – falls ich nicht den Job wechsle – wie für viele Angehörige der unteren Mittelschicht: Altersarmut.

In Berlin ist zwar nach langen Jahren der Austerität endlich der Aufschwung angekommen. Aber davon habe ich nichts – im Gegenteil: Die Mieten steigen aufgrund des großen Zuzugs und der höheren Durchschnittseinkommen. Früher konnte man mit einem taz- oder KrankenpflegerInnengehalt in Berlin gut auskommen, jetzt nicht mehr. Wie die jetzige Miethöhe mit meiner absehbaren Rente zusammengehen soll, ist nicht zu sehen.

Was ich – ebenso wie viele andere Angehörige der unteren Mittelschicht – also bräuchte, wäre eine klassisch sozialdemokratische Politik: eine, die entweder die Renten so erhöht, dass sie für die steigenden Mieten reicht. Oder eine wirksame Mietpreisbremse und massiven öffentlichen Neubau, die die Mieten so senken, dass sie mit den jetzigen Gehältern und der Rente bezahlbar bleiben.

Wählen heißt, ins Parlament Stellvertreter zu entsenden, die die eigenen Interessen vertreten. Die Wahl der Grünen, die diesmal auf das E-Auto als Wahlkampfschlager setzen, kommt daher für mich nicht in Frage.

Rätselhafter ist, warum die SPD das Thema Mieten nicht in den Fokus stellt, obwohl es einen bedeutenden Teil ihrer Wählerschaft umtreibt. Im Wahlkampf spielte es kaum eine Rolle, auch unter den Knackpunkten, die Martin Schulz für Koalitionsverhandlungen aufgestellt hat, taucht es nicht auf.

Quelle   :  TAZ >>>>> weiterlesen

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Grafikquelle    :     Damenwahl am 19. Januar“ Karikatur von Gustav Brandt, Titelblatt der Zeitschrift Kladderadatsch vom 19. Januar 1919

 

 

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