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Frauen in Trauer

Erstellt von DL-Redaktion am Dienstag 27. Juni 2017

Die Öffentlichkeit fürchtet die Witwen mächtiger Männer
wie Friede Springer oder Maike Kohl-Richter.

Autorin Anja Maier

Doch vieles wird in dieser Erzählung übersehen.

„Alles in ihrer Hand“, überschreibt die Süddeutsche Zeitung ihren Text. „Darum hat sie keinen Anspruch auf Kohls Rente“, titelt die Bunte. „Die Frau, die nie richtig Familie Kohl war“, schreibt die Welt. Und der Stern schließlich, dräuend: „Die Witwe“.

Macht man sich den Duktus der aktuellen Berichterstattung zu eigen, trägt Helmut Kohls letzte Rache seinen eigenen Namen. Und der lautet: Maike Kohl-Richter. Es ist der Name jener Frau, der viel daran gelegen scheint, jene zu demütigen, die meinen, beim Andenken an ihren Ehemann mitreden zu ­wollen, zu sollen oder gar zu dürfen. Und ja, es ist befremdlich, dass diese Frau in der Stunde des Todes eine Menge Klischees zu erfüllen scheint, die allgemein kursieren über Witwen. Witwen von Prominenten zumal.

Egal ob es sich um Friede Springer, die einflussreiche Witwe des Medienunternehmers Axel Springer, handelt oder um die Kanzlerwitwe Brigitte Seebacher-Brandt. Ob um die kühle Verleger-Witwe Ulla Unseld-Berkéwicz, die starrsinnige Margot Honecker oder aktuell um Maike Kohl-Richter – alle diese Frauen gelten in der öffentlichen Wahrnehmung als extrem geltungssüchtig und machtbewusst.

Sie werden betuschelt als Problemfrauen, die – zumeist männliche – Zeitgenossen und Weggefährten der Verstorbenen wegbeißen. Als rechthaberische, schwierige Persönlichkeiten, die mit der Kraft ihrer Weiblichkeit ihre Männer in körperlicher, wirtschaftlicher und emotionaler Abhängigkeit gehalten zu haben scheinen. Mithin furchteinflößende Torwächterinnen, die der Öffentlichkeit vorzuenthalten versuchen, was doch allen zu gebühren scheint: den Zugriff auf das Gedenken, auf die Erinnerung, auf das öffentliche Bild.

Den Witwer mächtiger Frauen kennt man noch nicht

Ob Yoko Ono oder Courtney Love, ob Imelda Marcos, Da­nielle Mitterrand oder Gail Zappa – all diese Frauen lösen spürbar Ängste aus. Und in der Folge um so mächtigere Abwehrreflexe. Es sind Reflexe, die sich in Unterstellungen, Mutmaßungen und Zuschreibungen Bahn brechen. Dies mag vor allem daran liegen, dass die umgekehrte gesellschaftliche Erfahrung bislang fehlt: die mit den Witwern mächtiger Frauen.

Erst durch die auch rechtlich verankerte Gleichberechtigung der Geschlechter im Laufe des 20. Jahrhunderts nämlich hatten Frauen die Chance, politische, wirtschaftliche und kulturelle Macht zu erlangen. Wie allerdings dereinst die Partner von Melinda Gates, Christine Lagarde oder Angela Merkel das Andenken ihrer Frauen gestalten und verwalten werden – diese Erfahrung fehlt und wird auch in Zukunft selten bleiben. Denn die Frauen sind in Partnerschaften nicht nur meist jünger, sie leben auch länger. Zuallermeist also kriegt es die interessierte Öffentlichkeit weiterhin mit trauernden Frauen zu tun.

Maike Kohl-Richter, die Witwe von Helmut Kohl, ist solch eine Frau. Sie lehrt die Öffentlichkeit nach allen Regeln der Kunst das Fürchten. Ihr Werk versieht sie stumm. Wortlos sieht man sie mit zusammengepressten Lippen die Kerzen, Karten und Blumen vor ihrem Haus in Oggersheim betrachten. Eine Frau im schwarzen Etuikleid, eine Sonnenbrille vor den Augen, die Hände fest vor dem Körper verschränkt. Eine Frau, 53 Jahre alt, in der schwersten Stunde ihres Lebens. Sprechen darf für sie einzig ihr Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner. Kohls Nachfahren, Männer in ihrem Alter samt deren Söhnen und Töchtern, erhalten keinen Zugang zur Trauerzentrale.

Als eine Art Ziehsohn ist statt ihrer Kai Diekmann bei ihr. Der frühere Bild-Chefredakteur öffnet und schließt die schwere Haustür in Oggersheim für die der Witwe genehmen Besucher. Diekmann schaut ernst. Irgendwann, zu einem von ihr festgelegten Zeitpunkt, wird er mit ihr ein großes Bild-Interview führen. Oder nein, kein Interview. Zwiesprache werden sie halten, diese beiden wahrhaftigen Verehrer des großen Europäers Helmut Kohl. Es wird alles sehr zu Herzen gehen, sehr traurig sein. Auch pathetisch. Die Auflage wird gigantisch sein.

Wer trauert, kann nicht lächeln

Quelle  :  TAZ >>>>> weiterlesen

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Grafikquelle   :   DL / privat  – CC BY-SA 3.0

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