Die Fehler linker Parteien
Erstellt von Redaktion am Donnerstag 5. April 2018
„Weit weg von ihrer Klientel“
Das Interview mit Andreas Nölke führte Martin Reeh
taz: Herr Nölke, haben Sie schon Prügel für Ihr Buch bekommen?
Andreas Nölke: Bisher weniger als erwartet. Es gab im Spiegel einen Artikel, wo ich „Deutschland zuerst“-Denker genannt wurde. Das ist natürlich Unsinn.
Wäre es richtig zu sagen, dass Sie so etwas wie das Programm für Sahra Wagenknechts Sammlungsbewegung geschrieben haben?
Ich habe mit Frau Wagenknecht noch nicht gesprochen, aber inhaltlich sind wir wahrscheinlich nah beieinander. Bezüglich der Organisationsform bin ich etwas skeptisch. Frau Wagenknecht hält La France insoumise von Jean-Luc Mélenchon hoch – aber da stören mich die wenig demokratischen Parteistrukturen und auch die Fixierung auf eine charismatische Person.
Fast zeitgleich ist in Ihrem Westend-Verlag ein Band mit dem Titel „Rechts gewinnt, weil Links versagt“ erschienen. So hätte man Ihr Buch auch nennen können.
In der Tat. Sämtliche linke Parteien machen einen großen Fehler, weil sie von einem großen Teil ihrer Klientel in der Flüchtlings- oder Europafrage weit weg sind. Das treibt diese Wähler der AfD in die Arme.
Worin unterscheidet sich Ihre Position zu Merkels Flüchtlingspolitik von der der AfD?
Die AfD lehnt Flüchtlinge vor allem ab, weil die meisten muslimischen Glaubens sind. Meine Skepsis kommt daher, weil eine hohe Zahl von Flüchtlingen Konkurrenz für die weniger Qualifizierten in der deutschen Bevölkerung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt bedeutet. Und natürlich müssen wir die Herkunftsregionen der Flüchtlinge viel stärker unterstützen. Auch da hat die AfD andere Vorstellungen.
Wie würde Ihre Asylpolitik aussehen?
Wir müssen die völkerrechtlichen Verpflichtungen ein- und das Grundrecht auf Asyl aufrechterhalten. Aber ich halte die Politik von 2015, großzügige Willkommenssignale für eine stärkere Migration zu senden, für falsch.
Wo sollen die syrischen Flüchtlinge denn hin?
Die Bundesrepublik müsste wesentlich großzügiger bei Unterbringung und Schutz von Flüchtlingen innerhalb ihrer Herkunftsregionen sein. Das dürfte sowohl dem Interesse vieler Flüchtlinge entsprechen als auch die Möglichkeit erhöhen, dass sie nach dem Ende der Konflikte wieder in ihr Heimatland zurückkehren.
Im vergangenen Jahr hat der libanesische Präsident erklärt, sein Land könne die vielen Flüchtlinge nicht mehr bewältigen. Im Libanon stellen Flüchtlinge ein Viertel der Bevölkerung. Weshalb soll der arme Libanon ertragen, was sich das reiche Deutschland besser leisten könnte?
Wenn das der Präsident des Libanon sagt, muss das respektiert werden. Dennoch ist fraglich, ob es sinnvoll ist, die Flüchtlinge vor allem nach Deutschland zu bringen.
Eines der Argumente von 2015 war: Die Flüchtlinge helfen, das demografische Problem Deutschlands zu lösen.
Sicher kann man aus volkswirtschaftlicher Sicht diskutieren, ob die Menschen, die kommen, von der Wirtschaft gebraucht werden. Aber das ist nicht mein Thema. Mir geht es um die Menschen in unserer Gesellschaft, die weniger privilegiert sind – bei Jobs, Bildung, Wohnungen, Sozialtransfers. Solange unsere Wirtschaft die vielen Menschen, die bei uns entweder in sehr schlechten Arbeitsverhältnissen oder arbeitslos sind, nicht in vernünftige Jobs bringt, sollte man nicht im größeren Stil Migranten anwerben.
Die Linkspartei-Führung um Katja Kipping und Bernd Riexinger will sowohl für Flüchtlinge als auch für die Beschäftigten im Niedriglohnsektor mehr einfordern. Finden Sie das illusionär?
Zunächst ist das eine sympathische Forderung. Viele der politischen Probleme hätten wir nicht gehabt, wenn man gleichzeitig mit der Ankunft einer größeren Anzahl von Flüchtlingen tief in die Tasche gegriffen hätte, um auch den weniger Privilegierten bei uns zu helfen. Das hat aber nicht stattgefunden – und daher würde ich sagen, dass das illusionär ist. Inzwischen haben große Teile der Bevölkerung den Eindruck, dass es in erster Linie um die Neuankömmlinge geht.
Horst Kahrs schreibt in seiner Wahlanalyse für die Rosa-Luxemburg-Stiftung: „Wer AfD wählte, konnte wissen, was er oder sie tat. Es führt nun kein Weg mehr vorbei an der Tatsache, dass es eine Minderheit in der Bevölkerung gibt, die einen grundlegenden politischen Kurswechsel in Richtung Nationalismus unterstützt.“ Warum sollten linke Parteien Wähler von der AfD zurückholen, wo es sich doch um offenkundig verantwortungslose Gestalten handelt?
Ich teile diese Einschätzung nicht. Man muss zwischen einem Großteil der Repräsentanten der AfD und ihren Wählern differenzieren. Der Großteil der AfD-Wähler identifiziert sich nicht mit rassistischen Sprüchen.
Das ist eine gewagte These …
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle :
Beschreibung |
English: The historical kiosk in front of the former Parliament Building in Bonn. It’s listed as a historic monument.
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Datum | |||
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Urheber | Hans Weingartz | ||
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Donnerstag 5. April 2018 um 17:04
1. Politik ist mehr als Wahlkampf & die Stimmenanteile in die Höhe treiben. Es geht um jeden Menschen unabhängig davon ob er Wahlrecht hat.
2. Flüchtlinge gegen Prekariat ausspielen ist genau die Falle, in die die Linke getrieben werden soll.
3. Wenn es nur darum ginge politische Forderungen aufzustellen, kann man ja gleich die Todesstrafe fordern
(obwohl sie vom Grundgesetz verboten ist, aber noch von vielen gefordert wird).