Falken im Blindflug
Erstellt von DL-Redaktion am Montag 25. April 2022
Trumps Republikaner und Putins Russland

von Thomas Greven
Eines hat Wladimir Putin mit seinem Krieg gegen die Ukraine schon erreicht, mutmaßlich unbeabsichtigt: die zuletzt angeblich „hirntote“ (so Emmanuel Macron noch 2019) Nato wiederzubeleben. Eilig wird deren ursprüngliche raison d’être als gen Osten ausgerichtetes Militärbündnis erneuert.
Ob Putins Vermutung zutrifft, dass der Westen sich seit Ende des Kalten Kriegs in eine postheroische, das heißt nicht mehr ausreichend opferbereite und damit kaum verteidigungsfähige Dekadenzgesellschaft verwandelt hat, werden wir hoffentlich nicht so bald – besser nie – herausfinden. Was sich schneller zeigen wird: ob die vor allem von Russland gezielt vorgetragenen Desinformations- und Propaganda-Angriffe auf die Wertebasis und Geschlossenheit der westlichen Gesellschaften bereits soweit verfangen haben, dass auch eine gemeinsame politische Antwort auf die russische Aggression mittelfristig nicht durchgehalten werden kann.
Demokratien mit freien Medienöffentlichkeiten sind nicht erst seit dem Siegeszug der sozialen Medien grundsätzlich anfällig für die Verbreitung von Desinformation. Deshalb stellt sich die Frage nach dem Zusammenhalt der Gesellschaft auch in Deutschland und insgesamt in Europa. Aufgrund ihrer zentralen Bedeutung für die Nato sind die USA jedoch der wichtigste Schauplatz für diese Entwicklungen und dort stehen vor allem die Republikanische Partei und konservative Medien im Fokus, nicht nur aufgrund Donald Trumps offenkundiger Bewunderung für Wladimir Putin.
Man mag sich nicht ausmalen, wie die Reaktion des Westens auf den Angriff Russlands mit einem Präsidenten Trump im Weißen Haus ausgefallen wäre. Vor allem in Bezug auf Russland und die Ukraine zeigte sich vor, während und nach dessen Amtszeit, welch unsicherer Kantonist und rein transaktional denkender Hasardeur da zeitweise die Kontrolle über das für die Nato-Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit so entscheidende Nuklearwaffenarsenal der USA hatte. Zur Erinnerung: Die geschäftlichen Beziehungen mit Russland und „Freund“ Putin (so Trump per Twitter) erstreckten sich unter anderem auf einen Schönheitswettbewerb und die Planung eines Trump Towers in Moskau – noch während Trump schon für das Präsidentenamt kandidierte. Trumps zeitweiliger Wahlkampfberater Paul Manafort war zuvor für den Russland-freundlichen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch tätig. Immer wieder äußerte Trump Verständnis für die Sichtweise Putins, dass die Bewohner der Krim und des Donbas zu Russland gehören wollen, und brachte deshalb auch das Ende der Sanktionen ins Spiel – was nur am Widerstand des US-Kongresses scheiterte. Er übernahm, gegen die Einschätzung seiner eigenen Nachrichtendienste, Putins Position, dass Russland sich nicht in den 2016er Wahlkampf eingemischt habe. Trump weckte ständig Zweifel an der Nato und knüpfte schließlich in seinem berüchtigten „perfect phone call“ 400 Mio. US-Dollar vom Kongress bereits bewilligte Militärhilfe für die Ukraine an die Bereitschaft von Präsident Wolodymyr Selenskyj, belastendes Material über Joe Biden und dessen Sohn Hunter (zeitweise im Vorstand des größten ukrainischen Gasproduzenten) für den Wahlkampf 2020 zu liefern. Das führte zum ersten Impeachment-Verfahren gegen Trump.
Die Rückkehr der Falken?
Trotz der Trumpschen putinfreundlichen Eskapaden, zuletzt seine Bemerkungen über dessen Genie, haben nun vordergründig wieder die traditionellen „Falken“ Oberwasser in der Republikanischen Partei bzw. genauer: Viele Republikaner haben im Angesicht der russischen Aggression ihre traditionellen bellizistischen Positionen wiederentdeckt. Als Teil einer überparteilichen Gruppe und individuell drängen unter anderem die Senatoren Rob Portman (Ohio) und Jim Risch (Idaho), ranghöchster Republikaner im Foreign Relations Committee, Präsident Joe Biden angesichts dessen kalkulierter, auf den Zusammenhalt des westlichen Bündnisses und die Vermeidung eines dritten Weltkriegs ausgerichteter Zurückhaltung, auf entschlosseneres Handeln zugunsten der Ukraine. Die Forderung nach einer „no-fly zone“ ist wohl vom Tisch, auch weil der Republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sie strikt ablehnt, aber mehr Waffen und härtere Sanktionen sind weiterhin im Spiel.
Angesichts dieser Forderungen und der stehenden Ovationen von US-Senatoren und -Abgeordneten beider Parteien für den am 16. März per Video-Anruf zugeschalteten ukrainischen Präsidenten gerät eines leicht in Vergessenheit: Die Republikanische Partei verhielt sich während Trumps Amtszeit passiv und geradezu duckmäuserisch gegenüber seiner Nähe zu Autokraten wie Putin und Kim Jong-un sowie seiner Nato-Verachtung – und tut dies mit wenigen Ausnahmen immer noch. Eine wirkliche Distanzierung vom möglichen Präsidentschaftskandidaten für die Wahl 2024 ist bislang nicht erfolgt. Man übergeht seine Bemerkungen („Friedenstruppen“) oder tut sie als Witz ab, wie seinen Vorschlag, amerikanische Kampfflugzeuge für einen Angriff auf Russland mit chinesischen Hoheitszeichen auszustatten und dann dabei zuzusehen, wie sich Russland und China bekriegen. Das Narrativ, dass Trumps angebliche Stärke Putin von jeglichen militärischen Aktionen während seiner Amtszeit abgehalten und dass Bidens angeblich offensichtliche Schwäche Putin nun dazu eingeladen habe, ist einfach zu attraktiv für Republikanische Politiker, auch weil es wunderbar von den eigenen Verfehlungen ablenkt.
Ein Gedankenexperiment zeigt, wie sehr die politische Welt in den USA aus den Fugen geraten ist: Barack Obama, Hillary Clinton oder Joe Biden würden nach solchen Aussagen, die man Trump durchgehen lässt, ohne jeden Zweifel als Landesverräter beschimpft werden („lock them up“) und hätten auch in der eigenen Partei einen schweren Stand. Die Republikaner haben dagegen nicht nur die erste Gelegenheit einer klaren Distanzierung von Trump verstreichen lassen – nach der versuchten Erpressung Selenskyjs – sondern auch die zweite, bei dem am 13. Januar 2021 wiederum gescheiterten zweiten Impeachment-Verfahren nach dem versuchten Staatsstreich am 6. Januar 2021. Es sieht derzeit nicht so aus, als ob sie die sich aktuell bietende dritte Gelegenheit zum klaren Bruch mit Trump nutzen wollen. Eine plausible Erklärung dafür ist Trumps fast ungebrochene Macht über die Basis der Partei, insbesondere weil die Vorwahlen für die Kongresswahlen im November anlaufen.
Aber es steckt leider mehr dahinter als Wahlkalkül und es zeigt, wie brüchig die Position der USA in der westlichen Werte- und Verteidigungsgemeinschaft geworden ist. Zwar ist der von Liz Cheney – der wegen ihrer Trump-Kritik entmachteten Abgeordneten aus Wyoming – geprägte Begriff des „Putin-Flügels“ der Republikanischen Partei vor allem polemisch gemeint, aber die Bemerkung des ehemaligen Vize-Präsidenten, Mike Pence, dass es in der Partei keinen Platz für Putin-Apologeten gebe, trifft eindeutig nicht zu. Neben unsäglichen Interviews und Fernsehauftritten etwa von Mike Pompeo, der Außenminister unter Trump war, und vom ehemaligen General Douglas McGregor, zuletzt in Trumps Pentagon tätig, der unter anderem dem russischen Militär bescheinigte, am Anfang zu schwach aufgetreten zu sein und der die Verantwortung für das fortgesetzte Leid in der Ukraine bei Selenskyj ablud, tritt vor allem Tucker Carlson als Einpeitscher in Erscheinung.
Der Fox-Moderator ist bei der Trump-Basis – der MAGA-Crowd, nach Trumps von Ronald Reagan geklautem Slogan „Make America Great Again“ – äußerst beliebt und verbreitet in seiner erfolgreichen Abendshow Verschwörungserzählungen für ein Millionenpublikum. Dabei setzt er bevorzugt auf vordergründig harmlos und zumindest legitim klingende Fragen, die allerdings stets mit gezielten Auslassungen und Falschinformationen beantwortet werden. Er hat sich derzeit auf die unter anderem vom russischen Außenminister Sergej Lawrow vorgebrachte Kriegsbegründung verlegt, dass die USA die Entwicklung von chemischen und biologischen Waffen in ukrainischen Laboren unterstützt hätten, gegen die Russland quasi „präemptiv“ vorgehen musste. Im Kongress sind die Anhänger dieser und anderer Verschwörungserzählungen („QAnon“) noch in der Minderheit, aber die Abgeordneten Marjorie Taylor Greene, Lauren Boebert und Matt Gaetz gehören bei der MAGA-Crowd zu den beliebtesten Politikern, auch weil sie sehr konsequente Trump-Apologeten sind.
Doch was für den verschwörungsgläubigen Rand der GOP gelten mag – dass ihr auch von russischer Desinformation gezielt angestachelter Hass auf „liberals“ und „wokeness“ so groß ist, dass sie im Zweifel lieber von Putin als von Biden regiert werden möchten –, gilt wohl nicht einmal für das Gros der MAGA-Crowd, geschweige denn für die Mehrheit der Wähler und Amtsträger der Republikanischen Partei. Diesen müsste sich bei Tucker Carlsons Nacherzählung der Lawrowschen Version der Geschichte die Frage stellen, ob sie im Zweifel nicht trotzdem zur Ukraine halten sollten, weil diese ja nun von den USA unterstützt wird, ihrem Land. Im Kern geht es also um das Verhältnis der Republikaner zur Nation, zu den nationalen Interessen der USA.
Quelle : Blätter >>>>> weiterlesen
*********************************************************
Grafikquelle :
Oben — Heute hatte ich die Ehre, mit Premierminister Boris Johnson aus dem Vereinigten Königreich und Premierminister Scott Morrison aus Australien zusammenzutreffen. Großer Tag für den Kongress, um die Arbeitsbeziehungen mit zwei der engsten Verbündeten Amerikas weiter zu stärken.
Büro von Senator Mitch McConnell – https://twitter.com/LeaderMcConnell/status/1440779961078468610
- Gemeinfreiheit
- Datei:Mitch McConnell und Boris Johnson.jpg
- Erstellt: 21. September 2021
**************************
Unten — Präsident Donald J. Trump und Vizepräsident Mike Pence gehen mit dem Mehrheitsführer des Senats, Mitch McConnell, R-Ky., und Senator Roy Blunt, R-Mo., Dienstag, März 10, 2020, bei ihrer Ankunft im US-Kapitol zu einem republikanischen politischen Mittagessen im Senat. (Offizielles Foto des Weißen Hauses von D. Myles Cullen)
Das Weiße Haus aus Washington, DC – Präsident Trump und Vizepräsident Pence auf dem Capitol Hill
- Gemeinfreiheit
- Datei:Präsident Trump und Vizepräsident Pence auf dem Capitol Hill (49646469387).jpg
- Erstellt: 10. März 2020
Erstellt am Montag 25. April 2022 um 12:16 und abgelegt unter Amerika, Asien, Medien, Opposition. Kommentare zu diesen Eintrag im RSS 2.0 Feed. Sie können zum Ende springen und ein Kommentar hinterlassen. Pingen ist im Augenblick nicht erlaubt.