Facebook-Gründer
Erstellt von DL-Redaktion am Mittwoch 11. April 2018
Was wir Herrn Zuckerberg gerne mal ganz naiv fragen würden
Quelle : NETZPOLITIK – ORG
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Heute sagte der Facebook-Gründer im US-Kongress zum Datenskandal aus. In Europa bleibt Mark Zuckerberg jedoch bisher viele Antworten schuldig. Wir haben darum eine Liste mit Dingen zusammengetragen, die wir gerne mal ganz unbedarft von dem 33-jährigen Konzernchef wissen wollen.
Gegenüber der Öffentlichkeit gibt sich Facebook-Gründer Mark Zuckerberg meist schmallippig. Pressekonferenzen gibt er keine und Interviews nur dann, wenn die Firma so wie jetzt im Datenskanal gerade im Krisenmodus ist. Am liebsten verlautbart Zuckerberg Neuigkeiten in Facebook-Posts. Die Anhörung heute und morgen im US-Kongress bietet darum die einmalige Gelegenheit für die Abgeordneten, ihm zum Vorgehen seines Unternehmens mal kritische Fragen zu stellen, auf die er auch antworten muss. Allerdings bleibt der US-Kongress für Zuckerberg ein Heimspiel: Immerhin spendete seine Firma mehreren der Abgeordneten, die ihn befragen werden, für ihre Wahlkämpfe bedeutende Summen. Und im Entschuldigen und Besserung-Geloben ist der Facebook-Gründer bereits seit mehr als einem Jahrzehnt geübt, ohne das dies Wesentliches am Geschäftsmodell des Konzerns geändert hätte.
Sollte sich Herr Zuckerberg jemals dazu durchringen, die Einladung des Europäischen Parlamentes zu einer Befragung dort anzunehmen oder sogar im Bundestag zu sprechen – auch wir wüssten gerne über einiges Bescheid. Die Kollegen vom Guardian, Bloomberg und C|Net haben sich bereits hervorragende Kataloge mit harten Fragen für Zuckerberg ausgedacht, die wichtige Details der Datensammelwut des Konzerns beleuchten. Beantworten wird Facebook die meisten dieser Fragen wohl nicht. Wir haben eine Liste mit harten Fragen zusammengestellt, auf die Facebook detailliert antworten musss.
Details sind aber nicht alles: Beim Datenskandal geht es ums große Ganze. Denn auch wenn Facebook seine Privatsphäre-Einstellungen verbessert und externen Firmen weniger Zugriff auf Daten erlaubt, verdient der Konzern weiterhin sein Geld mit der Vermietung der Aufmerksamkeit seiner Nutzer. Um den größeren Zusammenhang nicht aus dem Blick zu verlieren, haben wir an dieser Stelle nochmal ein paar ganz und gar naive Fragen für Zuckerberg zusammengetragen:
Zuckerberg präsentiert sich bisher vor allem als Opfer der dubiosen Datenfirma, die Nutzerdaten von bis zu 87 Millionen Nutzern von der Social-Media-Plattform absaugte und in US-Wahlkämpfen einsetzte. Allerdings wollte der Facebook-Chef es offenkundig sehr lange nicht so genau wissen, wenn es um Geschäftspraktiken seines Unternehmens ging. Auch betont der 33-jährige Milliardär, dass seine Firma die Frage der „Sicherheit nie ganz lösen“ werde, denn es handle sich um ein „Wettrüsten“. Wer hier gegen wen rüstet, lässt er dabei offen. Klar ist nur, wen Zuckerberg dabei bereit ist, den kommerziellen Interessen und der politischen Agenda seiner Werbepartner auszuliefern: uns.
Tatsächlich ist nicht sicher, wann der Facebook-Chef das erste Mal vom großangelegten Datenabsaugen durch Cambridge Analytica informiert wurde. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist das Vorgehen der britischen Firma spätestens seit einem Bericht des britischen Guardian 2015. Damals untersuchte Facebook den Vorgang, allerdings bleibt die Antwort bestenfalls ungenügend. Es wurde nicht gegen Cambridge Analytica rechtlich vorgegangen und die betroffenen Nutzer werden jetzt erst, drei Jahre später, informiert.
Kennt Facebook beim Datensammeln Grenzen?
Facebook verband seine kommerzielle Agenda von Anfang an mit dem politischen vagen, aber durchaus wirkmächtigen Postulat der Offenheit. Zuckerberg erklärte den Rückbau der Privatsphäre zum politischen Gebot einer demokratischen Gesellschaft. In einem Interview mit dem Magazin Wired im Jahr 2009 sagte Zuckerberg etwa, durch Facebook lernten die Nutzer, nach und nach mehr Informationen von sich preiszugeben:
Am Ende ist das Web damit einfach reichhaltiger, und es steht unter stärkerer demokratischer Kontrolle durch die Menschen, die ihre Sachen teilen – im Gegensatz zu irgendeiner zentralen Instanz, die kommt und alle Information speichert. [Eigene Übersetzung]
Privat schlug Zuckerberg andere Töne an. Nach der Gründung von Facebook 2004 prahlte der noch jugendliche Firmenchef gegenüber einem Freund damit, er könne aus dem Datenschatz des Netzwerks private Informationen über jeden Nutzer an seiner Alma Mater Harvard beschaffen. „Sie ‚vertrauen mir’“, schrieb Zuckerberg demnach in einer privaten Nachricht. „Dumme Ficker.“ (Im englischen Original: „Dumb Fucks“).
Zuletzt schränkte Facebook einige Praktiken seiner Geschäftspartner ein und besserte bei den Privatsphäre-Einstellungen für Nutzer nach. Auch wird die Datenschutzgrundverordnung der EU wohl dabei helfen, die manische Datensammlung durch Facebook zumindest etwas einzuschränken. Dennoch würden wir gerne wissen, ob wir als Ware, mit der Zuckerberg Milliarden verdiente, für ihn nicht einfach „Dumb Fucks“ geblieben sind.
Fühlt sich Facebook an Datenschutz-Gesetze gebunden?
In den USA und Europa steht Facebook seit Jahren im ständigen Austausch mit den Datenschutz-Behörden. Doch in zentralen Fragen lässt sich der Konzern wenig dreinreden, auch wenn die Regulatoren immer wieder Warnungen aussprechen. Der amerikanische Jurist David C. Vladek warf Facebook zuletzt vor, seit mehr als einem Jahrzehnt systematisch Bestimmungen zu ignorieren. Dies sei nicht erst seit der Causa Cambridge Analytica der Fall, sondern auch bereits 2007 beim umstrittenen Shopping-Tool Beacon und späteren Vereinbarungen mit der US-Bundesbehörde FTC der Fall gewesen, schreibt der frühere Leiter des FTC-Konsumtenschutzbüros:
Alle Schritte von Facebook waren kalkuliert und absichtlich gesetzt, fester Bestandteil des Geschäftsmodells der Firma und im Widerspruch zu den Behauptungen der Firma über die Privatspäre seiner Nutzer und die Werte der Firma. Es gibt also klare Zeichen der Korrumpiertheit.
Wir würden daher gerne wissen, ob das teils schamlose Vorgehen von Facebook nicht schlicht ein untrennbarer Teil des eigenen Geschäftsmodells ist. Und ob sich die Firma gegen Regulierung wehrt, weil sie anders nicht profitabel wäre.
Warum sammelt Facebook so viele Daten über Nicht-Nutzer?
Der Konzern legt vermutlich jede Telefonnummer und Emailadresse, denen er habhaft werden kann, als Schattenprofil ab. Ähnlich geht der Konzern mit Informationen vor, die er über Tracking-Tools auf fremden Webseiten sammelt. Diese Praxis ist spätestens 2011 öffentlich. Der österreichische Datenschützer Max Schrems beschrieb die Methode damals in seiner Beschwerde gegen den Internetkonzern an die irische Datenschutzbehörde. Deutsche Datenschützer sehen solche Praxen zumindest skeptisch, in den vergangenen Jahren nahmen die Behörden sie aber nicht aufs regulatorische Korn. Die amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU stellt nach der Cambridge-Analytica-Affäre nun die Gretchenfrage:
Sind wir alle, die es explizit vermieden haben, den Nutzungsbedingungen Facebooks zuzustimmen, einfach Freiwild für ein branchenübergreifendes Überwachungs- und Targeting-Netzwerk?
Haben kleinere Mitbewerber von Facebook noch eine Chance?
Das scheinbar grenzenlose Wachstum der Plattformkonzerne Alphabet (Google), Amazon, Facebook und Apple sorgt selbst in wirtschaftsliberalen Kreisen für Beunruhigung. Immerhin steht die Marktmacht der Daten-Oligopolisten zunehmend im Widerspruch zur freien Marktwirtschaft, denn die großen Vier sind längst in der Lage, lästige Mitbewerber entweder aufzukaufen oder mit günstigeren Preisen aus dem Wettbewerb zu werfen. In einigen Geschäftsbereichen dominieren die Internetkonzerne beinahe völlig: Google und Facebook kassierten nach einer Studie im Vorjahr ganze 84 Prozent der globalen Werbe-Ausgaben (mit Ausnahme Chinas) ein.
Zuckerberg muss sich der Frage stellen, ob seine Firma sich überhaupt noch dem freien Wettbewerb stellen will und warum wir als Öffentlichkeit dabei untätig zusehen sollten. Das Problem geht uns alle an: Was ist, wenn Kapitalismus und Marktwirtschaft keine Synonyme mehr sind?
Kann Facebook Wahlen beeinflussen?
Kurz nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump tat Mark Zuckerberg im November 2016 die Idee ab, Falschnachrichten auf seiner Plattform könnte den Ausgang des Urnengangs beeinflusst haben. Das sei eine „pretty crazy idea“ – eine ziemlich verrückte Idee. Später ruderte er nach öffentlichem Druck zurück, eine echte Antwort bleibt er aber schuldig.
Facebook spielt auf verschiedene Arten in der Politik mit. Einerseits ist das soziale Netzwerk für seine rund zwei Milliarden Nutzer weltweit eine wichtige Nachrichtenquelle. Wie der Facebook-Algorithmus gestaltet ist, und was er nach oben spült, ist letztlich eine Entscheidung mit politischen Konsequenzen. Doch der Algorithmus ist eine Black Box und seine Entscheidungen für die Öffentlichkeit kaum nachvollziehbar.
Facebook mischt sich aber auch direkt in Wahlen ein. Vor der US-Wahl 2016 erinnerte das soziale Netzwerk seine über-18-jährigen Nutzer in den USA daran, sich für die Wahl zu registrieren. Bei einem vorherigen Testlauf in Kalifornien trieb das die Zahl der zugelassenen Wähler offenkundig deutlich in die Höhe. Auch in Deutschland zeigte Facebook vor der Bundestagswahl 2017 nach eigenen Angaben allen deutschen Nutzern über 18 Jahren einen „Geh wählen“-Button an. Damit steigert das Unternehmen wohl die Wahlbeteiligung. Aber vieles bleibt unklar: Wird das wirklich allen angezeigt? Und warum mobilisiert ein profitorientiertes Unternehmen eigentlich Wähler?
Brauchen wir Regeln für die Online-Werbung?
Facebook ist eine Werbeplattform für Politiker, Parteien und Regierungen. In Wahlkämpfen werden in Europa und den USA Millionen für Anzeigen und gesponserte Posts ausgegeben. Politisches Microtargeting macht es möglich, einzelne Gruppen gezielt anzusprechen und damit praktisch abseits der Öffentlichkeit im politischen Halbdunkel zu werben. Wieviel Geld genau fließt, wissen wir nicht, auch wenn Facebook angekündigt hat, politische Werbung künftig besser zu kennzeichnen. Genausowenig wie wir wissen, wer alles versucht, durch Trolle, Bots und bezahlte Anzeigen politische Diskurse zu beeinflussen.
Zuckerberg wird sich nun die Frage gefallen lassen müssen, welche Rolle der Konzern im politischen Geschehen von Washington bis Phnom Penh spielt und spielen will? Ein Verdacht liegt nahe: Politischer Einfluß bei Facebook geht an den meistbietenden Werbekunden. Aber hat das Unternehmen auch eine eigene politische Agenda? Zuckerberg selbst tourte im Vorjahr durch alle 50 US-Staaten, als wäre er ein Politiker auf Wahlkampfreise. Wozu er die globale Medienmacht seines Konzerns noch nutzen wird, dazu schweigt Zuckerberg sich aber aus. Es wäre an der Zeit, ihn mal zu fragen.
Welche naiven und weniger naiven Fragen haben wir vergessen? Wir freuen uns über Eure Rückmeldungen.
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Author | LPS.1 |