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EU-Brüssel: Freie Meinung

Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 24. Februar 2018

Immer mehr Plattformen sollen Uploads filtern

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Quelle  :  Netzpolitik.ORG

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Derzeit ringt das EU-Parlament um seine Position zu Upload-Filtern, mit denen Urheberrechtsverletzungen unterbunden werden sollen. Derweil setzen große und zunehmend mehr kleine Plattformen auf eine zentralisierte Datenbank, die eigentlich nur Terrorpropaganda aus dem Internet verbannen helfen soll – deren Zweck aber laufend ausgeweitet wird.

Im Kampf gegen online verbreitete Terrorpropaganda hat die EU-Kommission bislang auf Zuckerbrot und Peitsche gesetzt: Mit mehr oder weniger sanftem Druck brachte sie die vier großen Plattformbetreiber Facebook, Youtube, Twitter und Microsoft dazu, in Eigenregie Uploadfilter einzurichten, um „terroristische“ oder „extremistische“ Inhalte von ihren Plattformen zu entfernen und deren erneutes Hochladen zu verhindern. An diese Datenbank sollen sich nun mehrere weitere, kleinere Anbieter anschließen, kündigte die EU-Justizkommissarin Věra Jourová am Dienstag in Brüssel bei einem Gespräch mit Journalisten an. Um welche Anbieter es sich genau handelt, soll in den kommenden Tagen bekannt gegeben werden.

Zurückzuführen sind diese Maßnahmen zu einem guten Teil auf das 2015 entstandene „EU Internet Forum“, in dem sich große Plattformbetreiber, Behörden wie Europol und Vertreter der Kommission sowie von EU-Mitgliedstaaten versammeln. Ziel des auf Initiative der Kommission eingerichteten Arbeitskreises ist es, Methoden zu entwickeln, um „illegale Hassrede“ schnell und dauerhaft aus dem Internet zu verbannen. Verständigt hat sich die Runde unter anderem auf einen auf Selbstregulierung abzielenden Verhaltenscodex („Code of Conduct“), genauso wie die EU-Kommission rechtlich nicht bindende Empfehlungen und Orientierungshilfen für Plattformbetreiber bereitstellt. Im Gegenzug verzichtete die Kommission bislang auf gesetzliche Maßnahmen und Sanktionen für die Anbieter.

Schneller und mehr löschen

Doch zunehmend dreht die Kommission die Daumenschrauben enger. Einerseits will sie Betreiber etwa dazu anhalten, solche Inhalte noch schneller als zuvor zu erkennen und sie innerhalb einer Stunde zu löschen. Andererseits hält sie immer mehr Plattformen dazu an, sich an der Datenbank zu beteiligen, in der die digitalen Fingerabdrücke der inkriminierten Inhalte abgelegt sind. Landet ein solcher „Hash“ einmal in der Datenbank, ist ein erneutes Hochladen der jeweiligen Datei nicht mehr möglich.

Neben den großen Vier beteiligen sich seit Kurzem auch Google+ und Instagram am Befüttern und Abfragen des automatisierten Systems. Bekannt wurde außerdem, dass im Dezember erstmals die Anbieter Justpaste.it, Snap, WordPress und Yellow an einem Treffen des EU Internet Forum teilgenommen haben. Sie könnten zu den Plattformen zählen, die demnächst ebenfalls Inhalte vorfiltern.

Gesetzliche Regelung rückt näher

Und schließlich rückt die Kommission immer mehr davon ab, die Maßnahmen auf Selbstregulierung und „Freiwilligkeit“ basieren zu lassen. Es sei „sehr wahrscheinlich“, sagte Jourova, dass es demnächst zu einer konkreten legislativen Initiative kommen werde, die Plattformen verbindlich zum Einsatz des automatischen Systems verpflichtet. Zumindest wird es wahrscheinlich eine „Empfehlung“ geben, deren Entwurf die digitale Bürgerrechtsorganisation EDRi letzte Woche veröffentlicht hat.

Falls es aber tatsächlich zu einer rechtlich bindenden, gesetzlichen Regelung kommen sollte, stellte die tschechische Kommissarin klar, werde diese zunächst nur für „eindeutige“ terroristische Inhalte gelten, beispielsweise im Fall von Enthauptungsvideos. „Für den Rest, also Hassrede, Urheberrechtsverletzungen, Verbraucherschutz und so weiter, wollen wir weiterhin den Selbstregulierungsansatz beibehalten“, erklärte Jourová. „Dabei werden wir den IT-Sektor dazu drängen, proaktiver zu handeln und möglichst verantwortungsbewusst auf Beschwerden und Eingaben von Außen zu reagieren.“ Im Blick hat die Kommissarin allerdings in erster Linie sogenannte „Trusted Flagger“, die den Plattformen zuarbeiten und entsprechende Inhalte melden.

Wenn zu viel verschwindet

Der Gefahr von Overblocking, wenn Plattformen im Zweifel zu viel als zu wenig löschen, will Jourova mit einer Klagemöglichkeit für Nutzer im jeweiligen Mitgliedstaat begegnen. Zudem fordert der Verhaltenscodex einfache Beschwerdeformulare für Nutzer, deren Inhalte womöglich ungerechtfertigt entfernt wurden – oder im Falle einer laut der jeweiligen Plattform gerechtfertigten Löschung aufgeklärt werden, warum das geschehen ist.

Dass dies aber noch nicht so recht klappt, illustrierte die Tschechin mit einer Anekdote aus ihrem ehemals kommunistischen Heimatland: Unlängst habe sie dort ein älterer Bürger angesprochen, der auf Facebook den guten alten Zeiten nachgetrauert habe. Die Plattform habe sein Posting jedoch gelöscht. Dabei hätte er aber keinesfalls zu Gewalt oder Terrorismus aufgerufen, versicherte ihr der Mann.

„Das ist exakt das, was [die Plattformen] nicht tun dürfen“, betonte Jourová. „Das ist Ihre Meinung, die ich nicht teile“, habe sie dem Mann entgegnet. „Aber ich werde mein Bestes tun, um Ihr Recht zu schützen, solche Dinge zu schreiben.“ Sie werde nun bei Facebook nachhaken und fragen, warum dieses Posting entfernt wurde – Ausgang ungewiss.

Erster Schritt Terrorismus, zweiter Urheberrecht

Nicht minder problematisch ist die Etablierung von europaweit greifenden Upload-Filtern. Das Muster ist bekannt: Zunächst kommen solche Instrumente im Kampf gegen zweifelsfrei abstoßende illegale Inhalte wie Kinderpornographie oder Terrorismus zum Einsatz. Die Kommission macht aber keinen Hehl daraus, diese Zensurinfrastruktur sowohl auf damit nicht zusammenhängende Felder wie Urheberrechtsverletzungen auszuweiten als auch möglichst viele Plattformen dazu zu drängen, sich daran anzuschließen.

Auf Druck der EU-Kommission schaffen hier private Unternehmen Tatsachen, die anderorts, etwa im EU-Parlament, heftig umstritten sind. Selbst wenn die Upload-Filter, die sogar der schwarz-schwarz-rote Koalitionsvertrag als „unverhältnismäßig“ ablehnt, es nicht in die Urheberrechtsreform schaffen sollten, dann können sich Rechteinhaber sicher sein, dass das Internet ihren Stempel und nicht den der Nutzer tragen wird.

Privatisierte Vorab-Zensur

Mit dieser Initiative greift die EU-Kommission jedoch potenziell tiefer in das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ein, als es etwa beim deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz der Fall ist. Dieses verpflichtet zwar Plattformbetreiber ab einer bestimmten Größe dazu, gemeldete illegale Inhalte zügig zu entfernen, zwingt sie aber nicht zu einer automatisierten Vorab-Zensur. Auch die mittlerweile in Deutschland eingeführten Netzsperren zielen darauf ab, unerwünschte Inhalte aus dem Internet zu entfernen. Immerhin setzen diese aber eine gerichtliche Anordnung voraus und lassen sich zudem leicht umgehen.

Mit ihrer Initiative mag die EU-Kommission ein hehres Ziel verfolgen und damit teilweise erfolgreich sein. Es ist aber kein Zufall, dass Bürgerrechtsorganisationen wie EDRi oder Access Now unter lautem Protest aus dem EU Internet Forum ausgestiegen sind – auch wenn die Kommission beteuert, mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenzuarbeiten oder gelegentlich Fortschrittsberichte veröffentlicht. Denn solange weiterhin intransparente Plattformen privatisierte Rechtsdurchsetzung im Schnelldurchlauf betreiben (müssen), könnte der Kollateralschaden weitaus größer ausfallen, als der erste Blick vermuten lässt.

Die traurige Wahrheit der zerstörung der Grundgesetze – Demo Freiheit statt Angst
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Source Zerstörung der Grundgesetze
Author Jürgen Brocke from Gemany

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