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Erzwungenes Schweigen:

Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 8. März 2019

Wie Männer Frauen mundtot machen

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von Kate Manne

Frauen, die stranguliert werden, kooperieren nur selten mit der Polizei. Eine nicht tödliche Strangulation ist durchaus gefährlich, da sie noch Stunden, Tage und sogar Wochen später aufgrund von Komplikationen durch den Sauerstoffmangel im Gehirn zum Tod führen kann.[1] Außerdem führt sie zu Verletzungen der Kehle, die nicht unbedingt Spuren hinterlassen. Wenn man nicht weiß, wie man die Kehle eines Opfers untersuchen muss, worauf man in ihren Augen achten sollte (punktförmige Einblutungen, sogenannte Petechien) und welche Fragen zu stellen sind, kann es so scheinen, als sei kein Schaden entstanden. Häufig wird die Angelegenheit nicht weiterverfolgt. Die Frau lässt sich vielleicht nicht einmal medizinisch behandeln. Alle „hüllen sich in Schweigen“ über den Vorfall. Manche Frauen wachen am nächsten Morgen oder irgendwann später einfach nicht mehr auf.

Bei Opfern eines nicht tödlichen Angriffs besteht dagegen eine etwa siebenfach erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sie Opfer eines weiteren Tötungsversuchs durch denselben Täter werden. Dennoch gibt es in vielen US-Bundesstaaten keine spezifische gesetzliche Regelung, die Strangulation als Verbrechen einstufen würde; somit ist sie eine einfache Tätlichkeit, typischerweise ein Vergehen.

Strangulation ist eine weit verbreitete Form von Gewalt zwischen Intimpartnern und kommt zudem gelegentlich in anderen familiären Beziehungen vor. Offenbar beschränkt sie sich nicht auf bestimmte geographische Gebiete, sondern ist überall dort nachweislich vorhanden, wo entsprechende Daten verfügbar sind. In vielen, zumal ärmeren Ländern werden solche Daten allerdings gar nicht erhoben.

Strangulation kann entweder mit bloßen Händen oder mit Hilfsmitteln wie Seil, Gürtel, Strick, Elektrokabel oder Ähnlichem erfolgen. In einem jüngst in lokalen Nachrichtenmedien in Florida gemeldeten Fall wurde eine fünfundsiebzigjährige Frau mit einer Hundeleine aus Metall stranguliert, als sie ihren Hund spazieren führte. Der Mann, der sie angriff, war offenbar ein Fremder, was durchaus atypisch ist.[2]

Die große Mehrheit der Strangulierungsopfer sind weibliche Intimpartner, obwohl auch Kinder überproportional anfällig sind. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle sind die Täter laut Metastudien Männer.[3] Daraus folgt selbstverständlich nicht, dass mehr als nur ein kleiner, vielleicht sogar verschwindend geringer Prozentsatz der Männer Frauen strangulieren.[4] Es besteht ein offenkundiger Unterschied zwischen „(fast) ausschließlich“ und „(nahezu) alle“, der jedoch durch verallgemeinernde Behauptungen wie „Männer strangulieren“ verwischt werden kann.[5]

Ein weiterer Punkt ist hier anzumerken: Strangulation ist Folter. Forscher vergleichen Strangulation mit Waterboarding, und zwar sowohl in Hinblick auf die Gefühle, die es auslöst – Schmerz, Angst und Schrecken –, als auch auf die damit einhergehende soziale Bedeutung. Strangulation gilt als Demonstration von Autorität und Herrschaft. Als solche ist sie in Verbindung mit ihrem genderspezifischen Charakter ein paradigmatischer Ausdruck der Misogynie.

Zur Aufrechterhaltung der patriarchalischen Ordnung

Misogynie belegt eine bestimmte (mehr oder weniger klar umrissene) Kategorie von Mädchen und Frauen mit feindseligen oder negativen Konsequenzen, um gesellschaftliche Normen durchzusetzen und zu überwachen, die entweder theoretisch (das heißt inhaltlich) oder praktisch (in den Mechanismen der Normdurchsetzung) genderspezifisch sind. Dabei können sowohl der Inhalt der eigentlichen Normen als auch die Mechanismen ihrer Durchsetzung je nach der sozialen Stellung der unterschiedlich situierten Mädchen und Frauen stark variieren. Misogynie ist somit ein Mittel, die patriarchalische Ordnung aufrechtzuerhalten. Charakteristisch ist auch die Gleichgültigkeit und Ignoranz gegenüber dieser Praxis sowie die Tatsache, dass viele Opfer sie bagatellisieren oder – wie ich im Weiteren erörtern werde – durch „Gaslighting“ zu Zweifeln an ihrer eigenen Wahrnehmung getrieben werden.

Da Strangulationsopfer nur äußerst widerstrebend gegen ihre Angreifer aussagen, setzen sich manche Ermittlungsbeamte mittlerweile dafür ein, eine Strafverfolgung der Täter aufgrund von Indizien zu betreiben, weil das Opfer des Verbrechens zuvor eingeschüchtert oder sozusagen „erstickt“ wurde. Das erinnert an Kristie Dotsons Ausdruck „testimonial smothering“ (Aussageunterdrückung) für das Phänomen, dass ein Sprecher sich selbst zum Schweigen bringt, weil bestimmte Äußerungen riskant oder unsicher und ohnehin vermutlich vergebens sind, da es den Zuhörern an „Aussagekompetenz“ fehlt, was aus ihrer „gefährlichen Ignoranz“ resultiert (oder zu resultieren scheint).[6] Es liegt auf der Hand, dass Strangulation in einer intimen Beziehung tendenziell zu einer nach diesen Kriterien definierten Aussageunterdrückung in Dotsons Sinn führt. Wenn die Frau aussagt, macht die demonstrierte Bereitschaft des Mannes, alles Erforderliche zu tun, um wieder die Oberhand zu gewinnen, die Situation gefährlich. Und wie sich noch zeigen wird, ist die mangelnde Kompetenz in Bezug auf das Konzept der Strangulation extrem weit verbreitet. Diese Inkompetenz ist das Ergebnis einer gefährlichen Ignoranz, die Misogynie speist und gedeihen lässt.

Pars pro toto – Donald Trump

Wie Dotsons Arbeit zu epistemischer Unterdrückung gezeigt hat, lassen sich Menschen auf mancherlei Art zum Schweigen bringen. Hier nur eine metaphorische Anmerkung zu einigen der Möglichkeiten, die sie eingehend analysiert: Man kann einer Frau Worte in den Mund legen. Man kann ihr mit ehrerbietigen Plattitüden das Maul stopfen. Man kann ihr drohen, sie müsse bestimmte Dinge, die sie sagen könnte, zurücknehmen, um ihrer möglichen Aussage oder auch nur ihrer Erkenntnis, was ihr und anderen passiert, vorzubeugen. Man kann mauern und dafür sorgen, dass ihre Äußerungen zum Scheitern verurteilt sind und völlig aus der Luft gegriffen erscheinen.

Man kann sie darauf trainieren, nicht „strangulieren“ zu sagen, sondern „den Atem rauben“ oder noch besser „packen“, am besten aber gar nichts. Es war doch nichts: Es ist nichts passiert. Wenn etwa Donald Trump damit angibt, Frauen an den Genitalien zu packen, wird daraus „Umkleideraumgerede“, als ob das genügen würde, um jeglichen Kommentar zu unterbinden.[7] Viele sahen es denn auch tatsächlich so.

Trumps erste Ehefrau Ivana hatte in einer eidesstattlichen Aussage zur Scheidung erklärt, Trump habe sie vergewaltigt. Laut seinem Sprecher war das jedoch „altbekannt und ist nie passiert“. Und nach den Angaben seines Anwalts Michael Cohen war es „nicht das Wort, das Sie daraus zu machen versuchen“. Ivana Trump habe sich „emotional vergewaltigt gefühlt […]. Sie bezog sich damit nicht auf eine kriminelle Handlung und meinte es nicht buchstäblich, obwohl das Wort viele buchstäbliche Bedeutungen haben kann.“ Das äußerte Cohen, nachdem er (gegenüber einem Reporter von „Daily Beast“) vehement vertreten hatte, es könne sich gar nicht um eine Vergewaltigung gehandelt haben, da man laut gut etablierten juristischen Präzedenzfällen seine eigene Frau nicht vergewaltigen könne. Umgehend kam der Hinweis, dass man Vergewaltigung in der Ehe bereits einige Jahre vor diesem Vorfall unter Strafe gestellt hatte – beschämend spät, aber keineswegs spät genug, um Donald Trump automatisch von Schuld freizusprechen.

Also brauchte man andere semantische Ausflüchte. Die Auseinandersetzung habe auf „emotionaler“ Ebene stattgefunden, das Problem läge im Grunde also ausschließlich in Ivanas Kopf. Es sei kein Vergehen „im strafrechtlichen Sinne“ gewesen, wie sie selbst auf Drängen (wieder von Trumps Anwälten) als Dementi hinzufügen musste, als 1993 Harry Hurts Buch „The Lost Tycoon“ mit einer auf ihrer Darstellung basierenden Schilderung des Vorfalls erschien. Trump wies die Behauptungen in Bausch und Bogen zurück, ging dabei aber nur auf ein Detail ihrer Geschichte ein – auf das ich später zurückkomme.

Eine solche Leugnung kann vielerlei Formen annehmen. „Es ist keine Vergewaltigung, nicht ganz, aber doch unerwünscht, gänzlich unerwünscht“, so beschreibt der zweiundfünfzigjährige Professor David Lurie, Hauptfigur in J. M. Coetzees Roman „Schande“, den Sex mit seiner Studentin Melanie. „Als hätte sie sich entschlossen, ganz schlaff zu werden, sich tot zu stellen, so lange es dauert, wie ein Kaninchen, wenn die Fänge des Fuchses sich in seinem Nacken verbeißen.“

Wie nennt man das? Wenn nicht ganz Vergewaltigung, wie denn dann?[8] Trumps Anwalt Michael Cohen warnte den „Daily Beast“-Reporter, der ihn auf diese Geschichte ansprach, sie überhaupt zu erwähnen. Andernfalls schwor er ihm: „Ich werde dafür sorgen, dass Sie und ich uns eines Tages vor Gericht wiedersehen. Und ich werde Ihnen jeden Penny nehmen, den Sie noch gar nicht haben. Ich werde hinter Ihrem ‚Daily Beast‘ und jedem anderen her sein, den Sie vielleicht kennen […]. Ich warne Sie, seien Sie verdammt vorsichtig, denn das, was ich mit Ihnen machen werde, wird verdammt unangenehm werden. Verstanden?“

Cohen erklärte weiter: „Es ist nicht vernünftig, dass Sie eine Story darüber schreiben wollen, wie jemand das Wort ‚Vergewaltigung‘ gebraucht, wenn sie davon spricht, dass sie sich emotional nicht befriedigt gefühlt hat.“

Dann wiederholte er: „Das Wort hat zwar viele buchstäbliche Bedeutungen, aber wenn Sie es entstellen und Mr. Trumps Namen damit in Verbindung bringen, seien Sie versichert, dann werden Sie die Konsequenzen tragen. Machen Sie also, was Sie wollen. Wollen Sie mit zwanzig Ihr Leben ruinieren? Machen Sie das, und ich sorge nur zu gern dafür.“[9] Trumps Wahlkampfteam versuchte, ihn von diesen Drohungen zu distanzieren. „Mr. Trump wusste nichts von [Cohens] Äußerungen, aber er ist nicht damit einverstanden […]. Niemand außer Mr. Trump spricht für Mr. Trump“, erklärte sein Sprecher.[10]

Mittlerweile hat Ivana ihre frühere, im Scheidungsverfahren beeidete Darstellung allem Anschein nach vehement genug für sie beide dementiert. Sie behauptet, ihre eigene Schilderung entbehre „jeglicher Grundlage“. Als der oben zitierte Artikel im „Daily Beast“ erschien, gab sie eine Presseerklärung heraus: „Kürzlich habe ich einige mir zugeschriebene Äußerungen gelesen, die ich vor dreißig Jahren in einer äußerst angespannten Phase während meiner Scheidung von Donald gemacht haben soll. Die Geschichte entbehrt jeglicher Grundlage. Donald und ich sind die besten Freunde und haben gemeinsam drei Kinder großgezogen, die wir lieben und auf die wir sehr stolz sind.“[11]

Das ist der Mann, über den sie einmal erzählte, er habe ihr ganze Büschel Haare ausgerissen aus Wut, weil sie ihm den Chirurgen empfohlen hatte, der seine Kopfhautoperation verpfuscht hatte – die offensichtlich nicht nur erfolglos, sondern auch schmerzhaft war. Wie Ivana schrieb, „rammte“ ihr Mann anschließend ohne Vorwarnung (daher also nicht einvernehmlich) seinen Penis in sie hinein. Nach ihrer Schilderung fragte er sie am nächsten Morgen grinsend und „mit drohender Beiläufigkeit“: „Tut’s weh?“ Offensichtlich wollte er, dass es wehtat. Er wollte ihr heimzahlen, dass sein Kopf schmerzte. Trump bestreitet an dieser Darstellung nur einen Punkt: den Eingriff gegen ein nicht vorhandenes Problem, nämlich seine beginnende Glatze.[12]

Ivanas Presseerklärung endete mit den Sätzen: „Ich empfinde für Donald ausschließlich Zuneigung und wünsche ihm viel Glück mit seinem Wahlkampf. Im Übrigen finde ich, er wäre ein unglaublicher Präsident.“ (Und tatsächlich reicht Trumps Präsidentschaft inzwischen längst an die Grenzen des Unglaublichen heran.)

Stimmbrüche oder: Gebrochene Stimmen

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Grafikquellen       :

Oben      —          Geschenkkorb Herbert

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Author Geschenkkorb-Laden
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