Erdogan-auf Sand gebaut
Erstellt von DL-Redaktion am Dienstag 18. April 2017
Erdoğans Sockel ist höchst bröckelig
Von Çiğdem Akyol, Istanbul
Der türkische Präsident bekommt mehr Macht. Gerade weil Erdoğans Sieg so knapp ist, wird der Druck auf seine Gegner und jeden, der anders denkt, steigen.
Recep Tayyip Erdoğan hat diesen Moment nie vergessen: Er war sieben Jahre alt, als er in der in der Zeitschrift Hayat Mecmuası Fotos des türkischen Premierministers Adnan Menderes entdeckte. Der Regierungschef war am 17. September 1961 nach einem Militärputsch von der Junta hingerichtet worden. Die abgedruckten Bilder zeigten Menderes mit einem weißen Totenhemd und gefesselten Händen am Galgen baumeln. „Damals habe ich nicht viel verstanden. Aber ich sah, dass mein Vater und meine Mutter sehr bestürzt waren, den Mann auf seinen Tod zugehen zu sehen.“ Gemeinsam mit seinem Vater habe er wegen des Unrechts geweint, so schilderte der heutige Staatspräsident Erdoğan einst rückblickend.
Gestern kündigte der heute 63-Jährige in Istanbul vor begeisterten Anhängern erneut an, die Todesstrafe wieder einführen zu wollen. Wenn er dafür nicht die Unterstützung im Parlament bekomme, „dann machen wir eben auch dazu eine Volksabstimmung“.
„Er hat es so oft wiederholt, dass er bereit sei, die Todesstrafe einzuführen, dass ich es auch für möglich halte“, sagt Gareth Jenkins, Türkei-Experte vom schwedischen Institut für Sicherheits- und Entwicklungspolitik (ISDP). „Er hat es immer und immer wieder gesagt. Es wird sehr schwierig für ihn, diese Ankündigung nicht umzusetzen.“ Das Scheitern der EU-Beitrittsverhandlungen nehme der Türke dafür in Kauf, weil er denke, dass er diese nicht mehr brauche.
Er muss etwas anbieten – und ich befürchte, es wird die Todesstrafe sein.
Denn Erdoğan habe schon die Präsidentschaftswahlen für 2019 im Blick und brauche auch dafür wieder die Stimmen der Ultranationalisten. Und diese würden es dann vielleicht nicht verzeihen, wenn ihr Präsident sein Wahlversprechen und ihre Forderung nach dem Galgen nicht umgesetzt habe. „Er muss den Menschen etwas versprechen, um neue Stimmen zu bekommen“, sagt der Wissenschaftler. „Die Wirtschaftskrise wird schlimmer, die Türkei ist international isoliert, er muss etwas anbieten – und ich befürchte, es wird die Todesstrafe sein“, sagt Jenkins.
Nach jetzigem Stand hat in dem historischen Referendum eine Mehrheit der Türken für die Einführung eines Präsidialsystems gestimmt. Präsident Erdoğan sowie Regierungschef Binali Yıldırım sprachen von Sieg, doch dieser Sieg – wenn er sich bestätigen sollte – wäre so knapp und wackelig, dass der immer stärker werdende Mann aus Ankara seine Macht mit einer noch autokratischeren Politik wird zementieren müssen. Denn der Sockel, auf dem er jetzt steht, ist höchst bröckelig.
Vorläufiges Ergebnis des Verfassungsreferendums in der Türkei
Grafikquelle :
Mittwoch 19. April 2017 um 10:05
75 Prozent pro Erdogan in Essen – so erklärt ein geschockter Oberbürgermeister Kufen das Ergebnis
https://www.derwesten.de/staedte/essen/75-prozent-pro-erdogan-in-essen-so-erklaert-ein-geschockter-oberbuergermeister-kufen-das-ergebnis-id210283415.html
Mittwoch 19. April 2017 um 11:57
BRODER: WUSSTEN SIE, DASS DIE EU 2007 BIS 2013 JÄHRLICH 700 MILLIONEN EURO AN DIE TÜRKEI GEZAHLT HAT „ZUR FÖRDERUNG VON DEMOKRATIE, ZIVILGESELLSCHAFT UND RECHTSSTAATLICHKEIT“?
Kurz und bündig: 700 Mio. in den Sand gesetzt!
Donnerstag 20. April 2017 um 18:45
Eine Reise in die Türkei 🙁 kommt für mich vorerst nicht mehr in Frage.
Eine unbedachte Bemerkung und man kann jahrelang die „Wohltaten“ eines türk. Gefängnisses kennenlernen, ohne Anklage, ohne Gerichtsverhandlung und ohne Rechtsbeistand