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Elon Musks Twitter-Kauf

Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 29. April 2022

Kommt jetzt bloß nicht mit diesem Airbus-Quatsch

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Politiker brauchen nicht einmal Erfolge um ihre Hirne zu vernebeln

Eine Kolumne von Sascha Lobo

Elon Musk will Twitter kaufen, für 44 Milliarden Dollar – ein Unterfangen voller Risiken. Wer jetzt lautstark die Verstaatlichung des Dienstes fordert, sitzt einem großen Missverständnis auf.

Am 29. Mai 1969 unterzeichneten der deutsche Wirtschaftsminister und der französische Verkehrsminister einen Vertrag, der als Erfolgsgeschichte der europäischen Industrie gelten muss. Leider hat er aber auch eine unangenehme Spätwirkung auf die digitale Gegenwart, und zwar bis heute. Am 29. Mai 1969 wurde Airbus gegründet, und damit das größte und leider kaum ausrottbare Missverständnis europäischer Digitalpolitik.

Soeben versucht Elon Musk, Twitter zu kaufen. Die Betonung muss seriöserweise auf »versucht« liegen, denn die Wahrscheinlichkeit für den erfolgreichen und vor allem nachhaltigen Kauf ist groß, aber nicht garantiert.

Der vielleicht größte Fallstrick darunter: Musk ist zwar der reichste Mann der Welt, aber 44 Milliarden Dollar sind auch für ihn viel Geld. Musks Reichtum ist ein weitgehend unternehmerischer, besteht also vor allem aus Aktien. Die benutzt er in dem komplexen Finanzierungskonstrukt für den Twitter-Kauf als Sicherheit für einen hohen Bankkredit. Die (hier etwas vereinfacht dargestellte) Gefahr für Musk dabei: Wenn die Tesla-Aktien zu stark fallen sollten, dann müsste Musk aberwitzig viel Geld nachschießen. Das er dann nicht mehr hätte, weil sein Vermögen eben hauptsächlich aus Tesla-Aktien besteht.

Unterwegs als fahrender Flugzeughändler

Airbus ist zwar Industrie, aber ein durch und durch politisches Projekt. Schon der Grund für die Entstehung ist politisch: Europa wollte nicht mehr so abhängig sein vom damals übermächtigen Flugzeughersteller Boeing. Vor allem Frankreich und Deutschland trieben das Projekt voran. Es wird am Ende aus mehreren Gründen zum Erfolg, nicht zuletzt wegen der Qualität der Flugzeuge.

Ganz vorn steht aber eine simple Tatsache: Die Zielgruppe beim Flugzeugkauf ist nicht besonders groß. Eigentlich kommen weltweit höchstens ein paar Hundert Personen infrage, und die sind sehr empfänglich für politische Argumente. Zur Anfangszeit von Airbus fuhr der Aufsichtsratsvorsitzende Franz Josef Strauß praktisch als fahrender Flugzeughändler durch die Welt.

Elon Musk bezeichnet sich als »free speech absolutist« (etwa: Redefreiheitsradikaler), aber hat wenig Probleme mit der öffentlichen Einschüchterung und Beleidigung von Leuten, die eine ihm unangenehme Meinung formulieren. Oder mit furiosen Attacken auf Journalisten. Er hält »Wokeness« (hieß früher »Political Correctness«) mehr oder weniger für den Untergang des Westens. Er glaubt, dass es ein gutes Zeichen für seine kommende Twitter-Politik wäre, wenn die jeweils Rechtesten und die Linksten zehn Prozent gleich unglücklich wären. Das alles deutet auf eine simplizistische und nicht besonders sachkundige Einstellung zu den heutigen Problemen einer Social-Media-Plattform hin. Vieles wirkt wie eine Schlagwortsammlung von Facebook aus dem Jahr 2010, also Ansätze, die unter Social-Media-Fachleuten als längst gescheitert gelten.

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