DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Eine Werft nach Corona

Erstellt von Redaktion am Dienstag 15. Juni 2021

Mehr Arbeit und weniger Jobs bei der Meyer Werft

Luftaufnahmen -Meyer Werft, Papenburg- 2013 by-RaBoe 071.jpg

Von Harff-Peter Schönherr

Deutschlands größter Schiffbauer war einst eine Macht im Emsland. Doch dann kam Corona, Entlassungen drohen. Das spezielle Agieren der Chefs sorgt nun richtig für Ärger.

Auf Nico Bloem lastet viel Druck dieser Tage. „Was hier abgeht, ist verrückt“, sagt der Betriebsratsvorsitzende der Papenburger Meyer Werft. „Die Geschäftsleitung bricht alle Regeln.“ Bloem ist Emsländer, SPD-Mitglied, IG-Metaller, gerade 26 Jahre alt – und schon im Zentrum eines brutalen Arbeitskampfs bei Deutschlands größtem Schiffsbaubetrieb. Am Montag vergangener Woche redete er vor 1.800 empörten Mitarbeitern auf einem Parkplatz, an seiner Seite Thomas Gelder, Geschäftsführer der IG Metall Leer-Papenburg. „Das war überwältigend!“, sagt Bloem. „Die Belegschaft hat sich sehr klar hinter uns gestellt.“

Zuvor hatte die Geschäftsleitung die Stammbelegschaft in einer Online-Umfrage vor die Wahl gestellt, ob in Papenburg mehr als 1.000 Arbeitsplätze wegfallen sollen oder nur 660. 1.446 Mitarbeiter entschieden sich für 660, nahmen aber dafür in Kauf, dass die Verbleibenden pro Jahr 200 unbezahlte Überstunden leisten, weit über fünf Wochen Arbeit.

Das Votum spiegele „mehrheitlich den Willen der Belegschaft“ wider, sagt nun Geschäftsführer Jan Meyer: Mit 1.557 Mitarbeitern hatte allerdings weit weniger als die Hälfte der Stammbeschäftigten an der Befragung teilgenommen. „Außerdem war das Ganze rechtswidrig“, sagt Bloem. „Das Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass der Betriebsrat bei so was mitbestimmt, aber wir wurden nicht informiert.“

Er sieht bei der Geschäftsleitung „mittelalterliches Denken“. Auf der Versammlung am Montag habe sie die Leute zudem einzuschüchtern versucht: „Aus dem Werk stieg eine Drohne auf, beobachtete das Geschehen. Und die Security hat Kollegen fotografiert, teils einzeln.“

Das Grundproblem sei die hohe Zahl der Werkverträge. „Nur 40 Prozent der Meyer-Belegschaft gehört zur Stammbesatzung, 60 Prozent hat Werkverträge“, sagt Bloem. „Einiges davon ist auch völlig in Ordnung, das sind outgesourcte Spezialaufgaben. Aber der Rest führt dazu, dass nach und nach die Stammbelegschaft ersetzt wird.“ Durch billigere Kräfte aus Kroatien, Polen, Russland oder Rumänien.

Norwegian Getaway 18.JPG

Die Meyer Werft im Emsland setzt derzeit rund 1,6 Milliarden Euro jährlich um. Sie ist Teil der luxemburgischen Meyer-Neptun-Gruppe und bekannt für ihre Kreuzfahrtschiffe. Dutzende hat Meyer seit Mitte der 1980er gebaut. Einige sind 350 Meter lang und 20 Decks hoch, schwimmende Kleinstädte für mehr als 6.500 Passagiere. Baudock II der Werft ist gut einen halben Kilometer lang, 125 Meter breit und 75 Meter hoch.

Lange boomte das Geschäft, Meyer fuhr Gewinne ein. Hunderttausende Schaulustige kamen, wenn die Riesenpötte aus dem Binnenland in die Nordsee überführt wurden – dabei hatten Vertiefung und Aufstauung der Ems, ohne die das nicht geht, fatale ökologische Folgen. Die Politik vor Ort tat wenig dagegen, schließlich ist die Meyer Werft eine echte Macht im Emsland. Doch dann kam die Coronapandemie. Kreuzfahrschiffe ankerten weltweit im Hafen, Meyer geriet ins Wanken. 40 Prozent Arbeitskapazität sollen deshalb abgebaut, 1,2 Milliarden Euro eingespart werden, bis 2025. Jetzt ist von Entlassungen die Rede, die Verhandlungen stocken.

Quelle       :          TAZ        >>>>>        weiterlesen

*********************************************************

Grafikquellen          :

Oben     —  Luftbilder von der Nordseeküste 2013-05

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>