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Eine Weihnachtsgeschichte

Erstellt von Redaktion am Dienstag 24. Dezember 2019

Die Legende vom Büderich oder 2019 Jahre schlechte Laune

Bethlehemkirche Meerbusch-Buederich.JPG

Von Manja Präkels

Eine Geschichte über den Büderich, der es nun wirklich sehr deutlich übertrieben hatte.

Der Flecken lag mitten im Dunkel, trotzig, rechtwinklig, in stiller Überschaubarkeit. Umgeben von Feldern ging ein schwaches Funzeln von ihm aus. Denn die Hauptstraße, entlang derer seine Bewohner alles fanden, was sie brauchten, war mit leuch­ten­den Sternen geschmückt. Haus an Haus reihten sich Bank, Bäcker, Fleischer, ein kleines Mode- und Schuhgeschäft (für Damen nur bis Größe 42!), ein Reformladen für die ökologisch Bewussten, ein Laden für die Trinker und Raucher sowie ein Pizzaimbiss mit Döner Hawaii im Angebot.

Alles und jeder hatte hier seinen Platz. Und wer keinen fand, ging fort. Denn dies ist der Lauf der Welt. Nur der Büderich, der hatte es zu weit getrieben. Der hatte seinen Platz verloren. Die Bäckerin öffnete ihren Laden allmorgendlich als Erste. Und kaum hatte die Kirchturmuhr viermal geschlagen, fanden sich die ersten Kunden ein. Allen voran die alte Fuchs, deren Züge versteinert waren, seit ihr Mann pflegebedürftig und somit beider Leben in Armut gefallen war.

Gegen fünf trafen die Monteure ein. Auswärtige Männer mit verlebten Gesichtern und Tätowierungen auf den Händen. Bestellten Kaffee, versammelten sich mit den dampfenden Bechern und hochgezogenen Schultern draußen zum Rauchen. Kamen schnaufend vor Kälte und Müdigkeit zurück in den Laden und frühstückten mit mechanischen Bewegungen. Ihr Arbeitstag hatte begonnen. Bis sieben blieb es ruhig im Ort. Nur vereinzelt fanden sich Schlaflose und Gassigeher am Kirchplatz ein, den täglich einmal zu umrunden zu den Hauptbeschäftigungen der Einwohner des Fleckens gehörte. Dies ist mein Ort. Vier Ecken und zwei Beine. Die Uhr schlägt uns den Rhythmus. Wir schlagen Wege ein.

Nur der Büderich, der hatte es, potz Blitz, zu weit getrieben. Das wussten alle. Selbst solche wie Säbler, der dazu neigte, den Verlauf eines Disputs geduckt abzuwarten, bis er sicher sein konnte, wem der Sieg gebühren würde, auf wessen Seite er sich zu schlagen hatte. Selbst der hielt sich fern vom Büderich, weil er zu weit gegangen war. Und keinen Platz mehr hatte. Ohne Not.

Gegen halb acht eilten schließlich die Schülerinnen und Schüler, gelbgesichtige Bankangestellte, gestresste Verkäuferinnen und der gichtgeplagte Leiter des Reisebüros ihrem Tagwerk entgegen. Endlich wurde es hell, im Bäckerladen löschten sie die Lichter. Wer spart, gewinnt, dass wusste schließlich jeder. Nur der Büderich, der hatte es nun wirklich übertrieben. Selbst mit so einer einfachen Sache wie der Sparsamkeit. Sogar die Gefühle hatte der sich gespart. Und das war es, was sie ihm am wenigsten verzeihen konnten. Denn schließlich haben auch Gefühle einen festen Platz, einen Ort, an den sie hingehören, und an Weihnachten, so viel stand fest, war dieser Platz nun wirklich klar markiert.

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Ein Überflüssiger

Ein kräftiger Wind schlug Regentropfen an die Fenster, die zeichneten schräg stehende Muster, die sich mit jeder neuen Böe veränderten und damit die Katzen auf den Fensterbänken hypnotisierten. Johann Fuchs, der sein ganzes Leben der Deutschen Reichsbahn, dem planmäßigen Abfahren und Ankommen schwerbeladener Güterzüge geopfert hatte, versetzte der Anblick einen Stich ins Herz.

Seit Monaten hatte er das Haus nicht mehr verlassen. Er, der die Schienennetze über zigtausende Kilometer hinweg bis ins Mark verinnerlicht hatte. Der noch immer ruhelos durch die Lande fuhr – nachts, allein. In seinen Träumen. Um dann, bei Tage, wieder nutzlos zu sein.

Quelle           :          TAZ        >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen         :

Oben      —        protestant church in Meerbusch, Germany (Betlehemkirche)

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