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RENTENANGST

Eine Reise nach Frankreich:

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 19. August 2020

Im Flixbus für „9,99 Euro durch Europa“!

Quelle        :         Scharf   —   Links

Von Dr. Nikolaus Götz

Kaum wieder im Juli 20202 zurück nach Deutschland (1), lockte das Flixbus-Management seine Kunden, die Koffer zu packen und ’Europa’ zu durchfahren. Mitten in der Ferienzeit 2020 platzierte der bekannte grüne Flixbus in Kooperation mit Aldi-Süd nämlich seinen unfassbaren Supersparpreis für 9,99 Euro und bot den wohl coronagenervten aber nicht ’systemrelevanten’ Deutschen die Möglichkeit, non-stopp ihr tristes ’home-office’ zu verlassen. Dabei galt es, einfach in den Flixbus einzusteigen und am Endpunkt auszusteigen, um eine möglichst optimal weite Distance mit dem Bus nach Norden, Süden oder in den Osten zurückzulegen. Mit dem Slogan „Lets go west!“ gab es auch für die „Westgrenzler“ der BRD kein Halten mehr, da ’Südfrankreich’ erreichbar wurde. Schnell erwarben die ’Südwestwessis’, ob Rhein-Pfälzer, Saarländer oder ’Badener’ ihr ’Europa-Ticket’(2), und ab ging es mit dem Flixbus!

Eigentlich war die Reise im Flixbus richtig romantisch, und die Fahrtzeit von rund 12 Stunden verging „wie im Flug“. Natürlich erbat die Reiseleitung nach dem Einstieg in den Bus, nach dem Platznehmen am reservierten Sitz, ausdrücklich um die Berücksichtigung der Corona-Maskenpflicht, eine Regel, die für die gesamte Fahrt gelten sollte. Sodann erklärte das Reiseleitungsteam das absolute Rauchverbot im Flixbus! Weiter sollte ein Essensverbot zur Erhöhung der Bussauberkeit eingehalten werden und gefolgt von Hinweisen auf die Zwischenstopps an Raststätten während der Fahrt, etwa im Zweistundentakt, da coronabedingt die ansonsten übliche Bustoilette ausfiel. Die notwendigen Essens-, Raucher- und Toilettenpausen wurden so möglich, wenngleich dadurch die Reisezeit verlängert wurde. Pünktlich ging die Tour los und nachdem die Innenbeleuchtung ausgeschaltet worden war, lockerten fast alle Reiseteilnehmer im Schutz der beginnenden Dunkelheit ihre Masken. Eigentlich war das sehr unvernünftig, denn die eingeschaltete Klimaanlage des Busses versorgte die Mitreisenden jetzt nicht nur mit ’Frischluft’, sondern wirbelte dabei auch so richtig alle Bakterien, Viren, Pilze und sonstige Mikroben herum, wobei jeder Reiseteilnehmer mit den businternen Aerosolen wie auch sonstigen Gerüchen so richtig vollgepumpt wurde. ’Himmlisch’ war er, dieser Duft nach Jasmin oder Lavendel, wobei zugleich der illusionäre Traum entstand, schon eine der gerade blühenden Lavendelfelder der Provence zu durchqueren, wenngleich dort mitten im geträumten Blumenfeld sich auch eine Frittenbude mit stinkendem Abfalleimer befinden musste – so hätte es die superfeine Nase des Jean-Baptiste Grenouille (3) wohl analysiert.

Doch jetzt im Bus während der Fahrt durch die beginnende Sommernacht mit den schnell dahin huschenden Lichtern war Entspannung angesagt, zumal da die monotonen Fahrgeräusche des Busses eine erste fühlbare Müdigkeit aufkommen ließen. Rechts und links oder auch in den vorderen Sitzreihen saßen noch verzückt eher jüngere ReiseteilnehmerInnen, die nun endlich zeitlos unbegrenzt und gleichsam monoton egozentrisch vernetzt irgendwelche Internetclips abrufen konnten. Lautstark geführte Handy-Telefonate wurden schnell beendet, zumal es zu viele Mithörer gab. Eine solche Gemeinschaftsreise im Bus erbringt sogar ungeahnte pädagogische Erziehungsfrüchte einer freiwillig-gezwungenen Gruppendisziplin, denn gegenseitiger Respekt wie Toleranz vor dem anderen Mitreisenden, bei engstem Raum, war angesagt. Gerade erst etwas eingenickt boten plötzlich die paar Minuten Zwischenstopp Ausgang und lockerten beim Freigang vor dem Bus die zwischen den Sitzen etwas eingeschlafenen Glieder. Natürlich mussten die Raucher in der Tankstelle direkt neben einem Benzineinlauf ihre Kippe anzünden ohne sich der Gefahr überhaupt bewusst zu sein, in die sie sich wie ihre Mitreisende brachten, während andere die gebotene Möglichkeit des Stopps zu einem ersten Kontaktgespräch nutzten.

Ob Singles oder Pärchen und selbst mit Kind und Kegel, alle Flixbus-Passagiere trafen nach zwölfstündiger Fahrt pünktlich und wohl auf in der bekannten Hafenstadt Marseille ein. Alsbald flanierten sie über den ’Prado’ besuchten den ’Alten Hafen’ und fuhren auf den Spuren des Grafen von Monte Christ zum Château d’ If oder sie bevölkerten sonnenbadend die hellsandigen Strände der südfranzösischen Côte. In den Cafés der Uferpromenaden von Marseille zwischen dem ’Equinoxe’ und dem innerstädtisch am Platz Castellane  gelegenen ’Paulaner’ floss das kühle Bier in Strömen und auch der typischste französische Pastis, der „51“ aus der Hafenstadt Marseille, fand bei den zahlreichen Trierern, Mainzern und/oder Freiburgern und Freiburgerinnen seine Liebhaber. „Les Allemands sont là!“, meinte der gesprächsbereite Garçon (4), der ansonsten vorher nur die eher leeren Tische und Stuhle kontinuierliche desinfiziert hatte. Ja, so herzlich wie in diesem Sommer 2020 wurden die deutsche Touristen schon lange nicht mehr in Frankreich bewirtet! Quelle chance! Was für ein kleines individuelles Glück in der Coronakrise! Danke Flixbus! Et merci ma douce France! (5)

Anmerkungen:

1 Siehe auch den Artikel: Impressionen einer Reise nach Frankreich: am Ende der ’Ausgangsbeschränkung’, auf scharf-links.de vom 30. 6. 2020

2 So die Flixbus-Reklame und der Hinweis: „Europaweite Direktfahrt auswählen“

3 Vgl.: Romanfigur von Patric Süßkind, in: Das Parfum

4 Übersetzung: Die Deutschen sind da! ; der ’Ober’/Bedienung

5 Anspielung auf einen ’Textteil’ von François Villon: „Danke mein geliebtes Frankreich!“

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Grafikquellen      :

Oben         —     Inzwischen ausgemusterter E-Bus (BYD C9) und Ladestation der Verbindung Mannheim-Frankfurt

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Unten       —        Lavender fields are a well known feature of the South of France, mainly located in Provence

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