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Eine eindeutige Erzählung

Erstellt von Redaktion am Montag 31. Mai 2021

Hans-Georg Maaßens Weltsicht

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Von Sabine am Orde

Der Ex-Verfassungsschutzchef Maaßen möchte für die CDU in den Bundestag. Doch wie weit rechts steht dieser Mann? Ein Text von ihm liefert Antworten.

Seit Hans-Georg Maaßen von der CDU in Südthüringen zum Direktkandidaten für den Bundestag nominiert worden ist, wird heftig über den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz debattiert. Wie weit rechts steht der Mann? Und: Ist er noch tragbar für die CDU? Von „Irrsinn“ sprach Marco Wanderwitz, CDU-Mann aus Sachsen und Ostbeauftragter der Bundesregierung. Serap Güler, CDU-Staatssekretätin in NRW, fragte die Parteifreunde im Osten: „Wie kann man so irre sein und die christdemokratischen Werte mal eben über Bord schmeißen?“ Parteichef Armin Laschet aber will keine Probleme sehen. Dabei muss man nur einen einzigen Text von Maaßen lesen, um wahrzunehmen, wie weit nach rechts er abgedriftet ist.

„Aufstieg und Fall des Postnationalismus“ ist ein kurzer Aufsatz, den Maaßen gemeinsam mit Johannes Eisleben verfasst hat. Bei diesem Namen, der auf vielen neurechten Kanälen zu finden ist, handelt es sich vermutlich um ein Pseudonym. Der Text ist Anfang des Jahres bei Cato erschienen, einem Zweimonatsmagazin, das unter dem Dach der Jungen Freiheit erscheint. Ursprünglich wurde der Text vergangenes Jahr auf Englisch bei Telos publiziert, einem Journal der Alt-Right-Bewegung.

Die taz hat zwei Kenner der neurechten Ideologie und Bewegung gebeten, den Text zu analysieren: „Das ist Neue Rechte pur“, sagt der Historiker Volker Weiß, der seit vielen Jahren Geschichte und Gegenwart der rechtsextremen Bewegung in Deutschland erforscht und mit „Die autoritäre Revolte“ ein Standardwerk verfasst hat. „Hier finden sich Kernelemente des intellektuellen Rechtsextremismus“, urteilt auch Matthias Quent, Professor an der Hochschule Magdeburg und Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena. Der Rechtsextremismusexperte sagt: „Das ist ein krasser Text für einen Mann, der einmal Chef des Verfassungsschutzes war.“

Kurz gefasst malen Maaßen und sein Co-Autor das Bild vom gesellschaftlichen Niedergang, der auf einen Kampf zwischen der autochthonen Unterschicht und Einwanderungsclans hinausläuft. Dabei klingt Angstlust vor einem Bürgerkrieg durch. Denn wohl nur durch einen großen Rumms kann aus Sicht der Autoren das Bürgertum aus seiner Erstarrung erweckt, eine totalitäre Gesellschaft verhindert werden. Maaßen klinge wie der Steve Bannon von Thüringen, hat die Süddeutsche Zeitung jüngst geschrieben. Man kann aber auch einen Vergleich mit Götz Kubitschek ziehen, dem neurechten Kleinverleger, der im sachsen-anhaltinischen Schnellroda das Institut für Staatspolitik betreibt.

Kapitalismuskritik von rechts

Maaßens Text beginnt mit dem wirtschaftlichen Abstieg und dem „kulturellen Niedergang“ des Westens und einer „Vermögenskonzentration auf eine kleine Elite“. Die Ursachen dafür: die Abschaffung des Goldstandards und vor allem die Globalisierung.

„Das ist eine klassische Kapitalismuskritik von rechts“, sagt Historiker Weiß. Natürlich sei Kritik an der Schere zwischen Arm und Reich und auch an der Konzentration von Vermögen richtig. Maaßen aber personalisiere Strukturfragen und blende jenseits der Globalisierung alle anderen Gründe für soziale Ungleichheit aus. Er unterschlage, dass es diese bereits zu Zeiten des klassischen Nationalstaats gegeben habe.

Dann ist der Text schnell bei der „massiven Migration“, dem aus Sicht der Autoren zweiten großen Problem. Diese habe zu „Parallelgesellschaften“, zu Kriminalität und der Überforderung der Sozialsysteme geführt – die „Zersetzung“ der Gesellschaft drohe. Die Strategie dahinter: Die „Auflösung familiärer und lokaler Zusammenhalte“, die „Entwurzelung“ von Menschen und die Zerstörung von „Traditionen und Nationalkulturen“. So würden die Menschen zu einer „anonymen, atomisierten Masse, die leicht zu kontrollieren und zu manipulieren“ sei.

Dahinter stecken für Maaßen & Co zwei Lager, die man sich bislang eher als Gegner vorgestellt hat: Die „sozialistischen und die globalistischen Kräfte“, mal auch „Pseudolinke“ und „Globalisten“ genannt. Diese hätten sich verbündet. Ihr Ziel: die Verwandlung einer einstmals freien Gesellschaft in ein „undemokratisches, totalitäres, supranationales“ Regime.

Das Narrativ des „kulturellen Niedergang“

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Solche Politiker braucht das Schland, auf das die Banane krumm bleibe !

Die „Wirtschaftsglobalisten“ wollen so Eigentum und Profite „zunehmend auf einige tausend Familien konzentrieren, die sich daranmachen, bald alles zu besitzen“. Die Linken dagegen ihre „politischen Erlösungshoffnungen“ umsetzen: mit „Identitätspolitik und Minderheitenrechten“, einer „politischen Säuberung der Sprache“, der „Abschaffung des Rechts auf freie Meinungsäußerung“, „Klimaschutz“ und „noch mehr Migration“. Und natürlich, so raunt der Text, vollziehe sich der Prozess „orchestriert“ und „weitgehend im Verborgenen“ und sei den meisten Bürgern „kaum bewusst“. Als ob nicht jeder Akt der Liberalisierung breit diskutiert würde.

Quent verweist hier auf das Narrativ vom „kulturellen Niedergang“: „Das ist der ideologische Ankerpunkt, auf dem sich intellektuelle Rechte immer wieder bezieht. Eine Gesellschaft im Kontext von Globalisierung, Migration, Emanzipation und besonders von Liberalismus, also mit Minderheitenrechten und Demokratieprinzipien, die muss in dieser Perspektive eine Gesellschaft im Niedergang sein.“ Demokratiegefährdung durch Pluralismus, das sei Maaßens These, sagt auch Volker Weiß. Das aber sei, gelinge gesagt, ein schwieriger Demokratiebegriff. „Zur Demokratie gehören zwingend der Schutz von Minderheiten und Pluralismus.“

Quelle     :           TAZ        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben       —      Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

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