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RENTENANGST

„Ein widerlicher Versuch“,

Erstellt von Redaktion am Freitag 2. Februar 2018

die Leute gegeneinander Auszuspielen – gilt auch für Wagentaines gesabberten Müll ?

Bernd Riexinger Die Linke Wahlparty 2013 (DerHexer) 02.jpg

Wehe denen, welche sich zu Müllverursachern missbrauchen lassen!

Interview von Anna Lehmann

Bernd Riexinger über rechte Sozialpolitik – Arbeiter und Flüchtlinge haben dieselben Interessen, sagt Linken-Parteichef Bernd Riexinger. Wie passt das zum parteiinternen Streit über Zuwanderung?

taz: Herr Riexinger, haben Sie in letzter Zeit mal wieder einen Krimi gelesen?

Bernd Riexinger: Ich lese ja gerne Krimis. Am besten finde ich gerade die Krimis von Christian von Ditfurth mit diesem Kommissar in Berlin, der verliebt ist in seine Stellvertreterin.

Erkennen Sie sich wieder? Nein. Aber das sind richtig gute Politkrimis.

Sie haben mal gesagt, Sie lesen immer dann Krimis, wenn es richtig stressig wird.

Stimmt.

Zurzeit ist es also richtig stressig?

Ich habe überwiegend in der Weihnachtszeit, als ich völlig kaputt war, Krimis gelesen. Es gab einfach keine Pause. Wahlkämpfe sind nun einmal stressig. Und nach der Wahl ging es weiter.

Sie meinen die Auseinandersetzung, die zwischen den Fraktionschefs Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch auf der einen Seite und Ihnen und Katja Kipping auf der anderen Seite tobte?

Ja, genau. So was geht ja nicht spurlos an einem vorbei.

Ist der Konflikt gelöst?

Hinter dem Ganzen stecken inhaltliche Differenzen. Da brauchen wir Klarheit in der Sache. Sicher werden wir auch auf dem Parteitag darüber diskutieren.

Welche Differenzen denn?

Die erste Frage ist die Flüchtlingspolitik. Da bin ich persönlich der Meinung, dass wir unsere Haltung – offene Grenzen für Menschen in Not – nicht aufweichen dürfen. Und darin steckt natürlich auch die zweite Frage: Wie bekämpfen wir den Rechtsruck? Ich denke, wir müssen klar dagegenhalten, wenn rassistische oder nationalistische Gedanken verbreitet werden, und auch im positiven Sinne Aufklärung leisten, indem wir mit den Leuten reden: an den Stammtischen, in den Betrieben, in den Stadtteilen. Die dritte Frage ist die Milieufrage. Die Linke hat in jungen, urbanen Milieus, in den Großstädten gewonnen und bei Erwerbslosen und Arbeitern verloren. Bei uns gibt es eine Debatte, ob wir quasi so eine Ersatz-Grünen-Partei werden und die Arbeiterklasse verloren haben. Und ich halte diese Debatte für falsch.

Warum denn das?

Weil es keine Entweder-oder-Frage ist. Die neuen Mitglieder, die zu uns kommen, haben ganz unterschiedliche Jobs – viele von ihnen sind in sozialen Berufen wie der Pflege unterwegs, andere sind Koch oder Verkäuferin. Letztens hat mir unser Mitarbeiter, der die Mitglieder betreut, erzählt, dass wir neuerdings richtig viele Informatikerinnen und Informatiker bei uns in der Partei haben. Zugleich machen wir aber auch Politik für Menschen, die erwerbslos sind, die in sozialen Brennpunkten leben oder die als Arbeiter malochen. Es geht darum, wie wir die Milieus verbinden, indem wir ihre gemeinsamen Interessen vertreten, beispielsweise leidet eine Studentin genauso unter den hohen Mieten wie jemand ohne Job.

Aber die Linke hat, wie Sie ja selbst sagen, bei Arbeitern, prekär Beschäftigten und Arbeitslosen Stimmen verloren. Was machen Sie falsch?

Vor Jahren, als die Linke gegründet wurde und stark im Erwerbslosen- und im Arbeitermilieu war, gab es keine andere Partei, mit der du protestieren konntest. Momentan gilt für manche die AfD als Protestpartei. Aber wir haben damit nicht die Lohnabhängigen verloren. Zum Beispiel wählen 14 Prozent der Frauen, die gewerkschaftlich organisiert sind, die Linke. Das ist neu.

Die AfD wendet sich gezielt an die deutschen Arbeiter_innen. Die Linke will Arbeitnehmerinteressen verteidigen und offene Grenzen und Freizügigkeit. Das passt doch gar nicht zusammen!?

Doch. Im Kern haben Deutsche und Migranten die gleichen Interessen als Lohnabhängige. Nehmen Sie die Fabrik: Ein Daimler-Arbeiter in der Logistik, der vor 2001 eingestellt wurde, hat 4.400 Euro brutto verdient, der Leiharbeiter hatte dann 3.200 Euro und der Werkverträgler von heute, der hat noch 1.700 Euro. Das heißt, durch die Prekarisierung der Arbeit haben wir einen Lohnverfall von fast zwei Dritteln. Und jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Kernarbeiter, der tariflich noch gut bezahlt wird, grenzt sich von dem Werkverträgler ab. Oder er sieht, dass sie eigentlich gleiche Interessen haben. Und sie kämpfen zusammen für bessere Arbeitsbedingungen, für höhere Löhne und gegen die Aufspaltung der Beschäftigten in prekäre und Kernbeschäftigte. Und das ist eine Aufgabe der Linken, die gemeinsamen Interessen in den Vordergrund zu stellen, sie auch politisch zu formulieren und der Spaltung und Fragmentierung praktisch entgegenzuarbeiten. Der gleiche Mechanismus greift auch bei Flüchtlingen, da betreibt man die Abgrenzung nach außen.

Der Björn-Höcke-Flügel der AfD setzt jetzt stark auf Sozialpopulismus, wettert gegen Neoliberalismus und fordert mehr Solidarität. Wird die AfD die härteste Konkurrentin der Linkspartei?

Höcke und Co. betreiben nationalistische Hetze. Das ist ein widerlicher Versuch, die Leute gegeneinander auszuspielen. Dem kann man nur offensiv begegnen, indem man das deutlich macht. Nehmen Sie die Verkäuferinnen bei H & M. 60 Prozent der Beschäftigten haben einen Migrationshintergrund. Es ist lächerlich, hier in Deutsche und Nichtdeutsche zu unterteilen.

Sie sagen, das sei lächerlich. Aber sehen Sie deshalb die Aktivitäten der AfD mit Gelassenheit?

Nein, gelassen bin ich nicht. Nationalismus ist gefährlich und menschenverachtend. Wir zeigen klare Kante gegen rechte Hetze. Die AfD macht einen Konflikt auf zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und ohne Migrationshintergrund, zwischen Nationalstaat und internationaler Politik. Und das ist genau der verkehrte Konflikt. Wir müssen deutlich machen: Das stärkt nicht die Position der Beschäftigten, sondern schwächt sie. Denn das Hauptaugenmerk wird nicht auf die Verursacher des Problems gelenkt, darauf, dass das Kapital ganz großes Interesse an Prekarisierung, an Spaltung, an geringen Löhnen hat.

Diesen Konflikt gibt es doch auch in Ihrer eigenen Partei. Sahra Wagenknecht meint, wirtschaftlich motivierte Einwanderung sei falsch, die Linke müsse die Interessen der Leute hier vor Ort vertreten, also nationale Interessen.

Quelle    :     TAZ         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben     —    Feier der Partei Die Linke in der Berliner Kulturbrauerei. Bernd Riexinger.

 

 

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