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Ein Ukraine – Tagebuch

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 10. März 2022

„Krieg und Frieden“
Von Kiew bleibt ein Stück Trockenfisch

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Aus der Ukraine von Olena Makarenko

Wir fingen an zu packen. Sogar die Worte „Ich verlasse Kiew“ machten mir Angst. Bei Mama stieg sofort der Blutdruck.

Ich suchte meine Sachen zusammen und verstand, dass, wenn ich jetzt gehen würde, völlig unklar sei, wann ich hierher zurück käme. Dann redete ich mit Mama und dachte: Wenn ich bleibe, ist nicht klar, wann ich sie und Papa wiedersehe… und ob. Ich möchte, dass meine Eltern (sie sind über 70) in Sicherheit sind.Der Mann, der uns wegbringen sollte, verspätete sich, man kam gerade nicht so gut durch. Ich setzte mich mit den Eltern ins Auto. Und dann fing ich wie aus heiterem Himmel zu weinen an und weinte die ganze Fahrt über.

Es ist der erste Tag nach der Ankunft in der Westukraine. Öffentlich keine Orte, Namen und Details zu nennen, ist mittlerweile schon zur Gewohnheit geworden. Im Supermarkt gibt es alles zu kaufen, sogar Brot. Es gibt auch keine Schlangen. Aus den Bankautomaten bekommt man Bargeld. Ich verstehe, dass das immerhin gut ist. Aber es zerreißt mir das Herz, dass es in meiner Heimatstadt Kiew überhaupt nicht so ist.

Als Erstes gehe ich zum Friseur, um mir die Haare schneiden zu lassen. Es scheint, als sei das Blödsinn im Krieg, aber mir kommt es vor, als würde es dann leichter. Die Friseurin stellt die üblichen Fragen. Ich kann nicht anders und fange an zu weinen. Sie schenkt mir Kräutertee ein und sagt, dass, wenn ich jetzt hier sei, das so sein solle. Man müsse Gott vertrauen. Und sie fragt mich, ob ich später mitkommen will, um Netze fürs Militär zu knüpfen. Sie sagt, dass die Arbeit mit den Händen beruhige. Ich gehe dann mit, aber die Arbeit verwirrt mich. In meinem Kopf schwirrt die Frage herum: „Was tust du hier?“ Ich bin Journalistin und meine Front ist die Nachrichtenfront.

20220224 Kyiv.jpg

Ich bin zum ersten Mal in dieser Stadt. Sie ist hübsch. Normalerweise fotografiere ich viel mit dem Handy. Jetzt darf man das nicht tun. Kein Mosaik, keinen Platz, kein Haus mit ungewöhnlicher Architektur, keine Werbetafeln mit der Aufschrift „WSU (das sind die bewaffneten ukrainischen Streitkräfte), ihr seid die Besten“ darf fotografiert werden. Man könnte mich für eine Spionin oder Saboteurin halten. Am ersten Tag hat ein Verwandter den Ausblick aus seinem Fenster geknipst. Nur für sich selbst. Nach zehn Minuten kamen sie in seine Wohnung, baten ihn, das Foto zu löschen und haben das auch überprüft. Sicherheit ist im Augenblick wichtiger als alles andere.

Quelle      :          TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Anne Frank in 1940, while at 6. Montessorischool, Niersstraat 41-43, Amsterdam (the Netherlands). Photograph by unknown photographer. According to Dutch copyright law Art. 38: 1 (unknown photographer & pre-1943 so >70 years after first disclosure) now in the public domain. “Unknown photographer” confirmed by Anne Frank Foundation Amsterdam in 2015 (see email to OTRS) and search in several printed publications and image databases.

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Unten    —      The only pedestrians about around 9 a.m. in Kyiv on Feb. 24, 2022, were dog-walkers and people heading out of the city. (Jaimie Dettmer/VOA)

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