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Ein Ukraine – Tagebuch

Erstellt von Redaktion am Samstag 7. Mai 2022

„Krieg und Frieden“
Siegesfeier an der Heimatfront

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Aus Moskau XENIA BABICH

Seit 2005 wird der 9. Mai in Russland mehr und mehr zu einem „Feiertag“, statt wie früher ein Gedenktag zu sein. Damals flogen an diesem Tag erstmals Kampfflugzeuge über den Roten Platz und das Georgs Bändchen als Symbol tauchte auf.

Ab 2008 waren bei der jährlichen Parade auch schwere Militärfahrzeuge zu sehen. Nach und nach begann das Feiern des Sieges das Gedenken abzulösen. Aus einem freien Tag wurde ein patriotisches Format, das eine klare Stellungnahme und eben das Feiern verlangte, und nicht stilles Gedenken oder gar Trauer.

Als ich noch zur Schule ging, schrieben meine Klassenkameraden und ich Postkarten an die Veteranen des Großen Vaterländischen Kriegs, wie der Zweite Weltkrieg bei uns genannt wird, und brachten sie ihnen nach Hause. Wir überreichten ihnen am 9. Mai Blumen und Süßigkeiten, die wir selbst gekauft hatten. Für uns war es wichtig, ihnen gegenüber unsere kindliche Dankbarkeit auszudrücken: dass sie die schrecklichen Kriegsjahre überstanden hatten, für ihre Tapferkeit und dafür, dass wir Kinder in Freiheit, ohne fremde Invasoren leben konnten. In meiner Kindheit kamen Veteranen in den Schulunterricht und erzählten von all dem Schrecklichen, das sie erlebt und nie vergessen hatten. Wir Schüler sagten: „Nie wieder“. Und heute bringt man den russischen Schulkindern bei: „Das können wir noch mal machen“.

Die Aktion, die aus der zivilen Initiative „Unsterbliches Regiment“ hervorgegangen ist, hat der Staat den Journalisten, die sie erfunden haben, quasi gestohlen und zu einem neuen staatlichen Ritual gemacht. (Bei der Aktion am 9. Mai tragen die Menschen auf einem Gedenkmarsch Bilder ihrer Angehörigen, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben; d. Red.)

RIAN-Archiv 665547 Einführungszeremonie des Jungen Pioniers auf dem Roten Platz in Moskau.jpg

Putins Auftrieb seiner Schafherden

An den Paraden nahmen plötzlich auch Staatsbeamte und der russische Präsident teil. Sie wurden zu einer Massenveranstaltung in immer mehr Städten des Landes. Das persönliche Erinnern an den Krieg in der Familie wurde plötzlich öffentlich. Und darüber hinaus begann nun der Staat vorzuschreiben, wie man diese Erinnerungen leben, begehen und zu bewerten habe.

Jetzt schaue ich mir das alles im Jahr 2022 an: Die Werte, die mir seit meiner Kindheit vertraut waren, sind verschwunden. Dafür gibt es eindeutige Positionen und strahlende Bilder vom „russischen Sieg“ und vom „Kampf gegen den neuen/alten Nazismus“. Heute ist der Tag des militärischen Sieges einer ohne dunkle Seite: Leiden, Gewalt, Tod, Vergewaltigungen und Verlust bleiben außen vor. Und so kann der Staat den schrecklichsten Tag in einen unreflektierten staatlichen Feiertag verwandeln.

Quelle       :      TAZ-online        >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —    Anne Frank in 1940, while at 6. Montessorischool, Niersstraat 41-43, Amsterdam (the Netherlands). Photograph by unknown photographer. According to Dutch copyright law Art. 38: 1 (unknown photographer & pre-1943 so >70 years after first disclosure) now in the public domain. “Unknown photographer” confirmed by Anne Frank Foundation Amsterdam in 2015 (see email to OTRS) and search in several printed publications and image databases.

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Unten     —   „Young Pioneer Induction Ceremony auf dem Moskauer Roten Platz“. Teilnehmer, die an der Einführungszeremonie des Jungen Pioniers im Mausoleum von Wladimir Lenin auf dem Roten Platz in Moskau teilnahmen.

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