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Ein Staat für Erdogan

Erstellt von Redaktion am Freitag 12. September 2014

Der neue Präsident der Türkei hebelt die Gewaltenteilung aus.

von Yavuz Baydar

Die alte Türkei ist nicht mehr, es kommt die neue Türkei. Eine Ära ist zu Ende, jetzt beginnt eine neue.“ Mit diesen Worten übergab Recep Tayyip Erdogan, der scheinbar unbezwingbare Führer der Türkei, vor dem Parteikongress seiner AKP das Amt des Vorsitzenden an seinen Nachfolger. Erdogans Gefolgsleute und die AKP-hörigen Medien feierten die neue Ära mit lärmenden und begeisterten Kommentaren, die sich noch steigerten, als ihr Heros am 28. August als neuer, erstmals direkt gewählter Präsident der Türkei vereidigt wurde.

Aber was ist mit dem unscharfen Begriff „neue Ära“ gemeint? Zunächst bezeichnet er ein halbpräsidentielles Regierungssystem, das erklärtermaßen „eine hundert Jahre zurückliegende Mission“ fortführen soll. Das klingt nach einem modernisierten „Sultanat“, also der Rückkehr zu einem Herrschaftssystem, das vor dem Ersten Weltkrieg durch die Rebellion der Jungtürken aus den Angeln gehoben wurde.

Jenseits dieser historischen Referenz stellt sich die höchst aktuelle Frage, ob die Türkei mit der Wahl Erdogans auf ein Regime nach dem Muster Aserbaidschans, der Golfmonarchien oder der Staaten Zentralasiens zusteuert. Das würde zugleich das Ende des jahrzehntelangen Strebens nach voller EU-Mitgliedschaft sowie aller Träume von einer tatsächlichen Demokratisierung bedeuten.

Nun könnte man einwenden, dass die türkische Verfassung – eine Hinterlassenschaft der Militärjunta, die das Land nach dem Putsch von 1980 mit harter Hand regiert hat – dem Präsidenten nur begrenzte Machtbefugnisse verleiht. So gesehen könnte der Aufstieg des AKP-Führers ins Präsidentenamt gerade diejenigen (auch innerhalb seiner Partei) beruhigen, die Erdogans zunehmend autoritäres Gehabe besonders nervös macht: die akribische Kontrolle aller staatlichen Organe, die Obstruktion jeder machtbegrenzenden Gewaltenteilung, sein unstillbarer Drang, den Türken ihre Lebensweise vorzuschreiben und die ganze Gesellschaft wieder der alten patriarchalischen Kultur zu unterwerfen.

Quelle: Le Monde diplomatique >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Carlos Latuff

Dieses Werk wurde von seinem Urheber Carlos Latuff als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit.

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