Ein Schlagloch über Vögel
Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 2. Februar 2018
Wann ist ein Star ein Star?
Es hat sich so eingebürgert in diesem Land . Nach Abschaffung des deutschen Adel macht sich die überwiegende Regenbogenpresse vermehrt auf den Weg, die Lebens- oder Lust-wandelnden Familien von englischen Teetrinkern oder holländischen Maischen zu begleiten. Dabei scheinen im Besonderen leicht gewölbten Bäuche bei königlichen Damen für erhöhte Aufmerksamkeit zu sorgen.
Ersatz für den Wegfall dieser elitären Gruppe wurde allerdings relativ schnell gefunden und neue Wegelagerer und Raubritter nahmen die freien Plätze gerne für sich in Beschlag. Sie nannten sich nun PolitikerInnen und wurden dann auch weniger nach den Inhalt ihrer Köpfe, sondern mehr nach den Unsinn beurteilt, welchen sie zum Besten gaben und dieses vorrangig in neu erfundenen Sendungen des Fernsehens – den Talkshows. Dort wurde schnell aus einer wöchentlichen Sendung ein täglicher Platz für eine solch, spezielle Art der Unterhaltung gefunden. Hier darf dann jeder das sagen was Autoren und Zuschauer gerne hören möchten. Wobei im Land Kritik an den selbsternannten Eliten unerwünscht bleibt. Zu einer selbstkrituischen Haltung waren diese Typen nie zu haben. DL-Red. – IE
Da, über die Brücke geht es lang
Haltung, Macht und Meinung jenseits des Politbetriebs sind leider Mangelware
Von Jagoda Marinić
Robert Habeck barfuß unterwegs im Wattenmeer. Robert Habeck auf See. Robert Habeck auf Wiesen vor einem Leuchtturm sitzend. Während Christian Lindner noch seine Stilisierungen selbst inszenieren musste, darf Robert Habeck machen lassen – und liefert schöne Bilder zu den Storys. Er sollte nur schauen, dass er dadurch nicht varoufakisiert wird.
Die meisten Journalisten scheinen es nicht erwarten zu können, endlich wieder jemanden hochjazzen zu dürfen. Schließlich hat man ihn dann ein bisschen in der Hand. Tina Hassel, Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, hasselt beim Bundesparteitag der Grünen auf Twitter: „Neuer Grüner Star #Habeck …“. Selbst Robin Alexander, der neue Welt-Erklärer und das Gegenteil von Kanzlerinversteher, reagiert prompt mit „Leider berichte ich nicht über @Die_Gruenen. Aber zum nächsten Parteitag fahre ich trotzdem. …“ Ironie on oder off, das klingt beinahe so, als hätte Robin Alexanders Sympathie einen Kontrollverlust erlitten.
Deutsche sehnen sich nach Bewunderung und Begeisterung. Das ist für eine tendenziell miesepetrige Gesellschaft ja nicht schlecht. Dieser Trend, aus Politikern Stars machen zu wollen, dient jedoch weder Politikern noch Bürgern und schon gar nicht der Demokratie. Zum einen wird Oberflächlichkeit in der Politik zum Hauptthema – zum anderen fehlen der demokratischen Gesellschaft wirkliche Stars, die Haltung, Macht und Meinung jenseits des Politbetriebs haben. In den USA ist das nicht minder gefährlich – doch im Gegensatz zu uns haben die US-Amerikaner neben Politikern, die sich gerne als Stars gerieren und porträtieren lassen, noch echte Stars: Taylor Swift zum Beispiel hat nach wie vor doppelt so viele Follower auf Twitter wie Trump, obwohl er der halben Welt für eine Followerschaft seiner Größenordnung wahrscheinlich noch ein paarmal mit dem Atomknopf drohen würde.
Ein Star schafft sich nicht nur selbst. Ein Star entsteht durch Spiegelung, Nacherzählung, Scheinwerferlicht. In Deutschland waren echte Stars schon immer rar, und sie werden noch rarer, nicht zuletzt dank der Mutlosigkeit zahlreicher Redaktionen. Wenn Schauspieler den Mund aufmachen und sich zu Gesellschaftsthemen äußern, heißt es abfällig: „Die sollten lieber schauspielern.“ Sobald Musiker reden, verweist man darauf, dass sie vor allem ihre Instrumente beherrschten. Ideen, die Talente und Persönlichkeiten im eigenen Land würdig zu inszenieren, gibt es zu wenige. Wenn dann jedoch ein US-Star wie Bruce Springsteen in Deutschland zur Buchpräsentation lädt, verfallen Journalisten in ehrfürchtige Verehrung und hängen ihm an den Lippen.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Logo des TV-Dschungelcamps „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“
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Unten — Robert Hadeck – Grüne
Länderrat Bündnis 90/Die Grünen am 17. September 2017 in Berlin: Robert Habeck